Hilfe für Problemfälle Hundetrainer aus Wittenberg macht aggressive Tiere wieder gesellschaftsfähig
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07. Februar 2025, 19:40 Uhr
In Sachsen-Anhalt sind etwa 180.000 Hunde angemeldet. Um 60 Prozent ist ihre Zahl in nur sechs Jahren gestiegen. Doch hinter der Statistik verbergen sich auch traurige Geschichten. Viele neue Hundehalter kommen mit den Tieren nicht klar. Diese landen dann verängstigt im Tierheim, sind meist verhaltensauffällig und aggressiv. Im Wittenberger Tierheim wird versucht, mit diesen Hunden zu arbeiten. Dazu wurde sogar ein Hundetrainer engagiert.
Catrin Rhode nennt sie Langzeitsitzer. Das sind Hunde, die schon mehrere Jahre im Wittenberger Tierheim zubringen und kaum Chancen haben, ein neues Zuhause zu finden. Es sei jammerschade, erzählt die Leiterin des Tierheimes und ausgebildete Tierpflegerin, denn die Hunde hätten keine Schuld an ihrem Schicksal.
Es seien fast immer die Halter. Gar nicht so wenige würden sich rein aus optischen Gründen für einen Hund entscheiden, dann einen großen, kräftigen Gesellen aus Rumänien holen und dann feststellen, dass sie mit dem Tier völlig überfordert sind.
Tierheim-Leiterin Rhode: "Langzeitsitzer will kein Mensch"
Häufig wird der Vierbeiner schnell wieder abgeschoben. Entweder irgendwo angebunden und alleingelassen oder bestenfalls im Tierheim abgegeben. Zurück bleiben meist völlig verängstigte und damit häufig auch aggressive Tiere. "Die Hunde merken schnell, wenn ich die Lefzen hochziehe und knurre, dann halte ich mir die Menschen vom Leib, die mir zuwider sind. Solch ein Verhalten funktioniert meistens, wird ritualisiert und dann probiere ich es weiter."
Deshalb reagieren solche Hunde fast immer ähnlich auf alles Fremde: sie bellen, drohen mit gefletschten Zähnen – egal ob Fußgänger, Radfahrer oder Mütter mit ihren Kinderwagen vorbeikommen. "Solch ein Verhalten macht natürlich eine Vermittlung äußerst schwer", sagt Wittenbergs Tierheimchefin Rhode. "Wir wollen aber die Hunde vermitteln. Sie sollen wieder in ein Umfeld kommen, das sie verdienen, Teil einer Familie werden. Langzeitsitzer will kein Mensch."
Auffällige Hunde sollen resozialisiert werden
Deshalb setzt das Tierheim, das sich auch aus Spenden finanziert, auf ein Resozialisierungsprogramm für verhaltensauffällige Tiere. Die Pfleger wurden geschult und trainieren mit den Hunden, bringen ihnen die Grundkommandos, das Leine-Gehen und das Tragen eines Maulkorbes bei, um ihnen damit die Furcht vor Menschen zu nehmen.
Außerdem gibt es viele Ehrenamtliche aus Wittenberg und Umgebung, die mit den Vierbeinern täglich Gassirunden drehen – auch das baut Ängste ab und senkt das Aggressionspotential. "Die müssen Umweltreize besser verkraften. Viele Hunde sind draußen völlig überfordert, haben Probleme mit Joggern, Autos und und und", sagt Rhode.
Doch das Tierheim, das jährlich etwa 160 Hunden einen sicheren Ort bietet, kümmert sich auch um andere Tiere wie Katzen, Vögel und Exoten. Deshalb hatte sie schon lange die Idee, sich Hilfe zu holen, erzählt Rhode.
Hundetrainer setzt auf Gruppentherapie
Einmal pro Woche arbeitet deshalb ein Hundetrainer im Tierheim. Der Mann heißt Oliver Kluge und hat in den vergangenen Jahren etwa 300 Hunde betreut. Der 39-Jährige wirkt ruhig und besonnen. Und das überträgt sich auch auf die Vierbeiner. "Wir brauchen Geduld, Geduld, Geduld. Bei vielen Menschen ist die Aufmerksamkeitsspanne extrem gesunken. Am besten schnell und gestern. Diese Geduld müssen wir wiederfinden. Die Hunde haben zum Teil doofe Sachen erlebt und diese müssen wir wieder rauskriegen."
Wir brauchen Geduld, Geduld, Geduld.
Als Neuerung hat Kluge durchgesetzt, dass eine Gruppentherapie stattfindet. Die durchaus schweren und starken Hunde werden gemeinsam laufen gelassen. Bei Konflikten geht der Hundetrainer sofort resolut dazwischen. Die Nähe zu Artgenossen sei wichtig für das Sozialverhalten, sagt der Wittenberger.
Deshalb stellt er auch Alltagssituationen nach, auch wenn diese für die Hunde zunächst Stress bedeuten. Da kommt ein Fahrradfahrer klingelnd vorbei, Kindergeschrei ist zu hören oder eine Schaufel wird dröhnend über die Pflastersteine geschoben. "Daran müssen sich die Tiere gewöhnen. Das geschieht durch Wiederholung, also Schritt für Schritt. Wichtig ist auch, dass der Hundehalter dem Tier dabei den nötigen Halt gibt. Die Hunde müssen wieder Vertrauen finden", sagt Kluge.
Tierheim Wittenberg für Arbeit mit Preis ausgezeichnet
Es sei aber alles andere als einfach, aus verhaltensauffälligen Tieren familientaugliche Fellnasen zu machen. "Jeder, der sich für solche Hunde interessiert, muss wissen, was auf ihn zukommt. Ins Tierheim kommen, nach zwei Wochen einen Hund mitnehmen, das funktioniert fast nie." Deshalb gebe er auch keine Erfolgsgarantie ab. Denn jeder Hund sei ein Individuum und damit anders, sagt Kluge. Allerdings gebe es viele Familien, die mit einem ehemals verhaltensauffälligen Tierheim-Hund glücklich geworden sind.
Für sein Engagement wurde das Wittenberger Tierheim bereits mit dem zweiten Platz beim Tierschutzpreis Sachsen-Anhalt ausgezeichnet.
MDR (André Damm, Marius Rudolph)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSEN-ANHALT HEUTE | 07. Februar 2025 | 19:00 Uhr
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