Antisemitismus Krieg in Israel: Wie Konflikte an Sachsen-Anhalts Schulen vermieden werden sollen
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18. Oktober 2023, 18:43 Uhr
Der Terror gegen Israel beschäftigt auch Schülerinnen und Schüler in Sachsen-Anhalt. Gefordert sind dabei vor allem Lehrkräfte. Um Konflikte zu vermeiden, raten Experten, klare Grenzen zu ziehen – und sich im Zweifel Hilfe zu holen. Das Bildungsministerium verweist auf umfangreiches Material für die Pädagogen. Für die Gewerkschaft GEW sollte der Krieg in Nahost klar Vorrang vor dem regulären Unterricht haben.
- Angesichts des Kriegs in Israel rät die Servicestelle Kinder- und Jugendschutz zu einem sachlichen Umgang an Schulen – und zu klaren Grenzen.
- Das Bildungsministerium verweist auf Materialien und Angebote – äußert sich allerdings nicht zum Umgang in möglichen Konfliktsituationen.
- Die Lehrergewerkschaft GEW fordert, der Krieg in Israel müsse Vorrang vor dem normalen Unterricht haben.
Es waren unschöne Szenen, die in der vergangenen Woche die Runde machten: An einer Schule im Berliner Stadtteil Neukölln gerieten ein Schüler und ein Lehrer im Zuge des Kriegs in Israel heftig aneinander. Ein 14-Jähriger hatte eine Palästina-Flagge auf dem Schulhof geschwenkt, anschließend eskalierte die Situation: Videos zeigen, wie der Lehrer einen Schüler schließlich sogar ohrfeigt und tritt. Nun läuft die Aufarbeitung.
Dass ähnliche Bilder nicht auch in Sachsen-Anhalt entstehen, daran sind Behörden und Fachleute zweifellos interessiert. Klar ist aber auch: Eine Blaupause zum Umgang an Schulen gibt es nicht. Der Terror in Israel hat viele überrascht, und der Konflikt könnte weiter eskalieren.
Umgang mit Thema kann Vorurteile abbauen
Olaf Schütte, Leiter der Servicestelle Kinder- und Jugendschutz in Magdeburg, rät dringend dazu, den Krieg im Unterricht zu behandeln. Schülerinnen und Schüler seien im Alltag schließlich ohnehin damit konfrontiert. Lehrerinnen und Lehrer sowie pädagogische Fachkräfte müssten sich deshalb zum Thema "fit machen", sagt der Sozialpädagoge.
In dem Augenblick, wo es strafrechtlich relevant wird, muss man auch klare Linien ziehen.
Um ins Gespräch zu kommen, hätten Bildungsministerium und Einrichtungen wie seine Servicestelle Material aufbereitet. Es gehe darum, möglichst sachlich über das Thema zu reden und etwa Vorurteile in der Schulklasse abzubauen.
Konflikte in der Klasse nicht schwelen lassen
Allerdings brauche es auch klare Grenzen: "In dem Augenblick, wo es strafrechtlich relevant wird, antisemitisch, muss man auch klare Linien ziehen", sagt Schütte. Hier müssten Pädagoginnen und Pädagogen sagen, dass man auf dieser Basis einfach nicht weiter diskutiere.
Konflikte werde man allerdings nicht gänzlich verhindern können, meint der Leiter. Viele junge Menschen würden sich zu der ein oder anderen Seite bekennen. "Dass es da zu Diskussionen kommt, ist zweifelsfrei klar." Wenn Lehrkräfte oder Schulen dabei an Grenzen stoßen, sei es aber wichtig, sich Hilfe von außen zu holen, etwa durch Schulsozialarbeiter. "Dinge unwidersprochen zu lassen oder Konflikte so weit schwelen zu lassen, dass es zu solchen Situationen wie in Berlin kommt, ist etwas, das man dann schwer wieder einholt."
