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Video: Undra Dreßler ist seit dem Sommer Stadträtin in Burg. Die gebürtige Mongolin war Teil der Kampange "Wir sind 7 Prozent". Bildrechte: MDR/Beatrix Heykreroth
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Eine von 18 Migranten in der Kommunalpolitik: Bedarf an mangelnder Teilhabe sichtbar machen

30. September 2024, 12:29 Uhr

In Sachsen-Anhalt leben mehr als 200.000 Menschen, die nicht in Deutschland geboren wurden und trotzdem die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. In den Stadt- und Gemeinderäten sind Zuwanderer allerdings kaum vertreten. Mit der Initiative "Wir sind 7 Prozent" sollte das bei der Kommunalwahl im Sommer geändert werden.

MDR SACHSEN-ANHALT-Autor Hannes Leonard steht im Profil vor einer Wand
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"Ich will in meiner Stadt mitgestalten und etwas verändern", erzählt Undra Dreßler im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Die 41-Jährige ist im Sommer für die SPD in den Stadtrat von Burg im Jerichower Land eingezogen. Als gebürtige Mongolin ist sie damit eine absolute Ausnahme. Nur ganz wenige Menschen mit Migrationsgeschichte haben in Sachsen-Anhalt bislang den Sprung in die Kommunalpolitik geschafft.

Geboren und aufgewachsen ist Dreßler in der Mongolei. In Erfurt studiert sie später Sozialpädagogik, lernt ihre große Liebe kennen und bleibt in Deutschland. Seit 2009 wohnt sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern in Burg. "Ich war schon in meiner alten Heimat als Studentin politisch aktiv und habe zum Beispiel Veranstaltungen organisiert", erzählt Dreßler. In Sachsen-Anhalt hat sie dann durch den schwarzen Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby (SPD) in die Politik gefunden. Diaby war damals Mitglied im Stadtrat von Halle.

Ein Bundestagsabgeordneter als Vorbild

"Ich bin damals auf ihn zugegangen und habe ihn gefragt, wie die Arbeit eines Stadtrates funktioniert und wie man das werden kann", erinnert sich Dreßler. Diaby ist für sie immer noch ein "großes Vorbild und gleichzeitig ein sehr guter Freund". Gemeinsam haben sie sich im Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (Lamsa) e.V. engagiert. 

Im Vorfeld der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt ist im Lamsa der Plan gereift, Menschen mit Migrationsgeschichte bei der Wahl zu unterstützen. Die Mitarbeiter dort haben die Kampagne "Wir sind 7 Prozent" erdacht. "Wir haben in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, dass auf kommunaler Ebene kaum Menschen mit Migrationsgeschichte in den Kreistagen oder Stadträten vertreten sind", erläutert Lamsa-Chef Mamad Mohamad die Entscheidung. 

Kampagne "Wir sind 7 Prozent": Was ist das? Etwa sieben Prozent der Einwohner von Sachsen-Anhalt hatten 2022 nach Zahlen des Mikrozensus einen Migrationsbezug. Das entspricht rund 217.000 Personen. In der kommunalen Politik sind diese Menschen mit einer Zuwanderergeschichte bisher aber kaum vertreten.
Mit der Kampange "Wir sind 7 Prozent" soll das geändert werden. Unter der Schirmherrschaft des Lamsa-Vereins aus Halle werden Workshops organisiert, etwa über Hass im Netz. Gleichzeitig unterstützen sich die Mitglieder gegenseitig.

"Im ganzen Land war bis dahin nur eine einzige Person mit Migrationsgeschichte in einem Kommunalparlament vertreten", so Mohamad. Der Bundestagsabgeordnete Diaby teilt die Einschätzung, dass die Belange von Zuwanderern zu wenig gehört werden. "Es gibt auf allen politischen Ebenen eine Repräsentationslücke von Menschen mit Migrationsgeschichte. Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren – und zugleich konkrete Maßnahmen zur Verbesserung zu ergreifen", so Diaby auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT.

Eine schwierige Suche beginnt

Für Mohamad und seine Mitarbeiter beginnt eine schwierige Suche. Viele Menschen fürchteten sich um ihre Sicherheit, wenn sie kandidieren. "Ein großes Problem war, als im Februar letzten Jahres das Büro von Karamba Diaby angezündet wurde. Da haben viele gedacht, wenn noch nicht einmal der Bundestagsabgeordnete sicher ist, welchen Schutz habe ich als Kandidat oder zukünftiger Stadtrat", erklärt Lamsa-Chef Mohamad.

Karamba Diaby
Karamba Diaby im Bundestag: Der Anschlag auf sein Büro hat viele Zuwanderer von einer Kandidatur bei der Kommunalwahl abgehalten. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Future Image

Insgesamt 18 Menschen mit Zuwanderungsgeschichte erklären sich bereit, bei den Kommunalwahlen anzutreten. Bis auf Undra Dreßler aus Burg scheitern alle, obwohl sie teilweise auf aussichtsreichen Listenplätzen stehen. So auch der 40-jährige Nomayy Oweidi aus Halle. Der Oberarzt in der Notaufnahme der Uniklinik ist bei der Kommunalwahl für die Grünen angetreten. Politisch engagiert sich Oweidi für eine bessere Ausstattung des Rettungsdienstes und der medizinischen Versorgung.

