Umstrittene Versammlung AfD-Kundgebung in Magdeburg: Demo auf Steuerzahlerkosten?
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02. September 2022, 12:18 Uhr
Anfang September will die AfD-Landtagsfraktion eine Kundgebung in Magdeburg zur Energiekrise abhalten. Offiziell, um über ihre parlamentarische Arbeit zu informieren. Nun mehren sich die Hinweise, dass es sich tatsächlich um eine Demonstration handeln könnte, finanziert aus Fraktionsmitteln. Das wäre nicht zulässig, meinen Experten und andere Abgeordnete. Die Fraktion bestreitet das.
Seit nunmehr vier Jahren betreibt die AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag regelmäßig Kundgebungen auf dem Domplatz vor dem Parlament. Einige Hundert Menschen kamen bislang. Die Themen waren entweder die Migrations- oder die Coronapolitik. Anfang kommender Woche will man sich nun angesichts der Folgen der Energiekrise unter dem Titel "Preisexplosion stoppen" versammeln. Fragen wirft dabei erneut die Organisation der Veranstaltung auf.
Fraktionen ist nur Öffentlichkeitsarbeit gestattet
Denn die Mittel für die Kundgebungen stellt die Fraktion. Finanziert wird das aus den Geldern, die jede Fraktion vom Landtag erhält – und somit aus der Steuerkasse. Das wiederum erlegt der AfD strenge Regeln auf: Fraktionsmittel, egal ob Gelder oder Sachleistungen, dürfen nicht für Parteiaufgaben verwendet werden. Das haben Gutachter des Landtags erst Anfang diesen Jahres bekräftigt.
Demnach obliege die politische "Willensbildung des Volkes" allein den Parteien, heißt es in einem Gutachten. Wenn eine Fraktion eine Versammlung organisiere, ausstatte oder bewerbe, greife sie aber genau da ein. Anders verhält es sich, wenn eine Fraktion Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache betreibe.
Genau darauf beruft sich die AfD. Sie bezeichnet die geplante Versammlung wahlweise als "parlamentarische" oder "öffentliche Informationsveranstaltung", auf der über parlamentarische Initiativen der Fraktion informiert werden solle. Äußerungen aus der Partei, von Mitgliedern der Fraktion und ihren Mitarbeitern zeichnen allerdings ein anderes Bild. Demnach handelt es sich eher um eine Demonstration.
Fraktionsmitarbeiter wirbt offen für "Demonstration"
So wurde die Veranstaltung beim Landesparteitag der AfD am Ende August mehrfach in einen Zusammenhang mit geplanten Protesten der Partei gesetzt. Auch der anwesende AfD-Bundeschef Tino Chrupalla sagte in seinem Grußwort: "Wir gehen auf die Straße und das beginnt hier in Sachsen-Anhalt am 5. September."
Auf Facebook nennt der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, Hans-Thomas Tillschneider, die Veranstaltung einen "Protesthammer". Die beiden Fraktionsvorsitzenden Oliver Kirchner und Ulrich Siegmund erklärten zudem, Sahra Wagenknecht als Rednerin eingeladen zu haben. Die in ihrer eigenen Partei umstrittene Linken-Politikerin ist aber weder Mitglied der AfD-Fraktion noch des Landtags. Wagenknecht hatte sich in der Vergangenheit einer Vereinnahmung durch die AfD verwehrt.
Mit dem Magdeburger Stadtrat Ronny Kumpf verbreitet zudem ein Mitarbeiter der Fraktion seit Tagen einen Aufruf für die Versammlung, in dem diese explizit als "Demonstration" bezeichnet wird. Titel, Ort und Zeit sind identisch mit der Versammlung der Fraktion, nur deren Logo und der Name AfD fehlen. Der derart anonymisierte Aufruf wurde allein auf Facebook hundertfach geteilt. Kumpf trat nach MDR-Informationen in der Vergangenheit als Versammlungsleiter der Fraktionskundgebungen auf und soll diese Funktion auch dieses Mal wieder übernehmen.
Dennoch sagte Co-Fraktionschef Siegmund auf Nachfrage: "Auf die Sichtweise Dritter" habe man "keinen Einfluss". Das gelte auch für Mitarbeiter wie Kumpf. Siegmund blieb bei der Fraktionslinie: "Es handelt sich um eine Kundgebung, bei der wir über unsere parlamentarischen Initiativen informieren werden." Die Richtlinien des Landesrechnungshofs seien selbstverständlich bekannt.
Prüfung der Vorwürfe könnte sich hinziehen
Der Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel hält das für wenig glaubwürdig. Er hatte das Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes angefragt. Am Mittwoch sagte er: "Die parteiweite Mobilisierung zur Demonstration zeigt eindrücklich, dass es sich hier um organisierte Willensbildung, nicht um Information über parlamentarische Initiativen handelt." Nach seiner Auffassung handelt die AfD-Fraktion grob rechtswidrig. "Das muss Konsequenzen haben", so Striegel.
Das dürfte allerdings dauern. Zuständig für die Prüfung von Fraktionsaufgaben ist der Landesrechnungshof. Der hatte in der Vergangenheit mehrfach erklärt, keine Sonderprüfung einleiten zu wollen. Die turnusmäßige Prüfung der Ausgaben zwischen 2017 und 2022 stehe wiederum erst in einigen Jahren an.
Der Landtag selbst kann diese Sonderprüfung nicht anweisen. Denkbar wäre aber auch eine strafrechtliche Prüfung des Sachverhalts, heißt es aus Landtagskreisen. Immerhin könne die fragliche Verwendung der Fraktionsmittel auch als illegale Parteienfinanzierung ausgelegt werden.
Vorwurf der illegalen Parteienfinanzierung
Genau diesen Verdacht sieht SPD-Fraktionschefin Katja Pähle gegeben. Über eine Sonderprüfung des Landesrechnungshofs oder staatsanwaltliche Ermittlungen zu den AfD-Fraktionsausgaben hätten die jeweiligen Stellen aber "allein zu entscheiden", so Pähle am Donnerstag.
Gänzlich unproblematisch wäre es, wenn die Versammlung durch den Landes- und Stadtverband der AfD angemeldet worden wäre. Dann müssten diese allerdings die Kosten für die Durchführung tragen. Das Geld dafür wäre mutmaßlich da: Auf dem Landesparteitag am Sonntag beschloss man, jeden Kreisverband mit 500 Euro zu unterstützen, wenn der eine Demonstration gegen die derzeitige Energie- und Russlandpolitik durchführt.
MDR (Thomas Vorreyer) | Erstmals veröffentlicht am 31.08.22
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 05. September 2022 | 19:00 Uhr
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