Podcast "Digital leben" Muttermilch-Lotion und Übersetzungen: Start-Up-Ideen aus Sachsen-Anhalt
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04. August 2023, 04:51 Uhr
Start-Ups gelten als Impulsgeber für die Wirtschaft. Sie sind in Sachsen-Anhalt zwar rar gesät, aber MDR SACHSEN-ANHALT hat fünf spannende Start-Up-Gründer und -Gründerinnen getroffen. Es geht um Muttermilch, Rettungshunde, Exoskelette, Fremdsprachenlernen und eine Software für Verlage.
- Start-Ups aus Sachsen-Anhalt sind selten, stecken aber voller Ideen. MDR SACHSEN-ANHALT stellt fünf Ideen vor.
- Eine Idee aus dem Süden Sachsen-Anhalts: eine Babylotion aus der eigenen Muttermilch. In Magdeburg sollen Rettungshundestaffeln mit digitalen Mittel effektiver werden.
- Es geht außerdem um sogenannte Exoskelette, eine Software für Buchverlage und um eine Plattform, mit der sich fremdsprachige Texte besser lesen lassen.
Nur 1,1 Prozent der deutschen Start-ups haben ihren Sitz in Sachsen-Anhalt. Das geht aus einer Befragung des Deutschen Start-up-Verbandes (PDF) für 2022 hervor. Das ist ein leichtes Plus von 0,2 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021 – und mehr als im Saarland (0,9 Prozent), aber auch weniger als in Brandenburg (1,8 Prozent), Thüringen (1,7) und Sachsen (3,1 Prozent).
MDR SACHSEN-ANHALT stellt einige der Ideen aus Sachsen-Anhalt vor, die sich hinter dieser Prozentzahl verstecken.
Eve Geißler und ihr Start-Up LaLeMa aus Muldestausee
Die beste Hautpflege für Babys steckt in der eigenen Muttermilch. Da ist sich Eve Geißler sicher. Die 33-jährige Mutter einer zweijährigen Tochter hat deshalb ein Pflegeprodukt zum Selbermachen entwickelt. Hauptbestandteil: die eigene Muttermilch.
Die Idee dazu kam ihr durch ihre Tochter und ihre Hebamme. Denn dass Muttermilch gut für Babyhaut ist, wissen Hebammen. Und dass es funktioniert, hat Geißler selbst festgestellt. Aber sie war auch etwas frustriert und sagt heute lachend: "Ich habe versucht, etwas sehr, sehr Flüssiges über einen sehr, sehr kleinen Menschen zu geben. Der Effekt ist super. Aber die Handhabung eine Vollkatastrophe."
Die Idee von LaLeMa: Mit einem kleinen Röhrchen aus der eigenen Muttermilch eine Lotion machen. Dazu müssen 21ml Muttermilch in den Spender. Was dann passiert, sei ein bisschen magisch, sagt Geißler: "Es sind drei natürliche Zutaten enthalten: ein Auszug aus Algen, Vitamin C und Pulver aus der Konjakwurzel." Einfüllen, drehen und schütteln – so entsteht die eigene Lotion für das eigene Baby. Sie soll sich drei Monate bei Raumtemperatur halten.
Eve Geißler kennt die Kosmetik- und Pflegebranche gut: Sie hat elf Jahre lang für eine große Kosmetik-Kette gearbeitet. Geißlers Pflegeprodukt zum Selbermachen hat sich schon mehr als 1.600 Mal verkauft. LaLeMa ist im eigenen Onlineshop, in Apotheken im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und Magdeburg zu kaufen und seit kurzem auch bei einer Supermarktkette. Demnächst sollen Drogerien dazukommen.
LaLeMa bekommen auch alle neuen Mütter in Muldestausee – als Willkommensgeschenk für die kleinen Einwohner. Als nächste Idee will Eve Geißler einen Badezusatz für Babys aus Muttermilch entwickeln.
