"Verfehlte Wirtschaftspolitik" Sparmaßnahmen: SKW Piesteritz schließt sein Science Center in Wittenberg
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13. Januar 2025, 06:21 Uhr
Der Düngemittelhersteller SKW in Wittenberg-Piesteritz schlägt seit Monaten Alarm. Das Unternehmen könne nicht mehr kostendeckend arbeiten, weil die Energiepreise und steuerlichen Abgaben zu hoch seien. Und diese schwierige wirtschaftliche Situation hat auch Folgen für Wittenberg und Umgebung – denn SKW gehörte jahrelang zu den Wohltätern der Region. Damit scheint es vorerst vorbei zu sein.
- SKW in Wittenberg-Piesteritz muss sparen und schließt sein Aushängeschild: Das Museum "Futurea".
- Der Landrat und Oberbürgermeister von Wittenberg finden, dass die Wirtschaftspolitik verfehlt ist. Sie haben mehrere Protestbriefe an den Bundeswirtschaftsminister verfasst.
- Trotz Problemen: Entlassungen stünden nicht auf der Tagesordnung.
Die markante Villa mit dem stolzen Rennaissancegiebel am Wittenberger Marktplatz ist seit einigen Wochen nur noch sporadisch geöffnet. Wenn Schulklassen frühzeitig einen Besuch ankündigen, wird die Tür des prachtvollen Bauwerkes noch aufgeschlossen, alle anderen Interessierten bleiben außen vor.
Dabei sollte der Gebäudekomplex, der das Science-Center "Futurea" beherbergt, das Aushängeschild der Stickstoffwerke sein. Ein Museum, das sich auf mehreren Etagen mit den vielfältigen Möglichkeiten der Chemie beschäftigt: modern, anschaulich, interaktiv. SKW ließ eigens dafür heruntergekommene Bürgerhäuser sanieren – Geld schien keine Rolle zu spielen. Es ist in der Lutherstadt kein Geheimnis, dass ein zweistelliger Millionenbetrag geflossen ist.
Große Bedeutung des SKW: Niemand hätte das infrage gestellt
Nun ist das Museum fast immer geschlossen, um Personal zu sparen. Carsten Franzke, der Geschäftsführer der Stickstoffwerke, spricht von einem bitteren, aber notwendigen Schritt. Man müsse inzwischen überall sparen, sagt er. "Wir stehen als Unternehmen vor einer Situation, dass wir absolut nicht wettbewerbsfähig sind. Die Wirtschaftlichkeit steht in Frage. Kurzfristig müssen wir damit umgehen und das heißt: die Kosten optimieren. Dazu gehört leider das Futurea."
Wir stehen als Unternehmen vor einer Situation, dass wir absolut nicht wettbewerbsfähig sind. Die Wirtschaftlichkeit steht in Frage.
Dass die Stickstoffwerke derart auf die Ausgabenbremse treten, ist für die Wittenberger neu und ungewohnt. In den vergangenen Jahren hat die Lutherstadt stark vom Düngemittelgiganten im Stadtteil Piesteritz profitiert. SKW verdiente mit der Herstellung von Ammoniak und Harnstoff gutes Geld und gab einen Teil der Gewinne zurück.
In guten Zeiten zahlte das Unternehmen 20 bis 30 Millionen Euro pro Jahr Gewerbesteuer. Nutznießer: die Stadt Wittenberg. Außerdem investierte SKW viel Geld im Umfeld – in Piesteritz wurde ein Ärztehaus, eine Bildungsakademie, eine Werksfeuerwehr und mehrere Kindergärten gebaut – die Einrichtung immer auf dem neuesten Stand. Dazu wurde viel Geld gespendet: für die Kinderklinik, für die Digitalisierung von Schulen und für Kulturveranstaltungen. Kaum jemand im Landkreis Wittenberg würde die immense Bedeutung der Stickstoffwerke in Frage stellen.
Landrat und OB: Der Bund muss endlich begreifen, was wir für Juwelen im Land haben
Deshalb werden Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) und Landrat Christian Tylsch (CDU) nicht müde, vor den Folgen einer verfehlten Wirtschaftspolitik zu warnen. Für Zugehör sei es schwer nachvollziehbar, dass ein gut funktionierendes Unternehmen derart in den Abwärtssog geraten ist. Er sagt, hier hätte man schon lange gegensteuern können.
Er selbst habe mehrere Protestbriefe an den Bundeswirtschaftsminister verfasst. Auch Landrat Tylsch spricht von hausgemachten Problemen. "Der Bund muss endlich begreifen, was wir für Juwelen im Land haben. Stattdessen betreiben wir einen Irrsinn und gefährden unsere Wirtschaftsstandorte."
Personalabbau bei SKW vorerst ausgeschlossen
Die Stickstoffwerke sind ein Traditionsunternehmen und zählten schon zu DDR-Zeiten zu den größten Arbeitgebern in Wittenberg. Heute sind hier 860 Mitarbeiter beschäftigt. Etliche hundert Jobs kommen noch dazu, da viele andere Unternehmen eng mit SKW zusammenarbeiten.
Entlassungen stehen nicht auf der Tagesordnung und wir arbeiten daran, dass das so bleibt. Aber wir müssen die nächsten Monate überstehen.
Carsten Franzke, der deutlich wie nie von einer schwierigen wirtschaftlichen Situation spricht, schließt aktuell einen Personalabbau aus. "Entlassungen stehen nicht auf der Tagesordnung und wir arbeiten daran, dass das so bleibt. Aber wir müssen die nächsten Monaten überstehen."
Und da richtet sich auch ein banger Blick nach Tschechien. Denn SKW gehört zum Agrofert-Konzern des Milliardärs und früheren Regierungschefs Andrej Babis. Die Frage ist, wie lange man in Tschechien Geduld hat, bis es in Deutschland wieder aufwärts geht.
MDR (André Damm, Maximilian Fürstenberg)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 12. Januar 2025 | 12:00 Uhr
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