Kurze Wege, leichtere Absprachen Wie die Migrationsagentur im Burgenlandkreis Integration vereinfacht

25. April 2021, 16:43 Uhr

Wenn Zugewanderte nach Deutschland kommen, stehen zunächst zahlreiche Termine bei Behörden an. Um diesen Prozess zu vereinfachen, arbeiten im Burgenlandkreis alle für Migranten wichtigen Ämter unter einem Dach zusammen. Wie das funktioniert.

In einem praktischen, aber recht sterilen Containerbau im Osten Naumburgs befindet sich eine einzigartige Behörde: die Migrationsagentur. Die Migrationsagentur des Burgenlandkreises ist gewissermaßen eine Behörde, die mehrere Behörden in sich vereint, mit denen Migranten und Geflüchtete Kontakt haben. Seit 2018 arbeiten in der Agentur daher die Ausländerbehörde, Zuständige für Unterbringung, Asylbewerberleistungen und Grundsicherung sowie Vertreter von Jobcenter, Jugendamt und Sprachkurs-Anbieter in einem Gebäude.

Als die Migrationsagentur 2018 gegründet wurde, habe es deutschlandweit nur drei Orte gegeben, die ähnlich zusammengearbeitet hätten, erklärt der Leiter der Migrationsagentur, Thomas Postleb. Das seien aber Großstädte gewesen – keine Landkreise. "Auf Landkreisebene sind wir wohl die einzigen, die sich getraut haben, da was zu machen", sagt Postleb.

Kurze Wege, leichtere Absprachen

Dass die Behörden unter einem Dach sitzen, sorgt für kurze Wege. Das ist für Migranten praktisch: Sie können an einem Tag gleich mehrere Behördentermine abhaken. Die kurzen Wege sind aber auch praktisch für die Verwaltungsmitarbeitenden. Denn Absprachen untereinander würden vereinfacht. Und auf dem Weg von einem Fachbereich zum nächsten gingen keine wichtigen Informationen verloren, wenn die Mitarbeitenden den Migranten etwa direkt zum Büro der Kollegin im anderen Fachbereich bringen könnten.

Postleb versteht die Migrationsagentur nicht als Vorzeigebehörde für Integration. Sondern: "Wir sind eine andere Art von Verwaltungseinheit, mit der wir etwas vereinfachen wollen." Ein guter Anfang, denn es kann vorkommen, dass sich ein Termin bei der Ausländerbehörde mit dem Sprachkurs überschneidet. Das könne etwa mit anderen Sprechzeiten gelöst werden, die zum Beispiel nach dem Sprachkurs liegen, sagt Postleb. Die Beteiligten sollten nicht nur an ihr Aufgabengebiet denken, sondern sich als ein Teil des gesamten Integrationsprozesses verstehen.

65 Mitarbeitende, 10.000 Zugewanderte

Insgesamt arbeiten etwa 65 Personen in der Migrationsagentur. Sie kümmern sich nicht nur Geflüchtete, die aus der Zentralen Anlaufstelle (ZASt) in Halberstadt oder ihren Außenstellen dem Burgenlandkreis zugewiesen werden. Zwei Drittel der "Kundinnen und Kunden", wie Postleb sie nennt, stammen aus EU-Ländern. Sie kämen in den Burgenlandkreis, um vor allem in der Nahrungsmittelbranche zu arbeiten, beispielsweise für den Schlachthof Tönnies in Weißenfels, erklärt Postleb.

EU-Bürger werden von der Migrationsagentur nur dann betreut, wenn sie Unterstützung brauchen. Der Schwerpunkt der Integrationsarbeit liege auf Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen, sagt Postleb. Insgesamt leben laut Integrationskonzept des Burgenlandkreises etwa 10.000 Migrantinnen und Migranten im Burgenlandkreis – davon sind etwa 1.200 anerkannte Geflüchtete und rund 700 Asylsuchende bzw. Geduldete.

Die Migrationsagentur ist selbst Arbeitgeber für Migrantinnen und Migranten. Grund ist der zunehmende Mangel an Fachkräften: "Auch wir haben Arbeitskräftebedarf", sagt Postleb. Durch eigene Ausbildungen könne der nicht mehr gedeckt werden – auch, weil bestimmte Kenntnisse gefordert seien. Ein Beispiel: "Es ist für uns wichtig, dass wir Sprachkompetenz haben", sagt Postleb. Die Mitarbeitenden würden zum Beispiel Russisch, Polnisch, Türkisch und verschiedene arabische Dialekte sprechen. "17 oder 18 Sprachen – dazu sind wir hier in der Lage, sodass wir hier nicht auf Deutsch pochen müssen und tatsächlich Kommunikation stattfindet." Zum Teil werde zusätzlich auf professionelle oder ehrenamtliche Übersetzerinnen und Übersetzer zurückgegriffen, etwa zur Begleitung von Arztbesuchen.

Arbeitsmarkt-Integration von Zugewanderten

Die Migrationsagentur hilft Geflüchteten und Migranten auch dabei, Arbeit zu finden. Aber das ist nicht so einfach. "Das erste ist das Sprachproblem", sagt Postleb. Dann gehe es darum, wie viel Zeit die Migranten in den Job investieren wollen: "Ist es nur Geld verdienen, weil er zu Hause versorgen muss – was ja zu verstehen ist – oder ist es auf Bleibeperspektive angelegt?" Und: "Dann muss man natürlich Unternehmer finden, die mit Migranten arbeiten wollen."

