Offenbar mit CDU-Stimmen AfD-Kandidaten zu Vize-Vorsitzenden von Kreistag und Stadtrat gewählt
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04. Juli 2024, 19:05 Uhr
Im Kreistag des Salzlandkreises und im Stadtrat von Quedlinburg sind AfD-Kandidaten zu stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden – offenbar auch mit Stimmen der CDU. In Quedlinburg nimmt den Platz der umstrittene parteilose Pfarrer Martin Michaelis ein, der für die AfD antrat. Die Evangelische Kirche hatte im April ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Heftige Kritik kommt aus der SPD und der Linken.
- Im Salzlandkreis ist die AfD-Kommunalpolitikerin Claudia Weiss zur Vize-Vorsitzenden des Kreistags gewählt worden.
- AfD-Fraktionschef Büttner erklärt, es habe "Verständigungen und Absprachen" mit der CDU gegeben.
- In Quedlinburg wurde der Pfarrer Michaelis zum stellvertretenden Vorsitzenden des Stadtrates gewählt. Daran gibt es heftige Kritik.
In zwei Kommunalparlamenten in Sachsen-Anhalt sind AfD-Kandidaten in den ersten Sitzungen nach der Kommunalwahl zu stellvertretenden Vorsitzenden der Gremien gewählt worden. In den jeweils geheimen Wahlen hat es dabei offenbar auch Stimmen aus den Reihen der CDU gegeben.
Unter anderem wurde am Mittwoch in Bernburg AfD-Frau Claudia Weiss zur neuen Vize-Vorsitzenden des Kreistags im Salzlandkreis gewählt. Sie erhielt bei der Abstimmung eine breite Mehrheit. Als Kreistagsvorsitzender wurde Thomas Gruschka (CDU) wiedergewählt. Die AfD hatte bei der Kommunalwahl Anfang Juni mit gut 30 Prozent auch im Salzlandkreis die meisten Stimmen erhalten.
AfD im Salzlandkreis: Brandmauer "schon lange Geschichte"
Matthias Büttner, stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag, sagte: "Natürlich gab es im Vorfeld Verständigungen und Absprachen, die man getroffen hat." Man sei mit dem Kreistagsvorsitzenden der letzten Legislaturperiode einverstanden gewesen, erklärte Büttner zur Wahl von CDU-Mann Gruschka. "Im Gegenzug hat man unsere Stellvertreterin unterstützt."
Daran sehe man, "dass die Brandmauer, die sich in Berlin und auf Landesebene vorgestellt wird, schon lange Geschichte ist", so Büttner.
Unterdessen ist auch im Landkreis Stendal eine AfD-Politikerin zur neuen Vize-Chefin des Kreistags gewählt worden. Bei der Sitzung am Donnerstagabend erhielt Sandra Matzat 27 Stimmen – elf mehr als ihr Kontrahent von der Fraktion aus Grünen und Linken. Die AfD-Politikerin Matzat hatte zuvor vergeblich für den Vorsitz des Kreistags kandidiert, dort aber gegen die CDU-Abgeordnete Annegret Schwarz verloren. Matzat war anschließend als erste Stellvertreterin von Schwarz vorgeschlagen worden.
Quedlinburg: Umstrittener Pfarrer Michaelis gewählt
In Quedlinburg wurde unterdessen der umstrittene evangelische Pfarrer Martin Michaelis zum stellvertretenden Vorsitzenden des Stadtrates gewählt. Michaelis war zur Kommunalwahl am 9. Juni als parteiloser Kandidat auf der Liste der AfD angetreten. Daher hatte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland im April ein Disziplinarverfahren gegen den Pfarrer eingeleitet und ihm die öffentliche Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung, beispielsweise Tauf- oder Abendmahlsfeiern, für die Dauer des Verfahrens untersagt.
Die Brandmauer gegen Rechts muss mit aller Kraft aufrechterhalten werden.
Kritik kam von der SPD-Landeschefin in Sachsen-Anhalt, Juliane Kleemann, die selbst Pfarrerin der EKM ist. Die AfD sei als rechtsextrem eingestuft: "Die Brandmauer gegen Rechts muss mit aller Kraft aufrechterhalten werden", sagte Kleemann. Die CDU in Quedlinburg habe einem Vertreter der AfD den Weg ins Stadtratspräsidium geebnet.
CDU-Fraktionsvorsitzender Thomas: "Kann nichts Verwerfliches finden"
Der Landtagsabgeordnete und CDU-Fraktionsvorsitzende in Quedlinburg, Ulrich Thomas, wies die Anschuldigungen zurück. Es habe sich um eine geheime Wahl gehandelt, sagte Thomas dem Evangelischen Pressedienst. Absprachen mit der AfD seien ihm nicht bekannt. Als zweitstärkste Fraktion stehe der Partei nach parlamentarischem Brauch ein Sitz im Stadtratspräsidium zu. "Ich kann daran nichts Verwerfliches finden", sagte Thomas.
Die CDU hatte bei der Wahl zum Stadtrat in Quedlinburg am 9. Juni die meisten Stimmen erhalten. Der Generalsekretär der Landes-CDU in Sachsen-Anhalt, Mario Karschunke, verwies bei MDR SACHSEN-ANHALT am Donnerstagabend auf die verschobenen Mehrheitsverhältnisse in den Kommunen. Karschunke sagte, für die CDU sei wichtig, in Sachthemen gesprächsbereit zu bleiben. An den Grundsatzbeschlüssen "zum Ausschluss strategischer und institutioneller Zusammenarbeit" habe sich aber nichts verändert. Die Brandmauern stünden fest.
Erste Sitzungen der Kreistage Nach der Kommunalwahl am 9. Juni treffen sich die neu gewählten Kreistage und Stadträte in Sachsen-Anhalt in diesen Tagen zu ihren ersten Sitzungen. So kommen an diesem Donnerstag (4. Juli) noch die Kreistage von Wittenberg, Anhalt-Bitterfeld und Stendal zusammen, in der kommenden Woche finden Sitzungen in Salzwedel (8. Juli), Mansfeld-Südharz (8. Juli), im Burgenlandkreis (8. Juli) und in der Börde (9. Juli) statt. Der neue Kreistag des Saalekreises trifft sich am 10. Juli, der des Jerichower Lands am 29. Juli, und der des Landkreises Harz am 31. Juli erstmals.
Linke in Sachsen-Anhalt: Annäherung muss "sofort beendet werden"
Kritik kam auch aus Sachsen-Anhalts Linkspartei. Die Fraktionschefin im Landtag, Eva von Angern, erklärte, wer Kandidaten der AfD unterstütze, mache sich mitschuldig. "Die Annäherung zwischen CDU und AfD muss auf Landesebene sowie kommunaler Ebene sofort beendet werden." Wer wie Ministerpräsident Haseloff von einer angeblich aufgebauten Brandmauer der CDU gegen rechts spreche, "verklärt die Realität", so von Angern.
MDR (Tom Gräbe, Felix Fahnert, Maximilian Fürstenberg), epd
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 04. Juli 2024 | 07:30 Uhr
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