Stethoskope hängen 2021 im Behandlungszimmer einer Hausarztpraxis über einer Trennwand.
In Sachsen-Anhalt gibt es zu wenig Haus- und Fachärzte – und die Lage droht sich weiter zu verschärfen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Drohende Unterversorgung Deutlich zu wenige Ärzte – Land will mehr Medizin-Studienplätze

05. Juli 2023, 16:54 Uhr

Viele Regionen in Sachsen-Anhalt müssen künftig wohl mit deutlich weniger Haus- und Fachärzten auskommen als eigentlich vorgegeben. Kritik an der Landesregierung kommt von der Linken-Abgeordneten Nicole Anger. Sie fordert mehr Maßnahmen und Anreize, damit sich Medizinerinnen und Mediziner auch auf dem Land niederlassen. Die Regierung verweist unter anderem auf das Landärzteprogramm und zusätzliche geplante Medizin-Studienplätze.

In Sachsen-Anhalt droht in den kommenden Jahren eine drastische Versorgungslücke bei Haus- und Fachärzten. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Nicole Anger hervor. Demnach fehlen künftig Hausärzte in Aschersleben, Bitterfeld-Wolfen, Burg, Dessau-Roßlau, Eisleben, Gardelegen, Havelberg, Jessen, Naumburg, Osterburg, Salzwedel, Sangerhausen, Staßfurt, Wernigerode und Wittenberg. Bereits jetzt gibt es den Angaben zufolge deutlich zu wenige Hausärzte in Salzwedel (Versorgungsgrad 66,9 Prozent), Sangerhausen (73,3) und Staßfurt (74,7).

Die Daten stammen von der Kassenärztlichen Vereinigung sowie dem zuständigen Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Eine Unterversorgung besteht, wenn weniger als 75 Prozent der in der Planung vorgesehenen Arztstellen vor Ort besetzt sind.

Es fehlt an Augen-, Nerven-, Haut- und Zahnärzten

Auch bei den Fachärzten ist die Prognose düster: So droht ein gravierender Mangel an Augenärzten in Salzwedel, im Harz und in Stendal. Nervenärzte fehlen den Angaben zufolge künftig in den Regionen Salzwedel, Börde, Jerichower Land und Mansfeld-Südharz. Bei den Hautärzten steht ein akuter Mangel in Anhalt-Bitterfeld, Börde, Mansfeld-Südharz, Stendal und Wittenberg an. In Salzwedel wird bereits jetzt eine Unterversorgung bei Hautärzten konstatiert.

Ähnlich ist die Lage bei den Zahnärzten und Kieferorthopäden. In Anhalt-Bitterfeld, der Börde, dem Jerichower Land und dem Saalekreis droht hier eine Unterversorgung. Nach Angaben der Kassenzahnärztlichen Vereinigung gehen bis zum Jahr 2030 in Sachsen-Anhalt 800 Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte in Rente. Für einen 100-prozentigen Versorgungsgrad fehlen demnach landesweit 472 solcher Medizinerinnen und Mediziner. Von einer Unterversorgung wird in dieser Gruppe dabei erst ausgegangen, wenn weniger als die Hälfte der geplanten Stellen besetzt sind.

Linken-Politikerin Anger: Zahlen sind alarmierend

Nicole Anger
Nicole Anger, Landtagsabgeordnete der Linken Bildrechte: Anke Hirsch

Linken-Politikerin Nicole Anger erklärte, die Zahlen zu den bevorstehenden Versorgungslücken seien alarmierend. Betroffen seien vor allem die Menschen, die in den ländlichen Regionen leben. Angesichts der drohenden Unterversorgung müssten umgehend Maßnahmen eingeleitet werden. So brauche es beispielsweise mehr Studienplätze für Medizinerinnen und Mediziner in Sachsen-Anhalt.

Zudem müssten Anreize zur Niederlassung im Land gesetzt werden. "Das beginnt bei barrierefreien Praxisräumen und geht über eine gute ÖPNV-Anbindung bis hin zur Kita, Grundschule und weiterführenden Schulen in einem erreichbaren Umfeld", sagte Anger. Sie mahnte, durch eine Unterversorgung würde "schlussendlich die Lebenszufriedenheit und Lebensqualität der Menschen noch weiter eingeschränkt".

Landesregierung will 20 neue Medizin-Studienplätze

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage verweist die Landesregierung unter anderem auf das Landarztprogramm, durch das der Mangel an Medizinerinnen und Medizinern in Sachsen-Anhalt bekämpft werden soll. Dabei werden Studienplätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach der Ausbildung mindestens zehn Jahre in einer unterversorgten oder drohend unterversorgten Region zu arbeiten. Insgesamt 85 Studienplätze sind nach Angaben der Regierung seit der Einführung des Programms im Jahr 2020 vergeben worden.

Außerdem kündigte die Landesregierung an, dass man mehr Studienplätze schaffen wolle. So seien in der Humanmedizin zusätzliche 20 Plätze geplant. Sofern die finanziellen Voraussetzungen geklärt seien, soll es die neuen Kapazitäten ab dem Wintersemester 2024/25 geben.

Zahnärzte und Kieferorthopäden: Land beklagt fehlende Datenlage

Grundsätzlich verwies die Regierung aber darauf, dass bei einer Unterversorgung laut Rechtslage die Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Vereinigung zuständig seien. Sie müssten Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu verbessern.

Zur Lage bei den Zahnärzten und Kieferorthopäden teilte die Landesregierung außerdem mit, man könne rechtlich erst dann eingreifen, wenn alle bisherigen Maßnahmen nachweislich nicht ausreichend gewesen seien. Allerdings lägen der Regierung keine genauen Statistiken zu den bevorstehenden Renteneintritten und zur prognostizierten Versorgungslage vor. Daher könne man die Daten auch nicht prüfen – und nicht unterstützend einschreiten.

MDR (Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 30. Juni 2023 | 16:00 Uhr

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