Jahrestag am 1. Juli Wie Naumburg auf fünf Jahre als Weltkulturerbestadt blickt

30. Juni 2023, 05:13 Uhr

Vor fünf Jahren feierte Naumburg die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste der Unesco mit einem Fest auf dem Marktplatz. Hunderte Menschen bejubelten die Verkündung. Auch in der Folgezeit herrschte große Euphorie in der Stadt. Doch was ist heute, fünf Jahre später, davon geblieben? Ein Ortsbesuch.

MDR San Mitarbeiter Oliver Leiste
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Es ist ruhig an diesem Vormittag in Naumburg. Auf der Herrenstraße, die den Dom mit dem Marktplatz verbindet, trifft man nur vereinzelt Leute. Touristen, sieht man von ein paar Schulklassen ab, zieht es nur wenige zum Dom. Die Hitze und das Kirschfest, das große Naumburger Volksfest, was am Wochenende zuvor gefeiert wurde, tun ihr Übriges zu der Stille, die an diesem Morgen in Naumburg zu erleben ist.

Der Dom St. Peter und Paul steht erhaben in der Sonne. Äußerlich hat sich bei dem Jahrhunderte alten Bauwerk seit Jahren wenig verändert. Auch nicht durch die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste der Unesco am 1. Juli 2018. Man muss schon genauer hinschauen, um die Auswirkungen dieser großen Entscheidung vor fünf Jahren zu entdecken.

Was hat das Weltkulturerbe Naumburg gebracht? Und welche Pläne gibt es für die kommenden Jahre? Darüber spricht der Direktor der Vereinigten Domstifter, Holger Kunde, im Interview.

Welterbezentrum entsteht für 11,4 Millionen Euro

Einige sind dann doch optischer Natur. Denn der Domplatz, und damit die direkte Umgebung der Kathedrale, wurde teilweise umgestaltet. Der Direktor der Vereinigten Domstifter, Holger Kunde sagt im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT: "Wir hatten einige Häuser, die in einem schlechten Zustand oder nicht vermietet waren, etwa das Haus Domplatz 5. Das haben wir vollständig saniert und nun auch vermietet. Vor wenigen Tagen haben wir eine Pension eröffnet, die schon jetzt sehr gefragt ist."

Aktuell wird an einem Welterbe-Informationszentrum gebaut, das für 11,4 Millionen Euro gegenüber vom Dom entstehen soll. Zudem gab es einen Architekturwettbewerb für die weitere Gestaltung des Platzes, die gerade vorbereitet wird. Mit diesen Projekten wollen die Stadt Naumburg und die Domstifter die Attraktivität der Welterbestätte langfristig erhöhen.

Erst kam der Hype – und dann Corona

Das ist auch nötig. Denn mit Blick auf die Besucherzahlen haben sich längst nicht alle Hoffnungen erfüllt, die mit dem Welterbetitel verbunden waren. Nach der Verkündung im Sommer 2018 erlebten Naumburg und der Dom für einige Monate lang einen regelrechten Boom. Der Beginn der Corona-Pandemie setzte der Euphorie jedoch ein jähes Ende. "Die Zahlen steigen wieder. Aber noch sind wir nicht wieder auf dem Niveau von vor Corona", sagt Kunde.

Fünf Jahre Weltkulturerbe: So wird gefeiert

Anlässlich des fünften Jahrestages der Unesco-Entscheidung sind rund um den Naumburger Dom am Samstag zahlreiche Veranstaltungen geplant. Im Dom, seinen Türmen und der Bibliothek werden verschiedene Führungen angeboten. Im Domgarten findet ein Familienfest statt, bei dem regionale Anbieter ihre Produkte präsentieren. Dabei soll auch eine riesige Geburtstagstorte angeschnitten werden.

Neben einer Andacht ist auch eine Lesung geplant. Dabei liest Helene Grass, Tochter von Literaturnobelpreisträger Günter Grass, aus einem der letzten Werke ihres Vaters – welches teilweise im Naumburger Dom spielt.

Die Gastronomen im Umfeld freuen sich trotzdem über gut gefüllte Lokale. Steffen Pretzsch, Inhaber eines Cafés neben dem Dom, erklärt: "Unser Café ist gerade im Sommer immer gut besucht. Aber nach der Corona-Zeit fehlen uns die Leute. Viele haben sich damals während der Pandemie neue Jobs gesucht und sind dort geblieben. Deshalb mussten wir die Zahl der Tische reduzieren und haben keine warme Küche mehr." Von anderen Gastronomen weiß er ähnliches, berichtet Pretzsch.