Bildungsministerium: Krieg soll im Unterricht besprochen werden
Auseinandersetzungen wie in Neukölln seien in Sachsen-Anhalt bislang nicht bekannt, sagt Schütte. Es sei allerdings möglich, dass es in der jetzigen Zeit auch an Schulen zu mehr antisemitischen Vorfällen kommen könnte. Die Beratungsstelle für Hass im Netz, ebenfalls Teil seiner Einrichtung, erlebe derzeit Anfragen, "die sich ganz klar im antisemitischen Bereich abspielen". Weil die Schule ein Spiegel der Gesellschaft ist, könne es da ähnliche Vorurteile und ähnliche Diskussionen geben, sagt der Geschäftsführer.
Doch wie wird der Terror gegen Israel tatsächlich im Schulalltag behandelt? Sachsen-Anhalts Bildungsministerium erklärt auf Nachfrage, selbstverständlich seien Lehrkräfte angehalten, Krieg und insbesondere den Nahost-Konflikt im Unterricht zu thematisieren. Sprecherin Josefine Hannig sagte MDR SACHSEN-ANHALT, dies solle angesichts der Schülerinnen und Schüler mit muslimischem Hintergrund "mit aller gebotenen Sensibilität" erfolgen.
Ministerium verweist auf Materialien und Angebote
Das Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung stelle dafür Anregungen und Materialien bereit. Die Sammlung sei bereits beim Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zum Tragen gekommen. Auch schulpsychologische Unterstützung durch das Landesschulamt sei möglich.
Auf die Frage, wie Schulen und Lehrkräfte in der jetzigen Situation mit möglichen pro-palästinensischen und antisemitischen Äußerungen umgehen sollten, ging das Bildungsministerium nicht direkt ein. Ministeriumssprecherin Hannig betonte aber, dass Antisemitismusprävention und die Darstellung jüdischen Lebens eine hohe Bedeutung zugemessen würden.
Lehrpläne zur Prävention von Antisemitismus überarbeitet
Seit 2019 seien hierzu unter anderem Lehrpläne überarbeitet worden, es gebe zahlreiche Fort- und Weiterbildungen für Lehrkräfte, zudem würden Fachtage zum jüdischen Leben in Sachsen-Anhalt wie Ende November in Halle organisiert. Lehrkräfte bekämen bei rechten und antisemitischen Inhalten in Klassenchats zudem Unterstützung über eine Handreichung auf dem Bildungsserver des Landes, erklärte das Ministerium.
Auch die Lehrergewerkschaft GEW betont, dass Pädagoginnen und Pädagogen über den Terror in Israel sprechen müssten. GEW-Landeschefin Eva Gerth sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es sei wichtig, den Konflikt im Unterricht zu thematisieren. "Wir sollten das auf jeden Fall nicht totschweigen." Es habe in diesem Zusammenhang auch eine Aufforderung des Bildungsministeriums gegeben. Demnach solle das Thema unter anderem in Klassenleiter-Stunden angesprochen werden.
GEW: Krieg in Israel hat im Unterricht Vorrang
Gerth sagte, in derlei Situationen gehe es vor, zunächst aktuelle Konflikte wie den Terror gegen Israel zu behandeln. "Da kann man nicht einfach normalen Unterricht machen." Eine ausgiebige Vorbereitung sei für die Pädagoginnen und Pädagogen natürlich nicht möglich. Vielmehr sei gesunder Menschenverstand gefragt.
Größere Probleme aufgrund von Antisemitismus an Schulen im Land seien ihr nicht bekannt, erklärte Gerth. Es sei aber durchaus denkbar, dass etwaige Konflikte entstehen. Sie verwies darauf, dass es an einigen Schulen etwa zahlreiche arabischstämmige Kinder von geflüchteten Familien gebe. Um mit möglichen Konflikten umzugehen, bräuchten die Lehrerinnen und Lehrer dringend professionelle Unterstützung, etwa durch Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter, betonte Gerth.
MDR (Felix Fahnert)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 18. Oktober 2023 | 08:00 Uhr
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