Veterinäramt kennt den Fall Protest wegen mutmaßlich verwahrloster Tiere in Brehna
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30. Januar 2025, 10:34 Uhr
Erneut ist ein möglicher Fall von verwahrlosten Tieren bekannt geworden. In Brehna haben Anwohner das Veterinäramt informiert. Das sah sich mehrfach vor Ort um. Nun haben die Behörden reagiert. Doch der Konflikt schwelt weiter – mehr als 700 Unterschriften wurden in Brehna und in umliegenden Orten innerhalb weniger Tage gesammelt.
- In Brehna bei Bitterfeld haben Anwohner das Veterinäramt auf einen Halter aufmerksam gemacht, der mutmaßlich seine Tiere verwahrlosen lässt.
- Doch die Behörde beurteilt die Zustand Tiere als gut und hat bisher nicht auf die Anzeigen reagiert.
- Der Landkreis hat dem Halter mehrere Auflagen erteilt.
An dem Haus in Brehna (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) fährt man vorbei, wenn man es nicht weiß. Es ist eine Ruine, seit Jahren ohne Dach. Dort lebt der Halter der Tiere. Seinetwegen laufen die Brehnaer Sturm. Unter den Latten des Dachstuhls wohnt der inzwischen 18 Jahre alte Sohn des Hausbesitzers – ebenfalls seit Jahren. Weder das noch die sich mehr oder weniger selbst überlassenen Tiere hatten bisher Konsequenzen. Wie viele Tiere in der Ruine leben, vermag niemand zu sagen. Die Nachbarn reden von zwei großen Kaukasen – Herdenschutzhunden – die ständig in einem kleinen Raum des Hauses gehalten werden.
Schafe, Ziegen, Kaninchen, Hühner und Katzen leben auf dem Grundstück, im Schlamm und Mist zwischen riesigen Stapeln Gerümpels. Ratten huschen unter Europaletten durch. Sie freuen sich über Futterreste und viele Unterschlupfmöglichkeiten. Nachbarin Antje Günther und ihr Sohn Max beklagen, dass sie seit Jahren das Gesundheitsamt darauf hinweisen, dass sich etliche Ratten auch auf ihrem Grundstück tummeln. "Uns wurde gesagt, von denen gehe keine Gefahr aus, deshalb werde nichts unternommen", erzählt Antje Günther. Max Günther ergänzt, er habe Rattengift auslegen wollen, der Nachbar habe ihm aber mit einer Klage gedroht, falls dadurch seine Tiere vergiftet würden.
Mehrere Anzeigen gegen Halter seit Dezember
Anett Spitzbarth hat sich noch vor Weihnachten zum ersten Mal an das Veterinäramt des Landkreises Anhalt-Bitterfeld gewandt. Zwei tote Tiere lagen damals auf dem Gelände, die anderen Tiere seien unversorgt gewesen, erinnert sie sich, hätten keinen Unterstand gehabt. Die neugeborenen Lämmer hätten keine Möglichkeit, sich vor Kälte und Regen zu schützen. Weitere Anzeigen folgten, unter anderem wegen eines kranken Schafes, das nach einer Totgeburt nicht ausreichend tierärztlich versorgt wurde.
Eine Antwort erhielt Anett Spitzbarth nicht. Als sie im Veterinäramt anrief, wurde sie beschwichtigt. Falls die Tiere über Weihnachten unversorgt blieben, solle sie anrufen. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT antwortete der Landkreis, dass der Brehnaer seit acht Jahren Tiere halte. Am 23. Dezember sei eine Anzeige eingegangen, dass die Tiere nicht mit Futter und Wasser versorgt würden. Dem seien mehrere Anzeigen aus dem gleichen Personenkreis gefolgt. Pro Jahr gebe es zwei bis drei Anzeigen von Nachbarn.
Veterinäramt: Tiere sind gut versorgt
Spitzbarth kritisiert, dass sie nie eine Reaktion auf ihre Anzeigen erhalten habe. Auch andere Brehnaer hätten sich beim Amt beschwert. Das, so geht es aus der Antwort des Landkreises hervor, habe am 25. Dezember, am 30. Dezember, am 3. und am 21. Januar Vororttermine wahrgenommen. "Die Behauptung der Nichtversorgung der Tiere ohne Wasser und Futter konnte dabei nicht bestätigt werden. Die wiederholt angezeigte Gefahr im Verzug bestand daher nicht", antwortet der Landkres auf Anfrage des MDR. Weiter heißt es: "Es wurden aber andere Verstöße gegen tierseuchenrechtliche und tierschutzrechtliche Vorschriften festgestellt."
