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"Bedrückt mich sehr" Antisemitismusbeauftragter: Besorgt um Sicherheit von Jüdinnen und Juden

04. November 2023, 18:05 Uhr

Sachsen-Anhalts Anitsemitismusbeauftrager Wolfgang Schneiß hat sich angesichts des Kriegs im Nahen Osten besorgt um das Wohl der Jüdinnen und Juden im Land gezeigt. Die Zahl der antisemitischen Vorfälle nimmt demnach immer stärker zu. Schneiß appelliert an die Zivigesellschaft und fordert ein konsequenteres Agieren der Sicherheitsbehörden.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Felix Fahnert
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Die Sicherheit der Jüdinnen und Juden in Sachsen-Anhalt treibt Wolfgang Schneiß in diesen Tagen besonders um. "Das ist eine sehr kritische Situation, und das bedrückt mich auch sehr", sagt der Antisemitismusbeauftragte des Landes im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Seit der Eskalation in Nahost sei die jüdische Gemeinschaft in großer Sorge, die Polizei in erhöhter Alarmbereitschaft, und die Zahl antisemitischer Vorfälle gehe durch die Decke. Natürlich macht sich Schneiß da Gedanken, wie sicher Jüdinnen und Juden hier leben können. "Jetzt zu sagen, die sind geschützt, fällt mir schwer."

Dr. Wolfgang Schneiß, Antisemitismusbeauftragter des Landes Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalts Antisemitismusbeauftrager Dr. Wolfgang Schneiß sitzt in der Staatskanzlei von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) Bildrechte: MDR/Felix Fahnert

Bemühungen der vergangenen Jahre "komplett zurückgedreht"

In der Wahrnehmung der jüdischen Community würden die Bemühungen der vergangenen Jahre, jüdisches Leben in die Mitte der Gesellschaft zu holen und zugänglicher zu machen, nun "komplett zurückgedreht". Man setze eher auf Vorsicht und Abstand, sage im Zweifel Dinge ab. Das mache ihn "sehr besorgt", sagt Schneiß.

Er verweist darauf, dass Israel im Zweifel das Land gewesen sei, auf das man sich als "Lebensversicherung" verlassen habe. Für die jüdische Gemeinschaft sei der Terrorangriff der Hamas daher "eine ganz große Zäsur" gewesen. Jüdinnen und Juden fragten sich: "Und auf wen soll ich mich jetzt verlassen?"

Eskalation in Nahost: Viele anti-israelische Äußerungen

Die Zahl der antisemtitischen Vorfälle in Sachsen-Anhalt nehme bereits seit Jahren zu – beispielsweise in Form von Schmierereien, volksverhetzenden Aussagen oder Drohbriefen. Zudem besteht Schneiß zufolge ein Alltags-Antisemitismus, der aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Jüdinnen und Juden würden ihn immer wieder erfahren – im alltäglichen Umfeld, auf dem Schulhof, in Chatgruppen.

Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel vor vier Wochen erlebe man aber nochmal "ein völlig neues Phänomen". Antisemitische Vorfälle gingen bundesweit durch die Decke – sowohl Straftaten als auch Fälle ohne Straftatbestand, die von der Meldestelle RIAS erfasst werden. Meist gehe es dabei gegen das Land Israel, etwa bei Kundgebungen.

RIAS: Antisemitische Vorfälle haben zugenommen Auch in Sachsen-Anhalt gibt es immer mehr Fälle von Antisemitismus. Das teilte die Meldestelle RIAS, die antisemitische Vorfälle mit und ohne Straftatbestand registriert, MDR SACHSEN-ANHALT mit. Demnach wurden allein seit dem 7. Oktober 17 antisemitische Vorfälle mit Bezug zum den Terrorangriff der Hamas auf Israel dokumentiert (Stand 1. November). Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum zwei antisemitische Vorfälle. Die derzeit gemeldeten Fälle spielen sich RIAS zufolge häufig online ab. Dabei geht es etwa darum, dass Israel das Existenzrecht abgesprochen wird oder um die Verharmlosung der Schoa. Auch eine Täter-Opfer-Umkehr komme vor. Bei den übrigen Vorfällen handelte es sich RIAS zufolge um antisemitische Äußerungen bei Kundgebungen, um Beleidigungen und um eine Bedrohung.

Schärferes Vorgehen der Behörden gefordert

Um gegenzusteuern, fordert Antisemitismusbeauftragter Schneiß unter anderem ein schärferes Vorgehen der Sicherheitsbehörden. Sie müssten Grenzen setzen und eine entsprechende Sprache finden. Grundsätzlich gehe es darum, mehr Fälle zu melden, zu verfolgen und durch die Justiz zu ahnden. "Im Grunde genommen müssen wir hier einen Mechanismus in Gang setzen – und das lebt davon, dass die, die davon betroffen sind, dem Rechtsstaat vertrauen", sagt Schneiß.

Antisemitismus ist aus meiner Sicht zu sehr ein Thema weniger Engagierter.

Dr. Wolfgang Schneiß Antisemitismusbeauftragter des Landes

Es gehe aber auch um mehr Zivilcourage in der Gesellschaft bei antisemitischen Vorfällen. Es brauche Menschen im Alltag, die mutig sind, widersprechen und dazwischen gehen. "Da müssen wir uns auch gegenseitig stärken", sagt Schneiß. Ein Grundsatz-Problem ist dabei seiner Ansicht nach, dass das Thema nicht in der Breite der Gesellschaft präsent sei. "Antisemitismus ist aus meiner Sicht zu sehr ein Thema weniger Engagierter."

Neue Formate und Kampagnen geplant

So würden vor allem Bildungsbürger oder kirchlich Geprägte an Gedenkveranstaltungen teilnehmen oder etwa Stolpersteine verlegen. "Die Herausforderung ist eigentlich die, stärker in die Breite der Bevölkerung hineinzukommen." Dies solle unter anderem in Zukunft durch direktes Zugehen auf bestimmte Gruppen sowie durch neue Formate und Kampagnen gelingen.

Pessimistisch in die Zukunft blicken will Schneiß ohnehin nicht. Auf die Frage, ob sich die Situation wieder verbessern kann, sagt der Antisemitismusbeauftragte entschieden: "Ich hoffe sehr darauf – und ich werde mich weiter dafür einsetzen."

Regionalforum Antisemitimus am Dienstag in Halle Am kommenden Dienstag findet in Halle ein Regionalforum gegen Antisemitismus statt. Geplant sind bei der ganztägigen Veranstaltung im Literaturhaus Halle unter anderem Vorträge und Diskussionen. Veranstalterin ist die Deutsche Gesellschaft e.V., Partner ist der Zentralrat der Juden in Deutschland.

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MDR (Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. November 2023 | 08:00 Uhr

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