Skeptische Unternehmer seien nicht immer rassistisch oder würden diskriminieren, sagt Postleb. Oft sei es nicht der Unternehmer, sondern seine Kundschaft, die zum Beispiel einen ausländisch aussehenden Handwerker ablehnen würde.

Ich sage das auch in verschiedenen Diskussionen, auch privat: 'Ihr beklagt euch permanent, dass ihr keine Handwerker bekommt. Das liegt daran, dass zu wenig da sind. Ermutigt doch den hier lebenden Fremden, das zu machen.'

Thomas Postleb, Leiter Migrationsagentur

Es gebe aber Positivbeispiele. In der Gastronomie, in Geschäften, in der Pflege und im Krankenhaus in Naumburg arbeiteten Migrantinnen und Migranten. Und auch im Handwerk beschäftigten einige Betriebe Geflüchtete.

IvAF: Praktika und Arbeit auch für Geduldete

Im Burgenlandkreis dürfen über das Projekt "Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen" (IvAF) auch Migranten arbeiten, die nicht als Flüchtlinge anerkannt, sondern lediglich geduldet werden. Geduldete haben keine sogenannte Aufenthaltserlaubnis, das heißt, sie müssen Deutschland wieder verlassen. Bei einer Duldung wird diese Ausreisepflicht aber vorübergehend nicht durch eine Abschiebung durchgesetzt.

Geduldete haben nicht automatisch die Erlaubnis, in Deutschland zu arbeiten, sondern müssen eine Arbeitserlaubnis bei der Ausländerbehörde beantragen. Im Burgenlandkreis bekommen sie diese Erlaubnis in den meisten Fällen, denn: "Wir wollen, dass sie etwas tun. Für sich – und für uns, weil wir Arbeitskräftebedarf haben", erklärt Postleb. Dafür werde mit Betrieben zusammengearbeitet, die Praktika, Ausbildungen und Jobs für Geflüchtete anbieten.

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Thomas Postleb, Leiter der Migrationsagentur Burgenlandkreis, spricht über Schwierigkeiten bei der Arbeitsmarkt-Integration von Geflüchteten.

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Geduldete, die eine Ausbildung machen oder als Fachkraft arbeiten, können dadurch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. "Das ist die Kerndiskussion, um den Aufenthaltsstatus", so Postleb. Im Burgenlandkreis habe der Landrat entschieden, dass das Ermessen, also das Augenmaß im Einzelfall, ausgereizt werden soll. Das bedeutet: "Wenn nichts dagegen spricht, jemanden hier arbeiten zu lassen, dann hat er hier zu arbeiten, dann darf er hier arbeiten", sagt Postleb. Das Projekt IvAF läuft nur noch bis Ende 2021. Postleb geht davon aus, dass danach die Förderung wegfällt.

Integration braucht Ressourcen

Denn seit März 2020 soll das Fachkräfteeinwanderungsgesetz dafür sorgen, dass Menschen von außerhalb der EU nach Deutschland kommen können, die bereits passend ausgebildet sind. EU-Länder hätten erkannt, dass nicht alles auf die Schnelle vor Ort nachgeholt werden könne, sagt Postleb. Dass bestimmte Voraussetzungen wie Sprache oder Abschlüsse schon gegeben sein sollten. "Man braucht für Integration Ressourcen", sagt Postleb. Und die seien nicht grenzenlos verfügbar.

Die Migrationsagentur etwa sei auch keine alleinige Integrationsbehörde – sondern vereine verschiedene Aufgaben. Auch freiwillige Ausreisen und Abschiebungen würden von der Agentur organisiert. Nur fünf Integrationsbeauftragte arbeiteten in der Migrationsagentur – für 10.000 Migranten. Selbst wenn sie sich auf die 700 Asylsuchenden und Geduldeten konzentrierten, sei das immer noch eine Menge. "Integration ist kein leichtes Geschäft", fasst Postleb zusammen. "Das kann Verwaltung allein nicht. Das kann nur die Aufnahmegesellschaft. Und das sind die Ehrenamtler, die spielen eine ganz große Rolle."

Über die Autorin Maria Hendrischke arbeitet seit Mai 2017 für MDR SACHSEN-ANHALT – in Halle und in Magdeburg. Ihre Schwerpunkte sind Nachrichten aus dem Süden Sachsen-Anhalts, Politik sowie Erklärstücke und Datenprojekte. Ihre erste Station in Sachsen-Anhalt war Magdeburg, wo sie ihren Journalistik-Bachelor machte. Darauf folgten Auslandssemester in Auckland und Lissabon sowie ein Masterstudium der Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt Politik in Erfurt und Austin, Texas. Nach einem Volontariat in einer Online-Redaktion in Berlin ging es schließlich zurück nach Sachsen-Anhalt, dieses Mal aber in die Landeshauptstadt der Herzen – nach Halle. Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt sind die Klausberge an der Saale. Aber der Harz ist auch ein Traum, findet sie.

MDR/Maria Hendrischke

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