Propaganda im Internet Wie Rechtsextreme den Halle-Anschlag für ein Online-Spiel missbrauchen
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19. Januar 2023, 18:17 Uhr
In Halle wurden bei einem Anschlag am 9. Oktober 2019 zwei Menschen getötet. Mehr als 50 Personen wurden über Stunden in Angst und Schrecken versetzt. Jetzt gibt es ein Computerspiel in dem das Attentat nachgespielt werden kann. Dagegen gibt es umfangreiche Kritik. Hintergrund: rechtsextreme Propaganda.
- Im Internet gibt es Spiele von rechtsextremen Gruppen, bei denen Anschläge, wie der in Halle, nachgespielt werden können.
- Die Amadeu Antonio Stiftung analysiert das Verhalten von Rechtsextremen im Gaming-Bereich und sagt, dass sie die Spiele für Propaganda missbrauchen.
- Plattformen, wie Roblox oder Steam, auf denen sich solche Spiele befinden, reagieren selten auf diese Inhalte.
Ein geparktes Auto, aus der Spielerperspektive sieht man eine große Waffe und im Hintergrund ein auffälliges Backsteinhaus: Der Blick in ein Computerspiel, das frei verfügbar im Internet zu finden ist, wirkt zunächst wie jedes andere Spiel dieses Ego-Shooter-Genres. Details verraten jedoch: Hier wird im Paulusviertel in Halle die jüdische Synagoge nachempfunden. Bis hin zur Tür, die am 9. Oktober verhindert hat, dass Schlimmeres mit den mehr als 50 potentiellen Opfern geschah. Solche Spiele sind im Internet keine Seltenheit mehr, da Rechtsextreme das Medium für sich entdeckt haben.
Rechtsextreme nutzen Computerspiele zur Propaganda
Für die Berliner Amadeu Antonio Stiftung analysiert Mick Prinz, wie Rechtsextreme über Computerspiele ihre verfassungsfeindlichen Inhalte verteilen. Auch das Spiel zum Anschlag von Halle hat er im Internet gefunden – und zwar auf der Online-Spieleplattform Roblox.
Das Thema Gaming und Rechtsextremismus wird immer populärer. Prinz weiß auch, warum: "Neonazis nutzen Gaming aus drei Gründen: Erstens, um zu mobilisieren. Zweitens, um sich zu vernetzen, da gibt’s auch Beispiele beim Attentäter von München, der sich über die Plattform Steam mit anderen Attentätern vernetzt hat. Und Drittens ein metapolitscher Ansatz, um die Narrative, die Phrasen der Bewegung weiterzugeben."
So schauten sich Prinz und sein Team unter anderem auch den Steam-Account des Halle-Attentäters an und sahen, dass er beispielsweise einen Waffen-Simulator spielte. Dass Personen mit rechtsextremem Hintergrund vermehrt Games mit Weltkriegsbezug und Waffen spielen, sei sehr auffällig, so Prinz.
Halle nicht das einzige Beispiel
Es ist zunächst nicht einfach, die Inhalte auf den einschlägigen Plattformen zu finden. Mick Prinz sagt: "Rechtsextreme versuchen, ihre Inhalte möglichst verdeckt einzustellen." So findet man die Inhalte des Halle-Attentats nur, wenn man um die Ecke gedacht danach sucht: "Offensichtliche Suchbegriffe wie Halle oder Attentat vermeiden die Ersteller", so Mick Prinz. Jedoch gibt es in der Szene Schlagworte, die ein Auffinden erleichtern.
In anderen Fällen werden die Inhalte via Link in Communitys der rechten Szene geteilt, so dass interessierte Spieler direkt darauf zugreifen können. So finden sich unter anderem auch Varianten online, die es ermöglichen, das Attentat von Buffalo nachzuspielen. Hier hatte ein 18-Jähriger mit rassistischem Hintergrund zehn Menschen erschossen.
Über die Spieleplattform Roblox
Roblox ist eine kostenlose Online-Spieleplattform, die es ermöglicht, eigene Spiele zu erstellen und so anderen zum Zocken zur Verfügung zu stellen. Das alles findet in einer Art kindlich-buntem Comic-Look statt.
Was als eine kreative Möglichkeit im Bereich der Spieleentwicklung gedacht ist, haben sich auch rechtsextreme Communitys zu eigen gemacht und unter anderem das Halle-Attentat mit eigenen Grafiken nachgebaut. Solche Spiele verschwinden nur von der Plattform, wenn Personen sie melden – was in diesem Fall scheinbar noch nicht gemacht wurde. Denn das Attentat-Spiel ist noch verfügbar.
Plattformen filtern Inhalte kaum
Der Grund, warum sich die Inhalte auf den Plattformen tummeln: Es gibt kaum Mechanismen gegen rechte Inhalte. Gaming-Experte Mick Prinz sagt, jeder kann in selbsterstellten Karten und Spielen Symbole und Flaggen, die von Rechtsextremen verwendet werden sowie deren Texte und Bilder einstellen. "Allein die Tatsache, dass die Plattformen rechte Spielernamen zulassen, zeigt wie wenig sich die Portale um diese Inhalte kümmern. Gibt man in der Namenssuche "Hitler" ein, bekommt man auf Steam 28.000 Treffer. Nicht jeder davon ist rechtsextrem, aber einen Filter gibt es nicht." Hier würde sich Prinz wünschen, dass Portale und Politik mehr regulierend eingreifen und es den Erstellern der Inhalte schwerer machen.
Er fügt als weiteren Hinweis hinzu: Spiele mit Waffen, wie Ego-Shooter, sind nicht generell schlimm oder rechtsextrem. Sondern die bereits vorhandene Ideologie in den Köpfen der spielenden Personen und die Propaganda der rechten Szene, die diese Spiele für sich missbrauchen, sind das Problem. Dementsprechend ist es auch nicht möglich, alle Spiele mit Waffen einfach so zu verbieten.
Dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, macht ein solches Spiel Angst vor Nachahmern. Privorozki sagte MDR SACHSEN-ANHALT, ein potenzieller reeller Attentäter schaue sich das Spiel an oder spiele es und dann passiere es wieder. Er selber will sich das Spiel demnach nicht ansehen. Die Erinnerungen an den Anschlag vor mehr als drei Jahren sind seiner Aussage nach noch zu frisch. Er könne sich aber kaum vorstellen, dass ein normaler Mensch ein solches Spiel spielen würde, so Privorozki.
Auch Henriette Quade von der Linkspartei beobachte den Prozess rund um den Anschlag von Halle und sagt: "Gerade der Anschlag von Halle zeigt wie gefährlich die Verbindung von Rassismus, Antisemitismus, Frauenhass und anderen Ideologieelementen der extremen Rechten mit der Gamification von Terror ist. Es zeigt sich, wie unzureichend die Analysen und Kategorien der Sicherheitsbehörden sind. Onlineplattformen tragen dazu bei, dass sich Täter vernetzen und gegenseitig motivieren." Die dem zu Grunde liegende Radikalisierung geschehe aber in den Köpfen und in der Gesellschaft, so Quade weiter. Deshalb ist sie der Meinung, dass Verbotsdebatten, so nachvollziehbar sie mit Blick auf die Inhalte sein mögen, das Problem nicht lösen würden.
MDR (Lars Frohmüller, Johanna Daher)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 20. Januar 2023 | 19:00 Uhr
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