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Audio: Die lange und ereignisreiche Geschichte von Schochwitz soll auch weiter für künftige Generationen in der Ortschronik festgehalten werden. Bildrechte: MDR/Stefan Bringezu
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Heute stellen wir "Schochwitz " aus dem Salzatal im Saalekreis vor. Hier leben 1202 Einwohner. Und die lieben ihr Dörfchen.

MDR SACHSEN-ANHALT Fr 18.10.2024 04:00Uhr 01:27 min

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Ortschronik im Saalekreis Der Schatz von Schochwitz: Hat er eine Zukunft?

26. Oktober 2024, 10:06 Uhr

Viele Hundert Stunden Arbeit hat eine pensionierte Lehrerin in die Dorfchronik von Schochwitz investiert. Seit dem Tod der Dame liegt das Projekt auf Eis. Nun wird versucht, den wertvollen Schatz in die Zukunft zu retten.

MDR SACHSEN-ANHALT-Autor Hannes Leonard steht im Profil vor einer Wand
Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

"Hier drin ist unser Schatz", sagt Peter Möbus und öffnet eine Bürotür. Den Raum im Haus der Freiwilligen Feuerwehr teilt sich der 38-jährige Ortsbürgermeister von Schochwitz im Saalekreis mit dem Wehrleiter. Dort führt er Gespräche mit den Einwohnern der vier Ortsteile. "Viele kommen auch nach Hause. Den einen kennt man besser, den anderen nicht. Dann schlage ich das Büro hier oder das Bürgerhaus als Treffpunkt vor", erzählt Möbus im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. 

MDR SACHSEN-ANHALT war im Zuge der Aktion "Ein Dorf macht Radio" zu Besuch in Schochwitz. Eine Übersicht über alle Bewerber-Dörfer finden Sie hier:

Ein Schatz im Schrank des Ortsbürgermeisters: die Chronik von Schochwitz

Neben seinem Vollzeitjob bei einem Autobauer in Leipzig investiert Möbus wöchentlich noch zehn bis zwölf Stunden in die Kommunalpolitik. Gerade hat er sich um den Ausbau des Naturlehrpfades gekümmert. Zwei neue Tafeln informieren Spaziergänger jetzt über das Winterquartier der Igel und über die Wildkaninchen, die von besten Bedingungen im unteren Saaletal profitieren. "Wir wollen Besuchern mehr bieten, als einfach nur durch die Natur zu spazieren", erklärt Möbus seine Initiative.

Zu seinen Wahlversprechen gehört auch die Fortführung der Dorfchronik, die Möbus in seinem Büro im Feuerwehrhaus aufbewahrt. "Hier haben wir die Originale", sagt der Ortsbürgermeister und öffnet eine Schranktür. Dahinter sind acht Bände der "Gemeindechronik", wie auf einem Buchrücken zu lesen ist. Sie sind in rotbraunem Kunstleder eingeschlagen, acht goldene Streifen auf der Rückseite zeigen, dass es sich bei den Büchern um etwas Besonderes handelt.

Es gibt keinen Ort im Salzatal, der eine so ausführliche Chronik hat.

Peter Möbus Ortsbürgermeister von Schochwitz

Fast 900 Jahre Geschichte – und viele Hundert Stunden ehrenamtliche Arbeit

"Nach der Wende hat die damals pensionierte Dorflehrerin Rodelinde Kämpfer damit begonnen, die Geschichten zusammenzutragen", erzählt Möbus. Los geht es in Band eins im Jahr 1133, der auf mehreren Hundert Seiten bis 1900 reicht. In den zweiten Band der Dorfchronik passen dann nur noch 45 Jahre. Mit kunstvollen Verzierungen, Zeichnungen und Fotos sind die einzelnen Seiten aufwändig gestaltet.

