Ehrenamtliches Engagement Elke Naujokat aus Jessen hilft krebskranken Frauen: Gemeinsam Lachen, gemeinsam Weinen

04. Februar 2023, 12:29 Uhr

2002 die Diagnose: Brustkrebs. Chemotherapie. Haarausfall. Der Verlust der linken Brust. Nach überstandener Erkrankung fasste Elke Naujokat aus Jessen einen Entschluss: Sie wollte anderen Frauen mit ihrem Lebensmut helfen – und engagierte sich ehrenamtlich bei der Frauenselbsthilfe Krebs. Eine Geschichte über die Kraft des Miteinanders und Grenzerfahrungen.

MDR San Mitarbeiter Daniel George
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Manchmal reicht nur ein Moment, um das ganze Leben zu verändern. So war es 2002 bei Elke Naujokat. Diagnose Brustkrebs. Amputation der linken Brust. Chemotherapie. Haarausfall. "Alles, was dazu gehört", sagt die heute 66-Jährige im Blick zurück. "Das war im ersten Moment natürlich ein Schock."

In einer Klinik für Krebspatienten tat die Frau aus Jessen dann das, was sie schon immer getan hatte: sich um andere kümmern. Sie hörte zu, gab anderen mit ihrem Mut wieder Hoffnung. "Ich bin einfach ein optimistischer Mensch", sagt sie. "Es gab nur den Weg nach vorne. Ich hatte keine bösen Gedanken, dass ich durch die Krankheit mein Leben verlieren könnte."

Eines Tages, während Elke Naujokat einer anderen Krebspatientin im Gespräch am Krankenbett gerade Lebensmut zusprach, stand plötzlich der Stationsarzt in der Tür. Er lauschte eine Weile. Und sagte schließlich zu ihr: "Frau Naujokat, sie gehören in die Selbsthilfe!"

Das war einer dieser Momente, der ihr Leben verändern sollte.

Den Landesverband am Leben gehalten

Es dauerte drei Jahre, bis Elke Naujokat die Empfehlung des Arztes zur Wirklichkeit werden ließ. 2005 war ihre Therapie beendet. Danach schloss sie sich der Frauenselbsthilfe Krebs an. Erst in der Ortsgruppe Jessen, ein Jahr später dann bereits als Landesvorsitzende.

Der Landesverband sei damals kurz vor der Auflösung gewesen, der bisherige Vorstand geschlossen zurückgetreten, erzählt Naujokat. Aber: "Es konnte aus meiner Sicht nicht sein, dass Frauen, die an Krebs erkrankt sind, nicht mehr wissen, wohin sie sich wenden können."

Also engagierte sie sich. Weitere ehrenamtliche Vorstandsmitglieder fanden sich. "Wir haben den Verband am Leben gehalten und stabilisiert", sagt Elke Naujokat. Und: "Ich habe gemerkt, dass es anderen Betroffenen gut getan hat, wenn ich versucht habe, ihnen meine Einstellung zu der Krankheit und dem Leben an sich zu vermitteln."

Auffangen, informieren, begleiten

Inzwischen gibt es elf Ortsgruppen der Frauenselbsthilfe Krebs in Sachsen-Anhalt. Zwei weitere befinden sich aktuell in Gründung. 25 Mitglieder zählen zusammengerechnet zu dem Verein. An den regelmäßigen Sitzungen der Ortsgruppen nehmen weit mehr Frauen teil, aber: "Das sind eben keine Mitglieder des Vereins", erklärt Elke Naujokat. "Manche sind auch nur ein paar Mal dabei und kommen dann nicht mehr. Oder sie holen sich einmalig einen Ratschlag. Das ist auch alles vollkommen in Ordnung. Dafür sind wir da."

Das Motto des Vereins: auffangen, informieren, begleiten. In welchem Maß, das bestimmt jede Frau individuell. "Viele sind gerade am Anfang der Krankheit noch nicht bereit dazu, müssen sich erst selbst finden", sagt Naujokat. "Das ist bei jeder unterschiedlich. Wichtig ist einfach nur, dass sie wissen, dass es uns gibt."

Und das ist auch eine Errungenschaft der vergangenen Jahre, auf die Elke Naujokat stolz ist: die größere Sichtbarkeit der Frauenselbsthilfe Krebs in Sachsen-Anhalt. "Wir arbeiten unter anderem eng mit den Krankenkassen und der sachsen-anhaltischen Krebsgesellschaft zusammen", sagt Naujokat. "Jede Frau, die beispielsweise nach einer Brustkrebs-OP aus einer Klinik entlassen wird, erhält mit der Entlassung auch einen Flyer von uns und ist über unser Angebot informiert."

Über Grenzen wandern

In den Ortsgruppen berichten Betroffene von ihren Erfahrungen. Die Frauen tauschen sich aus, geben sich Hinweise. "Wir begegnen uns alle auf Augenhöhe. Wir sind alle betroffen. Das ist unsere Basis", sagt Elke Naujokat. Nur: "Medizinische Ratschläge gibt es bei uns nicht", stellt sie klar. Dafür werden dann aber immer wieder beispielsweise Ärzte oder Physiotherapeuten für Fachvorträge und Fragen eingeladen.