Die Behauptung der Nichtversorgung der Tiere ohne Wasser und Futter konnte dabei nicht bestätigt werden.
Landkreis nimmt Tiere in Obhut Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld hat die verwahrlosten Tiere inzwischen in seine Obhut genommen. Das teilte die Kreisverwaltung am Mittwoch mit. Demnach wurde dem Besitzer der Tiere die Haltung von Schafen, Ziegen und Kaninchen bereits Mitte Januar untersagt. Er sei aufgefordert worden, den Bestand aufzulösen. Da das nicht passiert sei, habe der Landkreis die Tiere am Mittwoch sichergestellt und untergebracht. Nun folgten weitere verwaltungsrechtliche Schritte gegen den Tierhalter.
Der Ernährungszustand der Tiere wurde demnach als gut eingeschätzt. Anett Spitzbarth weist darauf hin, dass Betreiber eines Gnadenhofes den Tieren zwei große Ballen Heu in das Gehege geworfen hätten. Nur deshalb hätten die Tierärzte die Schafe versorgt vorgefunden. Ansonsten hätte der Sohn lediglich am Straßenrand Gras gerupft, um es den Tieren hinzuwerfen. Noch vor einem halben Jahr hätten fast 60 Schafe und Ziegen auf dem Grundstück gelebt – jetzt seien es noch etwa zehn. Wo die anderen Tiere geblieben seien, könne Spitzbarth nur vermuten.
Anwohner kümmern sich um krankes Lamm
"Ich war schockiert von der Reaktion des Veterinäramts", berichtet sie. "Der desolate Zustand hält seit Wochen an. Die Nachbarn erzählen, dass er Ziegen im Hof hält, die verletzt sind. Auch tote Ziegen lagen herum". Sie selbst zeigt Fotos von toten Lämmern. "Wir haben noch bis letzte Woche um ein Lamm gekämpft, haben beobachtet, wie es immer schwächer wurde und total apathisch war. Es hat gezittert. Heute ist es nicht mehr da."
Wir haben noch bis letzte Woche um ein Lamm gekämpft, haben beobachtet, wie es immer schwächer wurde und total apathisch war. Heute ist es nicht mehr da.
Anett Spitzbarth vermutet, dass dieses Lamm gestorben ist. Von den insgesamt sechs oder sieben Lämmern seien nur noch zwei da. Dass Tierärzte hier keine Verwahrlosung beanstandet haben, können sie und die anderen Anwohner, die sich am Grundstück treffen, nicht nachvollziehen. Sie bezweifeln, dass die Vertreter des Amts das Haus betreten haben, in dem vermutlich noch mehr Tiere untergebracht sind.
Landkreis hat dem Halter der Tiere Auflagen erteilt
Laut Landkreis wurden dem Tierhalter verschiedene Auflagen erteilt. Er sei aufgefordert worden, die Vermüllung zu beseitigen, was der 18-jährige Sohn zum Teil erledigt habe. Außerdem solle ein provisorischer Stallbau entfernt, die Tiere gekennzeichnet und ein tierschutzgerechter Unterstand errichtet werden. Die Ziegen sollten Klettermöglichkeit erhalten und das Gehege bearbeitet werden, informiert der Landkreis.
Die Brehnaer machen weiter Druck. Sie haben erreicht, dass das bei der Geburt verletzte Mutterschaf von einem Tierschutzverein übernommen wurde und endlich tierärztlich versorgt werden konnte. Ein Versuch von MDR SACHSEN-ANHALT, mit dem Halter der Tiere selbst zu sprechen, blieb erfolglos. Auf das Klopfen an seiner Tür reagierten nur die Hunde im Haus mit lautem Bellen. Der Halter warf einen Blick durch den Briefschlitz, öffnete die Tür aber nicht.
MDR (Annette Schneider-Solis, Mario Köhne)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 28. Januar 2025 | 19:00 Uhr