Nach Angriffen Weißenfels: Diskussion um Polizeipräsenz bei CSD reißt nicht ab

23. August 2023, 15:28 Uhr

Nach dem ersten Christopher Street Day vor anderthalb Wochen im Burgenlandkreis reißt die Kritik an der Landespolizei nicht ab. Bei der Parade queerer Menschen waren zunächst nur 37 Polizeikräfte in Weißenfels vor Ort. Es hatte Angriffe auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegeben, zudem soll "Sieg Heil" gerufen worden sein. Die Veranstalter sprechen von einem erheblichen Sicherheitsrisiko. Im Vorfeld habe es viele Anzeichen für Gegenprotest gegeben.

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  • Die Organisatoren des CSD in Weißenfels werfen der Polizei vor, die Lage falsch eingeschätzt zu haben. Es seien zu wenig Einsatzkräfte vor Ort gewesen.
  • Die Polizei will den Einsatz nach eigenen Angaben intensiv nachbereiten.
  • Der Weißenfelser Oberbürgermeister widerspricht Medienberichten, nach denen die Stadt eine rechte Hochburg sei.

Der erste Christopher Street Day (CSD) in Weißenfels vor anderthalb Wochen ist noch immer Diskussionsthema. Der Vorwurf der Veranstalter: Die Polizei habe die 800 Teilnehmer nicht ausreichend geschützt. In einer Mitteilung heißt es, man widerspreche der Darstellung der Stadt, es habe zu keiner Zeit Gefahr für die Teilnehmer bestanden. "Die Polizei hat nicht grundlos mehr Einsatzkräfte nachgefordert und dazu geraten bzw. versucht den Demo-Zug abzusagen." Es hätten lediglich 37 Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden, weitere 30 seien später dazugekommen.

Auf der Veranstaltung im Burgenlandkreis sollen von mutmaßlichen Rechtsextremen Flaschen geworfen worden sein, außerdem wurde laut Nachrichtenagentur AFP der Hitlergruß gezeigt sowie "Sieg Heil" gerufen. Der Staatsschutz der Polizei ermittle unter anderem wegen des Verdachts auf Landfriedensbruch, Körperverletzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, hieß es von der Nachrichtenagentur weiter.

Zwischenfälle seien "Blamage für die Region"

"Es ist eine Blamage für die Region und das Land, wenn sich eine Region als weltoffen und divers darstellen will und es dann zu derartigen Zwischenfällen kommt", sagte der Sprecher und Mit-Organisator des CSD Weißenfels, Eric Stehr, MDR SACHSEN-ANHALT. Angesichts der jüngsten queer-feindlichen Vorfälle in Naumburg und Wernigerode hätte man gewarnt sein müssen, erklärte Stehr, der für DIE LINKE im Stadtrat von Weißenfels sitzt.

Das Team des CSD Weißenfels habe die Sicherheitsbehörden im Vorfeld auf mögliche Probleme aufmerksam gemacht – auf Postings der rechtsextremen Kleinst-Partei III. Weg, auf die in Naumburg mit Reichs-Farben übermalte Regenbogen-Treppe, auf "Stimmungsmache in den sozialen Netzwerken".

Lokale Polizei und Kreis-eigene Versammlungs-Behörde hätten laut CSD-Team im Vorfeld bei der Landes-Polizeibehörde mehr Einsatzkräfte angefordert. "Die Hauptschuld liegt also aus unserer Sicht bei der Landes-Polizeibehörde und deren Vorgesetzten, der Innenministerin Zieschang." Es sei unverständlich, wie die Lage so dermaßen falsch eingeschätzt werden konnte.

"Lieb doch wen du willst" steht auf einem Plakat, was von Teilnehmern eines CSD hochgelalten wird.
Während Veranstaltungen der sogenannten LGBTIQ-Bewegung kommt es immer wieder zu Anfeindungen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Müller-Stauffenberg

Polizei will Einsatz nachbereiten

Die Polizeiinspektion Halle bekräftigte am Dienstag die Aussage der lokalen Polizei, dass zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Versammlungs-Teilnehmenden bestanden habe. Auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT hieß es, die Störenden und die Teilnehmenden seien klar getrennt worden.

Die Polizeiinspektion nimmt den Einsatz-Verlauf nach eigenen Angaben zum Anlass, um den gesamten Einsatz intensiv nachzubereiten. Dabei werde auch der Kräfte-Ansatz geprüft. Dies entspreche dem gelebten Leitbild zur "Fehlerkultur" innerhalb der Landespolizei. Einen neuen Stand zu den Ermittlungen gegen 20 Beteiligte der Störaktionen konnte die Polizei am Dienstag nicht vermelden.

Unmittelbar nach dem CSD hatte der Einsatzleiter MDR SACHSEN-ANHALT gesagt, man habe mit größeren Störungen nicht rechnen können. Hinterher sei man immer schlauer. Auch er hatte eine Nachbereitung des Einsatzes angekündigt.

Oberbürgermeister: Weißenfels ist keine rechte Hochburg

Weißenfels Oberbürgermeister Martin Papke (CDU) widerspricht Medienberichten, nach denen Weißenfels eine "Nazi-Hochburg" sei. "Das stimmt nicht, das ist im Alltag hier nicht spürbar", sagte er MDR SACHSEN-ANHALT. Er war nach eigenen Angaben beim CSD nicht vor Ort, habe sich aber einen umfassenden Überblick verschafft – unter anderem aus der Auswertung des Ordnungsamts, der Gleichstellungsbeauftragten und durch Gespräche, beispielsweise mit dem Versammlungsleiter. Die Störer würden nicht für die Bürger der Stadt stehen, sagte er MDR SACHSEN-ANHALT. "Wenn jemand eine Flasche wirft, geht es ganz klar um Körperverletzung. Wenn jemand den Hitlergruß zeigt, dann ist das ein ganz klarer Verfassungsbruch. Das hat hier in der Stadt nichts zu suchen."

Allerdings hätten vonseiten des CSD auch Dinge besser laufen können. "Zum Beispiel hätte das Anspucken des YouTubers unterlassen werden müssen, der dort gefilmt hat, und Treten. Das kann nicht sein", so der Oberbürgermeister. Laut CSD Weißenfels hatte ein "rechtsextremer Streamer" die Kundgebung ins Netz gestellt. Die Aussagen von Martin Papke beziehen sich auf ihn.

Der Oberbürgermeister hält generell für den Christopher Street Day in Weißenfels eine Auswertung mit allen Beteiligten für notwendig – auch um zu beraten, was beim nächsten Mal besser gemacht werden kann.

Anmerkung der Redaktion: Der hier zitierte Mit-Organisator des CSD Weißenfels, Eric Stehr, sitzt für DIE LINKE im Stadtrat von Weißenfels. Wir haben dies nachträglich in diesem Artikel ergänzt.

MDR (Attila Dabrowski, Marc Weyrich, Luise Kotulla)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 22. August 2023 | 07:30 Uhr

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