Forschung zu ökologischer Luftfahrt Bau von nachhaltigen Regionalflugzeugen am Flughafen Leipzig/Halle geplant

12. Dezember 2020, 18:58 Uhr

Der Flugzeugbauer Deutsche Aircraft will am Flughafen Leipzig/Halle moderne und sparsame Flugzeuge vom Typ D328eco bauen. Schon 2025 sollen die erste Maschinen vom Band rollen. Über die Besonderheiten des geplanten Flugzeugs und den aktuellen Stand des Projekts hat MDR SACHSEN-ANHALT mit dem Programmleiter von Deutsche Aircraft, Nico Neumann, gesprochen.

In Gotha entstanden schon vor über 100 Jahren erste Großflugzeuge, Dessau gilt als Geburtsort der legendären "Tante Ju" und in Dresden versuchte sich die DDR in den 1950er-Jahren sogar im Bau von Passagierjets. Geht es nach dem noch jungen Flugzeugbauer Deutsche Aircraft, dann wird am Flughafen Leipzig/Halle schon bald das nächste Kapitel mitteldeutscher Luftfahrtgeschichte geschrieben.

Bereits 2025 soll hier ein Flugzeug gebaut werden, das die Entwicklung hin zu einer emissionsfreien Luftfahrt beschleunigen soll. Das erklärte Ziel des Flugzeugbauers Deutsche Aircraft ist es, mit dem neuen Flugzeug vom Typ D328eco den ökologischen Wandel in der Luftfahrt zu beschleunigen. Wie das gelingen kann, darüber haben wir mit dem Programmleiter von Deutsche Aircraft, Nico Neumann, gesprochen.

Wer ist Deutsche Aircraft?

Deutsche Aircraft ist der Name des Herstellers, der sich vor einem Jahr auf der nationalen Luftfahrtkonferenz am Flughafen Leipzig/Halle erstmals öffentlich präsentierte. Das Unternehmen ist eine Tochter der Sierra Nevada Corporation aus den USA, die zuletzt vor allem Raumfähren für die US-Weltraumbehörde NASA entwickelte. Die Deutsche Aircraft will mit dem neuen Werk am Flughafen Leipzig/Halle und einer eigenen Entwicklungsabteilung in Oberpfaffenhofen bei München eigenen Angaben zufolge rund 400 neue Arbeitsplätze schaffen.

MDR SACHSEN-ANHALT: Herr Neumann, die D328eco basiert auf einer Entwicklung des ehemaligen deutschen Flugzeugbauers Dornier. Dieser Typ wurde bereits in den 1980er-Jahren entwickelt. Was ist denn an der Weiterentwicklung von Deutsche Aircraft so viel besser als an dem alten Design?

Nico Neumann: Dass das Design älter ist, dem würde ich widersprechen. Ich würde sogar sagen, dass es das neueste Design unter den Regionalflugzeugen ist. Wenn man von alt spricht, dann ist das immer so eine Sache. Würde man einen Airbus auch als alt einstufen, weil er nur ein Update bekommen hat? Da hat sich am äußeren Erscheinungsbild auch nicht so viel verändert.

Aber unser neues Modell kommt mit einigen Änderungen, auch wenn es auf der DNA der alten Dornier 328 basiert. Unter anderem strecken wir den Rumpf um 2,1 Meter, sodass wir auf eine maximale Passagierzahl von 43 Passagieren kommen werden. Wir arbeiten aber vor allem am Antriebssystem – also Triebwerk und Propeller, um die Betriebs- und Wartungskosten zu reduzieren, und damit auch den Treibstoffverbrauch zu senken.

Außerdem bekommt das Flugzeug ein neues Cockpit. Ziel ist es, die Arbeitsbelastung für die Piloten zu reduzieren und alles so zu gestalten, dass in Zukunft das Flugzeug auch nur von einem Piloten geflogen werden könnte.

Ist das Ein-Mann-Cockpit für die kommerzielle Luftfahrt überhaupt zulassungsfähig?

Wir bereiten das Flugzeug zunächst nur darauf vor. Denn zur Zeit gibt es noch keine richtigen Richtlinien und Verfahren dafür. Aber wir bereiten alles darauf vor, dass es hinsichtlich der Arbeitsbelastung für den Piloten funktionieren würde. Man muss natürlich noch abwarten, wie die Zulassung und alles weitere verläuft.

