Vier Personen sitzen nebeneinander und schauen in gleich aussehende Bücher. 4 min
Das Anhaltische Theater erzählt aus der Dessauer Stadtgeschichte. Mehr im Audio von Wolfgang Schilling Bildrechte: Claudia Heysel
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Das Alte Theater Dessau zeigt eine Uraufführung über Julie von Cohn-Oppenheim und ihre Familie. Dabei treffen jüdisches Leben von damals und heute in Dessau aufeinander. Wolfgang Schilling hat die Proben besucht.

MDR KULTUR - Das Radio Do 28.11.2024 15:11Uhr 04:26 min

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Vorbericht "Was bleibt": Theater über jüdisches Leben in Dessau damals und heute

29. November 2024, 12:48 Uhr

Am Anhaltischen Theater in Dessau beschäftigt sich mit einem alten wie aktuellem Thema: Antisemitismus. Das Stück "Was bleibt" wird am 29. November 2024 uraufgeführt und erzählt am Beispiel der Dessauerin Julie von Cohn-Oppenheim und ihrer Familie von jüdischem Leben in der Stadt – damals und heute. Regisseurin Carolin Millner will damit vor allem beim jüngerem Publikum Vorurteile abbauen. Ein Probenbericht.

Drei Frauen, ein Mann und eine alte Familiengeschichte. Es wird viel gesprochen und auch immer mal wieder gesungen. Das ist wichtig, denn dieser intensive Abend braucht sie, diese Momente des Durchatmens. Eine alte jüdische Volksweise, das "Trotz alledem" aus den 1848er-Revolutionszeiten, und eine Wagnerparodie gehören zum musikalischen Repertoire des Abends.

Ausgedacht und in Szene gesetzt von Carolin Millner. "Ich interessiere mich schon länger für jüdisches Leben im deutschsprachigen Raum", sagt die junge Regisseurin, die auf dem Theater gern dokumentarisch ihre fundierten Rechercheergebnisse mit fiktionalen Elementen zu einer eigenen Erzählung verknüpft. 

Vier Personen in beigen Kleiden stehen nebeneinander.
Mit nur einem vierköpfigen Ensemble wird in Dessau eine ganze Familiengeschichte nacherzählt. Bildrechte: Claudia Heysel

Stück über wichtige Familie der Dessauer Stadtgeschichte

Und genau so ein Stück hat nun auch das Dessauer Theater bei ihr in Auftrag gegeben. Bei ihren Recherchen ist Carolin Millner auf Julie von Cohn-Oppenheim gestoßen, die sie zur zentralen Figur ihres Stücks machte. Das einzige Kind einer jüdischen Bankiersfamilie, die im 19. Jahrhundert in Dessau lebte und es zu etwas gebracht hatte. Der Vater avancierte sogar zum Hofbankier in Berlin.

Reich waren sie, doch sie wussten auch abzugeben, agierten als Wohltäter für die Öffentlichkeit, engagierten sich für das Wohl der Stadt und der Benachteiligten, waren von ihren Mitbürgern aber trotzdem nicht wohlgelitten. Egal, ob als Großkapitalist oder kleines Kind, ihnen wehte immer und überall mehr als nur ein Hauch von Ablehnung entgegen.

In einer Zeit, in der der Eindruck entsteht, viele würden nur Ich, Ich, Ich denken, wollen wir an eine Frau erinnern, die immer gedacht hat: Wir, Wir, Wir. Aus Liebe zu ihrer Stadt Dessau hat sie sich entschieden, das Erbe ihres Großvaters und Vaters zu verteilen, hat ein Armenstift gegründet und sich so für die Gesellschaft eingesetzt.

Regisseurin Carolin Millner über Julie von Cohn-Oppenheim

Die vier Darsteller auf der Bühne spielen sich in stets wechselnden Rollen durch diese alte Geschichte, die am Ende auch etwas mit dem gerade in unseren Tagen wieder aufkommenden Antisemitismus zu tun hat.

Auf einer halbdunklen Bücher bewegen sich vier Personen mit erhobenen Armen.
Immer wieder werden auf der Bühne die Rollen getauscht und Anfeindungen nachgestellt. Bildrechte: Claudia Heysel

Bühnenbild erinnert an Palais von Cohn-Oppenheim in Dessau

Die Bühnen- und Kostümbildnerin Maylin Habig hat schon mehrfach mit Carolin Millner zusammengearbeitet. Dieses Mal hat sie einen eher abstrakten Bühnenraum auf der offenen Bühne des Alten Theaters geschaffen, der symbolisch die Fundamente des Palais freilegt, das sich Julie von Cohn-Oppenheim in Dessau bauen ließ, um darin ihren alten Traum von einem eigenen literarisch-kulturellen Salon zu verwirklichen.

Ein Haus, das sie – Ironie der Geschichte – niemals lebend betreten sollte, in dem sie aber offensichtlich nach ihrem Tod im Jahr 1903 aufgebahrt wurde. Später zog hier die Gauleitung der Nazis ein. Im Krieg schwer beschädigt, wurden seine Reste später abgetragen.

Personen in beiger Kleidung sitzen auf auf einer Bühne auf Podesten.
Das Bühnenbild in der Dessauer Nebenspielstätte bildet den Grundriss der alten Villa nach. Bildrechte: Claudia Heysel

Theater will Jugendliche mit rechtem Weltbild erreichen

Die alte Geschichte kann nun aber – trotz alledem und alledem – wie im Stück gesungen wird, wiedererzählt werden. Für wen, will ich von Carolin Millner wissen. Da zögert die junge Theaterfrau kurz und gibt eine dann doch überraschende Antwort: Sie wünsche sich Jugendliche, die sich über die Geschichte ihrer Stadt Gedanken machen.

Am liebsten wären ihr die, die mit den jetzigen Verhältnissen unzufrieden sind, Angst vor "Überfremdung" haben und sich, wie sie sagt, "eigentlich eine Arisierung wünschen". "Denn ich glaube, die anderen, die denken schon darüber nach."

Eine Person sitzt im Schatten auf einer Bühne.
Das Stück "Was bleibt" in Dessau will verschiedene Menschen erreichen. Bildrechte: Claudia Heysel

Halten wir fest: Dieses Stück ist ein Angebot, um anhand einer alten Geschichte ins Nachdenken über das Heute zu kommen. Ein Angebot für alle, in welche Richtung deren Gedanken auch immer gehen mögen. Ein Angebot, das für das Theater spricht.

Weitere Informationen zum Stück

"Was bleibt. Das Leben der Familie Cohn"
Schauspiel von Carolin Millner nach biografischen Motiven von Julie von Cohn-Oppenheim (Uraufführung)

Adresse:
Altes Theater/Studio
Anhaltisches Theater Dessau
Lily-Herking-Platz 1, 06844 Dessau-Roßlau

Termine:
29. November 2024, 19 Uhr (Premiere, ausverkauft)
30. November 2024, 19 Uhr
03. Dezember 2024, 18 Uhr
06. Dezember 2024, 19 Uhr
3. Januar 2025, 19 Uhr
6. Januar 2025, 19 Uhr
8. Januar 2025, 15 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: vp

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 28. November 2024 | 16:10 Uhr

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