Gemischtes Fazit bei den Händlern

Auch die Händler ziehen nach fünf Jahren Weltkulturerbe ein gemischtes Fazit. "Wir haben uns damals sehr gefreut. Aber es ist jetzt keine Riesenaufbruchsstimmung entstanden", sagt Andreas Merker, der in der Herrenstraße einen Spieleladen betreibt. Der Chef eines anderen Geschäfts, der zufällig in dem Moment im Laden auftaucht, stimmt ihm zu.

Es ist jetzt keine Riesenaufbruchsstimmung entstanden.

Andreas Merker Inhaber eines Spieleladens in Naumburg

Merker vermisst etwa die großen Reisegruppen aus Asien, die er an anderen Welterbe-Standorten erlebt hat. "Trotzdem hat sich rund um den Dom sichtbar etwas getan. Das wäre ohne den Welterbestatus sicher nicht passiert", lobt er. 

Noch etwas mehr tun könnte sich in Naumburg bei vielen Kleinigkeiten für die Touristen, moniert Marcel Schulze. Er führt unweit des Doms einen Geschenkeladen und beklagt etwa das Fehlen von Sitzbänken in Dom-Nähe. "Gerade für die älteren Besucher ist das ein Nachteil." Auch Schulze erinnert sich an den Hype unmittelbar nach der Welterbe-Entscheidung. "Heute ist das Niveau der Umsätze etwas höher als vor der Verkündung. Aber es ist kein Vergleich zu den Wochen unmittelbar danach."

Zudem vermisst Schulze noch etwas anderes: die emotionale Bindung der Menschen in Naumburg zu ihrem Weltkulturerbe. "Da erlebe ich in anderen Städten mehr Lokalpatriotismus." Eine Verkäuferin auf dem Markt sagt gar: "Den meisten Menschen hier ist das Weltkulturerbe ziemlich egal. Für sie hat sich dadurch nichts verändert."

OB Müller: "Versuchen die Menschen mitzunehmen"

Eine These, die Oberbürgermeister Armin Müller (CDU) so nicht stehen lassen möchte: "Es ist uns schon seit dem Antragsprozess ganz wichtig, die Menschen mitzunehmen und auch Identität zu stiften. Das bleibt auch eine Hauptaufgabe für uns", betont er und verweist auf die Aktivitäten des Welterbevereins oder spezielle Welterbewandertage. 

"Natürlich werden Sie nicht 100 Prozent der Bevölkerung finden, die hier dahinter steht. Aber wir haben eine starke Stadtgesellschaft mit viel ehrenamtlichem Engagement. Ich glaube, den Menschen ist schon bewusst, wie wichtig diese Welterbestätte ist", so Müller. 

Ein dunkelhaariger Mann
Naumburgs Oberbürgermeister Müller sieht im Welterbestatus des Doms einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

Naumburg unternimmt zudem zahlreiche Bemühungen, um die Bekanntheit der Stadt und ihres Weltkulturerbes über die Grenzen Deutschlands hinaus weiter zu steigern, erklärt der Oberbürgermeister. Für ihn ist das Naumburger Weltkulturerbe schon jetzt ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und durchaus auch ein Grund, stolz zu sein. In den Gesprächen mit Händlern und Gastronomen ist – der Kritik zum Trotz – oft Ähnliches zu hören. Wenn auch nicht ganz so euphorisch wie beim Oberbürgermeister. 

Fünf Jahre Welterbe: Ein Grund zum Feiern

Die Touristen aus Nah und Fern sorgen tagtäglich für interessante Begegnungen, erzählt ein Gastwirt. Außerdem tragen sie dazu bei, die Innenstadt lebendig zu halten. Auch wenn durchaus einige Läden leer stehen, präsentieren sich Naumburgs Einkaufsstraßen deutlich bunter und vielfältiger als die vergleichbarer Städte im Land. 

Und so sind fünf Jahre Weltkulturerbe in Naumburg vor allem eines: ein Grund zum Feiern. Da sind sich alle Beteiligten einig. Deshalb sind für den 1. Juli – den Jahrestag der Unesco-Entscheidung – zahlreiche Veranstaltungen rund um den Dom geplant. Die Stille, die dort zu Beginn der Woche herrschte, wird lautem Trubel weichen, wenn sich die Menschen an einen besonderen Tag im Sommer 2018 erinnern – und zugleich optimistisch auf die nächsten Jahre als Weltkulturerbestadt schauen.

MDR (Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 30. Juni 2023 | 07:10 Uhr

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