Warum haben Sie gerade die Dornier 328 als Grundlage für ein neues Flugzeug gewählt?

Die Dornier 328 ist in dem Bereich der Regionalflieger gut platziert. Es ist ein sehr weit entwickeltes Flugzeug. 28 Prozent des Flugzeugs bestehen schon aus Verbundwerkstoff. Es ist ein Flieger, der mit rund 600 km/h aerodynamisch sehr schnell fliegen kann und er hat mit über 9.000 Metern eine relativ hohe Dienstgipfelhöhe. Das sind einfach gute Voraussetzungen, auf diese Plattform aufzusetzen und sie weiterzuentwickeln.

Dadurch haben wir den Vorteil, dass wir nicht von Anfang an designen müssen, sondern mit der Dornier 328 eine Plattform haben, die eine sehr gute Basis darstellt. Damit haben wir zum einen zeitlich als auch bei den Entwicklungskosten einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Seiner Zeit voraus: Die ursprüngliche Dornier 328

Die Entwicklung der ursprünglichen Dornier 328 begann 1988. Es war das letzte Verkehrsflugzeug, das vollständig in Deutschland entwickelt und gebaut wurde und war sowohl als Propellerflugzeug aber auch als Jet verfügbar. Bei Piloten und Passagieren gleichermaßen beliebt, war der moderne Regionalflieger in den Augen vieler Experten überentwickelt und damit für viele potentielle Kunden zu teuer. Nur insgesamt 220 Maschinen verließen die Hallen der Dornier-Werke in Oberpfaffenhofen. Weltweit sind noch etwa 120 Flugzeuge des Typs im Einsatz.

Die D328eco soll nicht nur in der Luft ökologischer als vergleichbare Modelle unterwegs sein. Sie wollen schon den Bau der Flugzeuge nachhaltig gestalten. Anderen Herstellern gelingt das bislang noch nicht. Was machen Sie anders als die Konkurrenz?

Wir haben natürlich den Vorteil, dass wir von der grünen Wiese aus starten. In Leipzig wird die Endmontagelinie noch aufgebaut. Und wir arbeiten da gerade zusammen mit dem Research Development Center vom Fraunhofer Institut, um anzusehen, wie man die Prozesse optimieren kann, aber auch was man in Richtung Nachhaltigkeit und CO2-neutrale Produktion jetzt noch einphasen kann. Das ist natürlich beim Neuaufbau eines Werks deutlich leichter, als wenn man alte Anlagen nur updatet.

Das heißt also, dass die genauen Arbeitsprozesse auch noch gar nicht feststehen?

Also die Arbeitspakete sind vollkommen klar. Aber die genauen Arbeitsprozesse wie zum Beispiel im Bereich der Logistik, da gibt es noch Bereiche, in denen wir uns in Optimierungsstudien befinden, um diese noch anzupassen.  

Die D328eco ist ein kleines Flugzeug. Nun ist er der Trend in der Luftfahrt in den letzten Jahren eher hin zu großen Flugzeugen gegangen. Wie können Sie da mit Ihrem Projekt punkten?

Ich könnte jetzt sagen, dass "je größer, desto besser" auch nicht funktioniert hat. Sonst würde Airbus den A380 weiter produzieren. Ich denke aber auch, dass gerade im regionalen Segment und wenn man auf niedrigere Emissionen und niedrigeren Treibstoffverbrauch achtet, man an kleinen Turboprops einfach nicht vorbeikommt. Und wenn es überhaupt etwas Positives gibt, was man aus der Corona-Krise ziehen kann, dann dass es einen größeren Push gibt in die Richtung, sich die Emissionen anzuschauen und zu sehen, wie man diese reduzieren kann.

Nun gibt es gerade im Turboprop-Bereiche auch starke Konkurrenz. Allen voran der zu Airbus gehörende Flugzeugbauer ATR mit seinem Erfolgsmodell ATR-42/72. Wie gehen Sie damit um?

Wenn man sich den Flugzeugmarkt anschaut, dann gab in der Vergangenheit sogar deutlich mehr Konkurrenz. Da gab es Saab, die Dash 8 von Bombardier, Jetstream, Embraer und wie sie alle heißen. Die sind alle vom Markt verschwunden, weil in der Zeit der Bedarf nicht da war.

Jetzt gibt es eine ziemlich große Flugzeugflotte, die kurz vor der Rente steht, die ersetzt werden muss.