Marius Lauer aus Magdeburg will Rettungshundestaffeln effizienter machen
Rettungshunde, die nach Verschütteten oder Vermissten suchen, in unwegsamem Gelände, in Wald und Flur. Was ist da das Problem, das digital gelöst werden kann? Marius Lauer erklärt: "Wenn eine Rettungshundestaffel gebraucht wird, kann es drei Stunden dauern, bis sie am Einsatzort ankommt. Denn dazu gibt es bislang Telefonketten." Es gebe keine automatische, digitale Benachrichtigung einer Rettungshundestaffel, sagt Lauer.
Rettungshundestaffeln werden meist von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gestellt, die ihre Hunde auch freiwillig ausbilden. Sind sie dann vor Ort, bekommen sie meist eine ausgedruckte Karte des Suchgebiets. Was sie meist nicht bekommen, ist eine genaue Beschreibung der Person. All das ließe sich digital lösen, sagt Lauer.
Er hat ein Design für eine App entwickelt, die es Rettungshundestaffel einfacher machen und damit Leben schneller retten kann. "Die Helfer werden alle angepingt und können sich melden oder abmelden, weil zum Beispiel der Hund krank ist". So dauere es keine drei Stunden, sondern nur 50 Minuten, bis eine Rettungshundestaffel eintreffe, sagt Lauer. Weil sie ihren Standort mit der Einsatzleitung teilen, lasse sich die Suche auch besser steuern. "Die Einsatzleitung kann zum Beispiel sehen, ob die Rettungshundestaffel das Gebiet auch wirklich gut abgesucht hat."
Außerdem lassen sich mit der App auch Informationen der Suchhunde sammeln und auswerten. "Denn Hunde sind unterschiedlich. Der eine kann nicht so gut riechen, wenn es regnet. Der andere hat Probleme mit Höhen und geht nicht gern in die Berge." Mit seiner App-Idee lässt sich auch dokumentieren, wie erfolgreich eine Suche war. Denn bislang gibt es dafür keine Auswertung. "Es gibt deshalb auch keine Feedback-Kultur, um etwas zu verbessern", sagt Lauer.
Eines ist Lauer wichtig: Er will mit seiner Idee keinen Gewinn machen, sondern nur die Kosten für Programmierer und IT-Struktur abdecken.
Lena Fischer und ihr Start-Up Cross-Read aus Magdeburg
"Wir wollen, dass Sprachenlernen einfacher wird", sagt Lena Fischer von Cross-Read. Dazu haben die Magdeburgerin eine Internetplattform entwickelt. Dort kann jeder einen fremdsprachigen Text hochladen. Er wird dort automatisch übersetzt. Aber: Gelesen werden soll der Text weiter in der Fremdsprache. Versteht ein Lernender dann eine Vokabel nicht, wird ihm per Mausklick eine Übersetzung angezeigt. Daraus lassen sich auch Vokabellisten erstellen.
Gedacht ist das Ganze für Schüler, Studierende und Privatpersonen, die einfacher fremdsprachige Texte lesen wollen. Cross-Read will Wörterbücher überflüssig machen.
In Seminaren mit angehenden Lehrern hat das Magdeburger Start-Up seine Idee bereits vorgestellt. "Die Lehrer sind am Anfang immer erstaunt und ein bisschen skeptisch. Wenn wir es erklären, sind sie alle begeistert", sagt Fischer.
Sie sagt auch, dass crossread bei der Integration helfen könne. Ukrainische Kinder, die zum Beispiel an einer deutschen Schule lernen, könnten ihren Biologie-Text bei crossread hochladen und dann sowohl Bio lernen als auch Deutsch. Am besten sollte das Lehrer selbst machen.
Daten von Schülern speichert crossread nicht – Vokabellisten werden auf dem Gerät gespeichert. Crossread entwickelt einen eigenen Übersetzungsalgorithmus und will in Zukunft mehr Sprachen und mehr Fächer anbieten. "In Geschichte lassen sich so zum Beispiel Fakten zu einem Ereignis darstellen, damit man nicht mehr querlesen muss", sagt Fischer. Daraus kann ein Abo-Modell entstehen, sodass crossread auch Geld verdienen kann. Denn bislang ist die Plattform kostenlos nutzbar.