Verschiedene Gründe für Misserfolg

"Es ist erschreckend, wie die politische Mitte abdriftet. Menschen mit Migrationsgeschichte werden nicht als Teil unserer Gesellschaft, als Teil der Vielfalt, von der jeder auch profitieren kann, gesehen, sondern leider oft als Feind", bilanziert Oweidi seine Kandidatur. Gerade in der politischen Auseinandersetzung sei der Ton zuletzt rauer geworden, stellt auch der Bundestagsabgeordnete Diaby fest. 

Mann wird auf der Straße interviewt
Nomayy Oweidi aus Halle ist bei der vergangenen Kommunalwahl für die Grünen angetreten. Er beklagt ein Abdriften der politischen Mitte. Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

"Im Bundestag gibt es eine Fraktion, die regelmäßig die Beratungen stört und die eigenen Redebeiträge nicht für die parlamentarische Auseinandersetzung, sondern für Videoschnipsel in den sozialen Medien inszeniert. Diese Arbeitsweise finde ich unseriös." Auch aus der Kommunalpolitik höre Diaby, dass die AfD-Fraktionen sehr oft wissen, was sie nicht wollen und wogegen sie sind. "Inhaltliche Vorschläge bleiben dagegen bis auf populistische Schnellschüsse aus. Es ist klar, dass eine solche 'Kultur' nicht gerade zum Mitmachen einlädt", so der Bundestagsabgeordnete aus Halle.

Lehren für kommende Wahlen ziehen

Tim Kehrwieder ist vor ein paar Jahren aus Brandenburg nach Halle gezogen, studiert derzeit noch an der Martin-Luther-Uni Politik und sitzt seit dem Sommer für die FDP im Stadtrat. Für ihn sind ganz praktische Probleme für das schlechte Abschneiden von Menschen mit Migrationsgeschichte bei der Kommunalwahl verantwortlich. "Parteien leben von Netzwerken und wenn Migranten erst wenige Jahre in einer Stadt leben, fehlen ihnen oft diese wichtigen Kontakte. Dann kenne ich nicht den Vorsitzenden des Fußballvereins oder die 20 Mitglieder, die bei einer Listenaufstellung mit dabei sind. Und dann wird natürlich eher der gewählt, der seit 30 Jahren in der Stadt verankert ist", meint Kehrwieder. 

Mann wird im Büro interviewt
Tim Kehrwieder sitzt für die FDP im halleschen Stadtrat. Er sagt, politische Netzwerke sind für eine erfolgreiche Kandidatur wichtig. Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

Er ist aber auch davon überzeugt, dass es mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte braucht, die in Städten und Gemeinden mitbestimmen. "Kommunalparlamente bilden ja am besten die gesamte Stadtgesellschaft ab. Und Migranten machen ja einen großen Anteil der Stadtgesellschaft aus. Da ist es natürlich wichtig, ihre Perspektive zu berücksichtigen."

Schutz von Kandidaten muss besser werden

Darüber machen sich auch die Mitarbeiter beim Lamsa Gedanken. Konkret überlegen sie sich gerade, welche Lehren sie aus dem Projekt "Wir sind 7 Prozent" für die kommenden Wahlen ziehen können. "Kommunalpolitik ist ein Ehrenamt, das bei ernsthafter Mandatsausübung viele Stunden Einsatz für mitunter kleinteilige Themen beansprucht. Dafür braucht es einen langen Atem und viel Geduld", meint der Bundestagsabgeordnete Diaby.

Und klar sei auch: "Alle politisch Engagierten müssen sich sicher fühlen und bei Anfeindungen oder Bedrohungen wissen, wo sie Hilfe erwarten können." Deswegen begrüße er die Einrichtung und Förderung der Ansprechstelle zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger, die im Aktionsplan gegen Rechtsextremismus der Bundesregierung angekündigt sind. "Entsprechende Einrichtungen wünsche ich mir für alle politischen Ebenen", so Diaby.

Vorraussetzungen um sich in einen Stadt- oder Gemeinderat wählen zu lassen Als das "passive Wahlrecht" bezeichnet man das Recht, bei einer Wahl zu kandidieren. Um bei einer Kommunalwahl anzutreten, sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen: Man muss die deutsche oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen. Außerdem muss der Kandidat oder die Kandidatin das 18. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten seinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde haben.

Stadträtin Dreßler aus Burg ist jedenfalls stolz auf ihren Erfolg, es als einzige Kandidaten der Kampagne "Wir sind 7 Prozent" geschafft zu haben. Gleichzeitig spürt sie auch eine große Verantwortung. "Weil ich es als Einzige geschafft habe, muss ich nun auch den Bedarf an mangelnder Teilhabe sichtbar machen." Eine große Aufgabe für die Kommunalpolitikerin aus Burg.

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MDR (Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 22. September 2024 | 19:00 Uhr

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