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Die Verlängerung der Corona-Notlage sorgt bei unserem Kommentator für Kopfschütteln. (Symbolbild) Bildrechte: MDR/Uli Wittstock/Matthias Piekacz, MDR/Engin Haupt
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Kommentar Notlage ja – aber nicht Corona ist das Problem!

20. Dezember 2024, 08:54 Uhr

Sachsen-Anhalts Landtag hat mit den Stimmen der Regierungskoalition die sogenannte Corona-Notlage verlängert. Mit diesem Kniff soll die Schuldenbremse umgangen und weitere 800 Millionen Euro für den Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. MDR-Politik-Reporter Uli Wittstock hält von dieser kreativen Buchführung nicht allzuviel. Ein Kommentar.

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Sachsen-Anhalts Landtag hat am Dienstag eine Corona-Notlage festgestellt. Damit ist es nun dem Finanzminister möglich, mehr Geld auszugeben, als derzeit im Haushalt des Landes zur Verfügung steht. Über 800 Millionen Euro gibt es darüber noch einmal zusätzlich. Abgezahlt wird das aber erst in späteren Jahren.

Rechnet man alle Schulden der öffentlichen Hand zusammen, dann hat jeder Sachsen-Anhalter rund 12.000 Euro Schulden. Damit liegt Sachsen-Anhalt im oberen Drittel der Bundesländer, ist zudem Spitzenreiter in Ostdeutschland, wenn man Berlin als Sonderfall ausblendet. In Sachsen haben die Einwohner nur rund 2.300 Euro auf der Schuldenuhr. Aber luxuriöser sind die Verhältnisse in Sachsen-Anhalt deshalb nicht.

Verwalten oder gestalten

Der größte Teil des Landeshaushaltes ist fest verplant für sogenannte Pflichtaufgaben. Dazu gehören zum Beispiel die Gehälter für Landesbedienstete, also Beschäftigte in den Ministerien, aber auch Lehrer und Polizisten, für die inzwischen rund ein Drittel des Landeshaushaltes aufgebracht werden muss.

Für die Umsetzung von eigenen politischen Ideen oder die Einlösung von Wahlversprechen gibt es hingegen immer weniger finanziellen Spielraum. Da scheint es verständlich zu sein, wenn Sachsen-Anhalts Landesregierung nach kreativen Wegen sucht, um zusätzliches Geld zu mobilisieren.

Pandemie als Vorwand

Mit leerer Hand regiert sich's schlecht, das zeigte ja eindrucksvoll das Scheitern der Berliner Ampel. Allerdings schützt zusätzlicher Geldsegen auch nicht vor Fehlentscheidungen. Wenn nun zum Beispiel mit dem Corona-Geld die Polizei einen neuen Schießstand erhält, so soll da nicht etwa auf Viren geschossen werden, sondern die Polizei könne so unter Pandemie-Bedingungen weiter trainieren, so die Erklärung.

Und auch der Ausbau des Glasfasernetzes falle unter den Pandemieschutz, damit es bei der nächsten Pandemie besser mit dem Homeoffice klappt. Es wundert also nicht, dass die Oppositionsparteien AfD, Linke und Grüne die Projekte scharf kritisierten. Von einer Umgehung der Schuldenbremse war da mehrfach die Rede. Und diese Schuldenbremse ist wohl das eigentliche Problem.

Gute Schulden, schlechte Schulden

Wer ein Haus baut, macht zumeist Schulden und wird dabei vom Staat unterstützt, denn diese Art von Vermögensaufbau gilt als ein wichtiger Schutz vor Armut. Für den Staat gilt das gleiche Prinzip: Gute Schulden fließen in Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Infrastruktur oder Energieversorgung. Schlechte Schulden sind jene, die jetzt in den Konsum fließen, aber von nachfolgenden Generationen bezahlt werden müssen.

Deshalb sollten weder die Rente noch der Nahverkehr oder die Sozialpolitik über Schulden finanziert werden. Aber ebenso kritisch sind alle Versuche zu sehen, Ausgaben, die ohnehin zum Aufgabenbereich einer Landesregierung gehören, mit viel Katastrophen-Lyrik in Schattenhaushalte auszulagern. Es ist kein Zufall, dass Sachsen-Anhalts Landesrechnungshof bereits vor über einem Jahr, bei einem Teil der Vorhaben den fehlenden Bezug zum Pandemieschutz kritisierte.

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Die fetten Jahre sind vorbei

Wenn die Wirtschaft schwächelt, dann fließen weniger Steuereinnahmen. Gleichzeitig werden wohl die Kosten für Sicherheit und Rüstung deutlich steigen. Es dürfte also in den nächsten Jahren in vielen Bereichen weniger Geld zur Verfügung stehen, was auch mit Blick auf den Sanierungs-Stau im öffentlichen Sektor zu einem Problem wird. Schon länger fordert CDU-Ministerpräsident Haseloff eine Lockerung der Schuldenbremse, was allerdings derzeit die CDU ablehnt, auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen. Aber zugleich sollte sich Sachsen-Anhalt verabschieden von der Politik des lockeren Geldes, sonst könnte es passieren, das aus herbeigeredeten Notlagen echte Krisen werden.

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MDR (Uli Wittstock, Oliver Leiste) | Erstmals veröffentlicht am 19.12.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 18. Dezember 2024 | 08:20 Uhr

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