Burger Bündnis gegen Rechts "Da sollte eine Ghetto-Klasse entstehen"

30. Oktober 2021, 17:26 Uhr

Eine Grundschule in Burg bildete eine Klasse ausschließlich aus Kindern mit Migrationshintergrund – und sorgte damit deutschlandweit für Empörung. Auch Pfarrer Peter Gümbel vom Burger Bündnis gegen Rechts äußert Unverständnis.

Ein Flyer zur "Interkulturellen Woche" hängt im Schaukasten vor der Kirche, auch auf andere ähnliche Projekte wird hingewiesen. Im Pfarrhaus wenige Meter entfernt sitzt Peter Gümbel. Er ist nicht nur Pfarrer der Evangelischen Gemeinde Burg, sondern auch Vertreter des Burger Bündnisses gegen Rechts.

Und auch er wunderte sich über die Vorgänge zu Beginn des Schuljahres an der Grundschule Burg-Süd: Anfang September war dort ohne Wissen der Eltern eine erste Klasse ausschließlich aus Kindern mit vermeintlich arabischer Muttersprache gebildet worden.

"Ich habe dafür kein Verständnis"

Das Landesnetzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) hatte auf den Fall aufmerksam gemacht und das Vorgehen kritisiert. Daraufhin wurde die Klassenbildung umgehend zurückgenommen.

Gümbel sagte MDR SACHSEN-ANHALT nun: "Ich habe dafür kein Verständnis, dass das als Modell heute noch so gefahren wurde. Das Lernen der Kinder untereinander und dieses Gefühl, dass sie zusammengehören und voneinander lernen, wurde dadurch doch massiv gestört. Also aus meiner Sicht", so Gümbel weiter, "sollte da eine Ghetto-Klasse entstehen."

"Das ist auch Gift für die Eltern"

Der Pfarrer gibt zu bedenken, die genauen Hintergründe bis heute nicht zu kennen. "Ich bin kein Pädagoge und habe das nicht studiert. Ich will nicht allwissend sein und sagen, dass das auf jeden Fall totaler Mist war. Vielleicht haben sie sich etwas Gutes dabei gedacht. Dazu fehlt noch Aufarbeitung, um das beurteilen zu können", sagt Peter Gümbel, erklärt jedoch:

Ich denke, dass das auch für die Eltern Gift ist, wenn sie sehen: Das da ist unsere Klasse und das ist deren Klasse.

Peter Gümbel Burger Bündnis gegen Rechts

Die umstrittene Klassenbildung sorgt auch zwei Monate später noch für Empörung: Thomas Lippmann, bildungspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag, hatte im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT erst am Freitag die fehlende Aufarbeitung des Vorfalls, der bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, kritisiert.

"Sie wissen nichts, sie sehen nichts, sie sagen nichts", sagte Lippmann zu einer bisher unveröffentlichten Antwort des Bildungsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage, die dem MDR vorliegt. "Es gibt dort offenbar weiter keine Einsicht, dass es die Aufgabe der Schulbehörden gewesen wäre, die Bildung einer ersten Klasse nur aus Kindern mit vermuteter arabischer Herkunftssprache als in jeder Hinsicht inakzeptabel zu erkennen und zu verhindern."

Grundschule wird gerade saniert

Seit elf Jahren arbeitet Peter Gümbel nun schon als Pfarrer in Burg und engagiert sich im Bündnis gegen Rechts. "Ja, es gibt hier eine rechte Szene, aber aus meiner Sicht ist das ein ganz normaler Schnitt unserer Gesellschaft des Bundeslandes, der sich auch in Burg widerspiegelt", sagt er. Grundsätzlich sei Burg eine offene, eine bunte Stadt.

Klar sei, "dass sich auch die Gesellschaft hier seit 2015 verändert habe". Gümbel sagt: "Sie ist bunter geworden und das müssen die Menschen natürlich erstmal so annehmen." Gerade in Burg-Süd, einem Neubauviertel am Stadtrand, sei der Anteil an Familien mit Migrationshintergrund vergleichsweise groß.

"In den letzten Jahren gab es durch großen Leerstand eine eher traurige Phase für den Stadtteil, aber jetzt beginnt gerade wieder eine attraktive Phase", sagt Gümbel. Es passiere viel. So solle beispielsweise ein neuer Kindergarten errichtet werden – und auch die Grundschule wird derzeit saniert.

Über den Autor Daniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.

Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt. Bei MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet er seitdem als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.

MDR/Daniel George

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. Oktober 2021 | 15:30 Uhr

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