Sebastian Neuberg aus Magdeburg und seine Idee für Exoskelette
Sebastian Neuberg ist Mechatronik-Ingenieur und will arbeitenden Menschen helfen. "Mein Ziel ist es, ein Unternehmen zu gründen, das mechatronische Schutzsysteme für Arbeitnehmer baut, damit sie keine Rückenschäden vom Arbeiten bekommen und ihren Job bis zur Rente durchstehen können."
Mit mechatronischen Schutzsystemen meint Neuberg aktive Exoskelette. Das sind Hilfsmittel, die man zum Beispiel um Hüfte, Knie oder Ellenbogen schnallt und die beim Tragen oder Heben unterstützen. So werden die Knochen und Muskeln der Menschen weniger belastet. "Aktive Exoskelette haben Antriebe und keine Gummibänder. Damit kann ein Maurer bis zur Rente seinen Job machen, weil er sich den Rücken eben nicht kaputt macht", sagt Neuberg. Ihm ist es wichtig, dass sich Start-Ups nicht nur mit Büroarbeiter beschäftigten, sondern auch etwas für Menschen im Blaumann tun.
Neuberg sagt, er hat sich wissenschaftlich bereits intensiv mit Exoskeletten auseinandergesetzt, Untersuchungen durchgeführt, verschiedene Belastungsszenarien getestet und potenzielle Kunden identifiziert. Sein Exoskelett soll um die Hüfte geschnallt werden und unterstützt durch Methoden der künstlichen Intelligenz Bewegungsmuster erkennen. So kann ein Exoskelett auch von mehreren Mitarbeitern genutzt werden – weil das Gerät das Bewegungsprofil des Arbeiters kennt.
Sebastian Neuberg beantragt gerade eine Gründungsförderung, um damit einen Prototypen seines Exoskeletts zu bauen. Sein Ziel ist eine eigene Produktion in Magdeburg aufzubauen.
Wolf Graf von Westarp und sein Start-Up booxboo.de aus Hohenwarsleben
Wolf Graf von Westarp ist seit mehr als 40 Jahren Verleger. Die Marktmacht von Amazon ist ihm ein Dorn im Auge. Deshalb will er kleinen Verlagen helfen – mit einer Software, die alle Arbeitsschritte vereint. "Wir decken den ganzen Workflow ab: Buchidee, Datenverwaltung, Vertrieb, Lagerung und Auslieferung", sagt von Westarp.
Die Software lasse sich webbasiert nutzen. Sie verwalte alle entscheidenden Metadaten, mit denen die Verlage umgehen müssen. "Die müssen für Nachdrucke hinterlegt sein", sagt von Westarp. Außerdem biete die Software Schnittstellen für den eigenen Onlineshop der Verlage und für fremde Shops.
Neben Software bietet booxboo.de in Hohenwarsleben auch Infrastruktur an: Lagerung, Versand und Rechnungserstellung. An dem Projekt haben vier Menschen gearbeitet, 200.000 Euro hat von Westarp investiert.
Jetzt ist er auf Investorensuche. Sein Geschäftsmodell: Lizenzen für die Nutzung der Software zu verkaufen. "Das fängt bei monatlich 29 Euro für bis zu zehn Buchtitel an", sagt von Westarp. Außerdem würden branchenübliche Gebühren für Lagerung und Handling anfallen.
30 Verlage sind bereits Kunden, weitere Gespräche führt er seit der Leipziger Buchmesse. "Ab 300 Verlage rechnet sich das Ganze", sagt von Westarp, der lange ehrenamtlicher Bürgermeister in Hohenwarsleben war.
MDR (Marcel Roth)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. August 2023 | 10:40 Uhr
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