Ortschronik Schochwitz
Ortsbürgermeister Möbus will die umfangreiche Dorfchronik fortführen lassen. Gespräche dazu laufen, sagt er. Bildrechte: privat

Auf das Wetter wird in den Büchern genauso eingegangen wie auf das jeweilige Karnevalsmotto oder die Weltlage. "Und das haben die zum Teil per Hand illustriert", sagt Möbus begeistert. Aus dem Frühjahr 1945 wird in der Chronik unter der Überschrift "Über das Kriegsgeschehen" berichtet: "Halle erlitt am Ostersonnabend, Ende März, noch den schlimmsten Bombenangriff dieses Krieges: das ganze Viertel um den Haupt- und Güterbahnhof, um Riebeckplatz, Merseburger und Leipziger Straße war ein einziges Flammenmeer. [...] Wir sahen von Schochwitz aus den glutroten Himmel und hörten das zwecklose Schießen der Flak."

Persönliche Schilderungen machen Ereignisse nachvollziehbar

Immer wieder kommen Dorfbewohner mit ihren persönlichen Eindrücken aus der damaligen Zeit zu Wort. Meist aber schildert Chronistin Kämpfer ihre Eindrücke: "Als ich am 27. März 1945 aus dem Reichsarbeitsdienst im Riesengebirge entlassen wurde, suchte ich eine Beschäftigung als Schulhelferin; doch in den Kriegswirren fiel ja der Unterricht ohnehin aus. So kam mir der Umstand entgegen, dass auf dem Gut J. G. Boltze die Sekretärin geflohen war. Der Inspektor, Herr Heucke, fragte mich, ob ich wohl täglich Milch an die Dorfbevölkerung verkaufen wolle, denn die Molkereien nahmen diese nicht mehr ab. Ich sagte zu, und so arbeitete ich mich in das Verwaltungswesen ein." Gerade diese persönlichen Schilderungen machen die Chronik so einzigartig. Mit ihnen kann der heutige Leser die damalige Zeit auf ganz direkte Art und Weise nachvollziehen.

Es ist unglaublich, was diese Frau geleistet hat.

Ortsbürgermeister Peter Möbus über die Chronistin Rodelinde Kämpfer

"Es ist unglaublich, was diese Frau geleistet hat", ist der heutige Ortsbürgermeister Möbus noch immer beeindruckt über das Wirken der Dorflehrerin. "Sie hat diese ganzen Geschichten mit einer Akribie zusammengetragen und alles handschriftlich festgehalten." Die gebürtige Schochwitzerin habe jeder im Ort gekannt, erzählt Möbus. "Sie war immer für die Leute im Ort da; war gefühlt bei jeder Karnevalsveranstaltung mit dabei."

Regelmäßige Anfragen: Die Chronik ist ein Schatz

Die Schochwitzer Chronik geht bis 2003. Für die Jahre bis 2008 liegt auch schon Material vor. "Aber bislang ist es noch nicht komplett gesichtet und in Form gebracht, weil Frau Kämpfer dann schon sehr alt war und schließlich gestorben ist", erzählt Möbus. Geht es nach dem Ortsbürgermeister, soll die Chronik schnellstens digitalisiert werden. "Ich bekomme regelmäßig Anfragen, wo Menschen Informationen über ihre Angehörigen suchen. Das Standesamt verweist dann immer an mich und die Chronik, weil die so ausführlich ist. Wenn die Bücher digital vorliegen würden, könnten mehr Menschen einfacher darauf zugreifen." Außerdem wäre die Chronik besser vor Feuer oder einem Wasserschaden geschützt, ist sich Möbus sicher.

Gerade wenn es um die Aufarbeitung von Jubiläen gehe, sei die Chronik ein Schatz. Auch für seine Ortsführungen greift Möbus immer wieder darauf zurück. Oder wenn es um die Frage geht, wer eigentlich der Dorfälteste ist, helfen die Bücher weiter. "Es gibt keinen Ort im Salzatal, der eine so ausführliche Chronik hat", versichert Möbus. Immerhin, einen Teil seines Wahlkampfversprechens hat er schon eingelöst. Er sei seit ein paar Wochen mit einem interessierten Neubürger im Gespräch. Wenn alles gut laufe, wird er die Chronik weiterführen. "Das wäre wunderschön", freut sich Möbus.

MDR (Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. Oktober 2024 | 07:10 Uhr

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