Ein Projekt, das Elke Naujokat besonders am Herzen liegt: die jährliche Wanderung mit allen Mitgliedern, meist durch den Harz, immer mehrere Tage lang. Im Mai dieses Jahres wandern die Frauen zum zehnten Mal miteinander. "In all diesen Jahren gab es viele Momente, in denen wir zusammen gelacht und auch geweint haben", sagt Naujokat. "In solchen Situationen, wenn du gemeinsam an deine Grenzen gehst und das Erlebte mit der Krankheit noch einmal Revue passieren lässt, kommen die Emotionen hoch."

Das Ansinnen der Wanderung: "Wir wollen zum einen zeigen, was wir als Frauenselbsthilfe Krebs alles veranstalten und zum anderen vor allem, was an Krebs erkrankte Frauen alles schaffen können", sagt Elke Naujokat. "Man lernt einfach, dass man mit Krebs ein sehr gutes, erfülltes Leben führen kann und dass man nicht immer Gedanken an diese böse Krankheit haben muss, sondern dass man mit Gleichgesinnten einen Weg beschreiten kann, der lebenswert ist."

Bodypainting und Wünsche an die Politik

Zum 30-jährigen Bestehen des Landesverbandes Frauenselbsthilfe Krebs ließen sich die Mitglieder im vergangenen Jahr etwas Besonderes einfallen: Im Rahmen einer Bodypainting-Aktion wurden zwölf Frauen, allesamt Mitglied in dem Verein, von einer Künstlerin bemalt. Die Motive hatten für jede der Frauen eine persönliche Bedeutung.

Die Ergebnisse werden im Rahmen einer Wanderausstellung in Krankenhäusern oder Reha-Einrichtungen gezeigt, um auf die Frauenselbsthilfe Krebs aufmerksam zu machen. Außerdem ist ein Kalender entstanden.

Elke Naujokat hofft, dass die Wanderausstellung auch noch im Gesundheitsministerium und dem Landtag künftig Station macht. Denn: "Auch die Politik muss sehen, was wir machen. Das hilft, den Blickwinkel für bestimmte Dinge zu schärfen."

Ihre Wünsche an die Politik: "Viele Patientinnen waren in den vergangenen Monaten von Medikamenten-Knappheit betroffen. Das muss geregelt werden. Außerdem hoffe ich, dass das Ehrenamt gestärkt wird. Und die psychoonkologische Versorgung muss in der Fläche noch besser werden."

"Auch ein weinendes Auge dabei"

Der Weg von Elke Naujokat als Landesvorsitzende der Frauenselbsthilfe Krebs in Sachsen-Anhalt endete im vergangenen Jahr. Nach 16 Jahren im Amt. Freiwillig. "Sicherlich war da auch ein weinendes Auge dabei", gibt die 66-Jährige zu, aber: "Es war der richtige Zeitpunkt, um die Nachfolge entsprechend zu sichern. Außerdem bin ich ja nicht aus der Welt."

Inzwischen gehört Elke Naujokat zum Bundesvorstand des Vereins Frauenselbsthilfe Krebs. Außerdem ist sie weiterhin in der Ortsgruppe Jessen engagiert. "Dann bin ich hier noch im Heimatverein, bin außerdem Mutter und Oma, und das alles mit Herzblut", erzählt Naujokat, die vor ihrer Rente zuletzt als Flüchtlingsbetreuerin gearbeitet hat.

Welche Momente ihr aus der Zeit als Landesvorsitzende der Frauenselbsthilfe besonders im Gedächtnis bleiben werden? "Es gab zwei sehr traurige Momente", sagt sie zunächst. "Ich habe zwei Mitstreiterinnen, die auch im Vorstand waren, durch eine Krebserkrankung verloren. Beide habe ich an ihrem vorletzten Tag noch besucht. Das hat mich geerdet. Denn obwohl man gesagt bekommt, man ist nach fünf Jahren wieder gesund, stimmt das nicht zu einhundert Prozent. Bei den beiden kam die Erkrankung auch wieder. Du hast den Krebs also auch nach einer langen Zeit noch im Hinterkopf. Bei mir ist das verblasst. Aber wenn ich einmal im Jahr zur Nachsorge gehe, bin ich doch emotional – aufgrund solcher Erlebnisse in dem Bewusstsein, dass es immer wiederkommen kann."

Doch was überwiegt, sagt Elke Naujokat, seien die schönen Erinnerungen. An die Momente, in denen sie Menschen helfen konnte – und vielleicht sogar ein paar Leben, zumindest Situationen zum Besseren verändern konnte. Elke Naujokat sagt: "Wenn die Leute mir nach den Gesprächen einfach nur Danke gesagt haben, dass es uns gibt, dann war das immer das Schönste für mich."

Weltkrebstag Der Weltkrebstag, der seit dem Jahr 2000 jeweils am 4. Februar stattfindet, ist eine globale Initiative unter der Leitung der Union for International Cancer Control (UICC). Ziel sind unter anderem die Schärfung des weltweiten Bewusstseins, die Verbesserung der Aufklärung und das Ergreifen von Maßnahmen, damit der Zugang zu lebensrettender Krebsbehandlung und -versorgung weltweit gerecht ist wird.

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MDR (Daniel George)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. Februar 2023 | 09:00 Uhr

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