Treffen von Ministerpräsidenten und Kanzler Vor Kanzlerbesuch: Katerstimmung und Sorgen bei den Menschen in Wittenberg
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19. Juni 2024, 10:22 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist am Dienstag in Wittenberg mit den Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer zusammengekommen. Themen waren die flächendeckende medizinische Versorgung sowie die Wirtschafts- und Energiepolitik. Auch sollte über die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahlen und damit über den Rechtsruck in Deutschland gesprochen werden. Welche Themen die Menschen in der Lutherstadt bewegen – ein Stimmungsbild vor dem Treffen.
- Ein Wittenberger beklagt, von Deutschlands früherer Kreativität in der Wirtschaft sei nur noch wenig zu spüren.
- Eine Frau klagt über die steigenden Pflege-Kosten.
- Viele Menschen in Lutherstadt Wittenberg beschäftigen auch die Kriege in der Ukraine und in Gaza.
Wittenberg nach dem traditionellen Stadtfest "Luthers Hochzeit": Reinigungs-Maschinen kärchern die Straßen sauber, Gerüste und Buden werden abgebaut. Überall hämmert und klopft es. Am Tag danach sind diejenigen Wittenberger, die drei Tage bei der Mittelalter-Sause dabei waren, noch etwas in Katerstimmung. Dass der Bundeskanzler und die ostdeutschen Ministerpräsidenten in die Lutherstadt kommen, wissen die meisten nicht. Aber dass in der Politik derzeit eine Menge schiefläuft, darüber will fast jeder etwas erzählen.
Ein Mann zum Beispiel, der ein kleines Handelsunternehmen führt und keine Mitarbeiter findet: Er beklagt, dass es sich in Deutschland offenbar nicht mehr lohnt, fleißig zu sein. "Es werden mehr diejenigen belohnt, die nicht arbeiten gehen wollen und die herkommen, um sich Sozialleistungen zu erschleichen". Früher dagegen sei Deutschland kreativ gewesen, eine Wirtschaftsmacht. Davon sei heute nur noch wenig zu spüren.
Einzelhandel unter Druck
Die Verkäuferin in einem Schuhgeschäft räumt gerade die Regale ein. Im Laden ist niemand. Sie zuckt mit den Schultern. Die Online-Konkurrenz sei einfach zu stark, erzählt sie, außerdem sei die Kaufkraft gesunken. Dann berichtet sie von ihrer Mutter, deren Pflegeheim-Platz extrem teuer geworden sei.
"Wir zahlen 3.000 Euro monatlich zu. Und das ist die Generation, die Deutschland aufgebaut hat." Schon lange frage sie sich, wer ihre Generation einmal pflegen wird und ob man das noch bezahlen kann. Langsam füllt sich die Innenstadt, doch der Laden bleibt leer. Die vorbeiziehenden Touristen, viele kommen aus den USA, haben selten Zeit für Shopping.
Probleme bei der Gesundheitsversorgung
Am Ärztehaus kommt ein Mann aus der Apotheke. Seine Papiertüte ist voll mit Medikamenten. Er beklagt, dass es nicht sein könne, so lange auf Arzttermine warten zu müssen. Dabei habe er es als Privatpatient noch besser erwischt als viele andere.
Eine ältere Frau mit Rollator schildert, dass sie sich oft 50 Kilometer und mehr fahren lassen muss, wenn sie einen Facharzt benötigt. Auch die bevorstehende Fusion von Krankenhäusern mache ihr Sorgen.
Kriege machen Sorgen
Viele Wittenberger, so macht es den Eindruck, machen für all die Probleme die Ampel-Regierung verantwortlich – und natürlich Kanzler Olaf Scholz (SPD), der am Dienstag die Lutherstadt besucht. "Der muss weg. Der Mann ist unfähig. Die ganze Ampel-Regierung macht Deutschland kaputt," regt sich Harry Ruhland auf. "Ja, ich stehe dazu. Schreiben Sie ruhig meinen Namen auf. Mit der Ampel kann es nicht weiter gehen. Nehmen wir mal den Ukraine-Krieg. Irgendwann muss Schluss sein. Wir können nicht beeinflussen, was dort passiert, aber wir müssen finanziell den Kopf dafür hinhalten."
Der Krieg in der Ukraine bleibt ein großes Thema auf den Straßen der Lutherstadt, aber auch der Konflikt in Gaza. Eine 18-Jährige macht sich Sorgen um ihre Zukunft. "Man ist sich unsicher, was aus den Kriegen wird. Dann denkt man sich, wie lange dauert es noch, bis das hier mal eskaliert." Die Bundesregierung mache da zu wenig, rügt Rentner Detlef Bormann. "Der Russe hält lange durch und jeden Tag sterben Menschen. Ich vermisse hier diplomatische Lösungen."
Die Fülle an Problemen habe auch zum Höhenflug der AfD geführt, vermuten viele Wittenberger und zeigen dafür Verständnis. Ein älterer Mann spricht von einem Denkzettel. "Die AfD hat ein gutes Gespür dafür, all den Ärger aufzunehmen und weiterzugeben. Damit gewinnen sie Wähler, obwohl sie selbst keine Lösungen haben." Lachend verabschiedet er sich. Er sei aber schon 80 Jahre, da sollen sich andere darum kümmern.
Kanzler Scholz und die ostdeutschen Ministerpräsidenten, sie werden in Lutherstadt Wittenberg viel zu bereden haben.
MDR (André Damm, Christian Franke), zuerst veröffentlicht am 18.06.2024
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | Nachrichten | 18. Juni 2024 | 08:10 Uhr
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