Nico Neumann

Auf der anderen Seite gehen wir aber auch davon aus und erwarten, dass neue Märkte eröffnen. Und auch der Wachstumsmarkt in Asien ist nicht zu unterschätzen.

Gibt es denn schon konkrete Kaufabsichten für die D328eco?

Dass es Interesse gibt, das ist klar. Sonst hätten wir nicht solche Ankündigungen gemacht. Aber zu irgendwelchen Erstkunden oder Absichtserklärungen kann und darf ich hier noch nichts sagen.

Werfen wir nochmal einen Blick auf den künftigen Produktionsstandort am Flughafen Leipzig/Halle. Warum hat sich der Flughafen gegen andere Bewerber durchgesetzt?

Da gibt es mehrere Aspekte. Das eine ist die infrastrukturelle Anbindung, die ist in Leipzig/Halle optimal und kann kaum besser sein. Wir haben Autobahnen in alle Richtungen, wir haben mit DHL einen großen Logistik-Hub und auch die Bahnanbindung ist gut. Und das nahegelegene Leipzig ist eine sehr attraktive Stadt, sodass wir der Meinung sind, dass wir da die jungen und gut ausgebildeten Leute, die wir brauchen, auch hinziehen können.

Gebaut wird an dem neuen Werk aber noch nicht. Wir befinden uns aktuell noch in enger Abstimmung mit dem Flughafen Leipzig/Halle und dem Land Sachsen in der Planungsphase. Außerdem befinden wir uns mit dem Fraunhofer Institut am Ausarbeiten der Konzepte und dazu gehört auch die Hallenplanung.

Die Bundesregierung unterstützt Ihr Projekt mit einem Förderkredit in Höhe von rund 125 Millionen Euro. Denn die D328eco kommt auch als Träger für einen Elektroantrieb in Frage. Wann wird das erste Elektroflugzeug in Leipzig/Halle aus den Werkhallen rollen?

Der erste Schritt wird ein Demonstrationsflugzeug sein, also wo man wirklich die ganzen verschiedenen Technologien in der Plattform der D328eco integriert, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Unser Chief Technology Officer (Anm. d. Red.: verantwortlich für Produktstrategie, Technologie-Roadmap und Aufsicht der technischen Entwicklungsteams), Martin Nüsseler, steckt da zusammen mit Partnern aus der Industrie viel Energie rein. Und deswegen möchte ich auch noch gar nicht über Zeitziele sprechen. Wir halten aber einen Zeitrahmen von 15 Jahren für realistisch.

Airbus hat erst vor wenigen Monaten angekündigt, in einem ähnlichen Zeitraum ein Wasserstoffflugzeug entwickeln zu wollen. Was wird sich am Ende durchsetzen?

Die Frage ist ja, ob wir von Wasserstoffverbrennung reden oder von einer Brennstoffzelle, wo der Strom am Ende doch wieder den Motor antreibt. Da gibt es ja verschieden Set-Ups, die da möglich sind. Und wenn ich Wasserstoff verbrenne, dann habe ich immer noch das Thema Emission in der Luft.


Eine Brennstoffzelle ist am Ende eben auch ein Elektroflieger. Die Brennstoffzelle würde in dem Fall nur die Batterie ersetzen. Aber ich bin auch nicht der Meinung, dass die Batterie die Energieversorgung der Zukunft für ein Flugzeug dieser Klasse sein wird. Da ist aktuell noch sehr viel Bewegung in der Entwicklung. Da muss auch noch sehr viel Forschung betrieben und Tests durchgeführt werden. Das ist noch keine Technologie, die heute da ist. Das sieht man ja auch an den Plänen von Airbus. Das Wasserstoffflugzeug ist nichts, was Airbus morgen auf den Markt bringen will.

Über den Autor Thomas Tasler arbeitet seit Juni 2019 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Er schreibt in der Online-Redaktion und ist als Reporter im Radio zu hören. Bevor der gebürtige Südthüringer nach Magdeburg kam, hat er in Leipzig bei MDR AKTUELL und mephisto 97.6 Station gemacht. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Luftfahrt und ist bei diesem Thema Ansprechpartner Nummer eins im Funkhaus.

Quelle: MDR/tt

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 12. Dezember 2020 | 12:00 Uhr

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/dfa8900e-ad0e-4e2e-992f-542fb0c26651 was not found on this server.

Mehr aus Saalekreis, Raum Halle und Raum Leipzig

Mehr aus Sachsen-Anhalt