Pilotprojekt Gemeinde-Notfallsanitäter in Gräfenhainichen regelmäßig im Einsatz

13. November 2023, 12:09 Uhr

In Gräfenhainichen im Landkreis Wittenberg startete im Juli ein Pilotprojekt: In Räumen des DRK sind fünf Gemeinde-Notfallsanitäter stationiert. Sie werden von der Rettungsleitstelle in Wittenberg via elektronischem Pieper informiert, um vor Ort eine medizinische Erstversorgung vorzunehmen. Damit sollen Haus-und Notärzte entlastet werden. Nach drei Monaten fällt die erste Bilanz überraschend vielversprechend aus.

Irgendwie klappt das nicht mit dem Pieper. Das kleine elektronische Gerät bleibt stumm, dabei wollte die Rettungsleitstelle in Wittenberg eigentlich ein Testsignal an Max Rodinger schicken. "Das ist der Vorführeffekt", sagte der Notfallsanitäter aus Gräfenhainichen mit einem Schmunzeln im Gesicht. Irgendwann piept es schließlich. Das sollte auch so sein, denn auf diese Weise erhalten die Gemeinde-Notfallsanitäter ihre Aufträge. Und da kommt es auf Zeit an. Per Ferndiagnose entscheiden die Experten, ob der jeweilige vermeintliche medizinische Notfall den Gemeinde-Notfallsanitätern übergeben wird oder ob sofort ein Notarztwagen ausrücken muss.

"Manchmal wundern sich die Patienten, wenn wir allein ohne Arzt kommen. Die stehen schon mit gepackten Koffern da, weil sie erwarten, gleich ins Krankenhaus gebracht zu werden. Dennoch sind die meisten froh, dass sich überhaupt jemand um sie kümmert." Max Rodinger ist vom Fach. Der 26-Jährige ist drei Jahre lang zum Notfallsanitäter ausgebildet worden – er gehört zu den Helfern, die da sind, wenn es um Leben und Tod geht.

Umfangreiche Weiterbildung

Für seine jetzige Arbeit als Gemeinde-Notfallsanitäter hat sich der junge Vater auch umfangreich weiterbilden lassen: ambulante und klinische Therapieansätze, Medikamentenlehre und Palliativmedizin. Aber er kann auch zu Suchtproblemen beraten und kennt Deeskalationsstrategien. Denn nicht alle Patienten sind nett, einige sind auch verwirrt. "Wir werden querbeet gerufen. Da hat sich jemand schwer geschnitten oder ein Bein verstaucht. Manchen ist schwindlig, sie haben Fieber." Die Prüfung, welche medizinischen Schritte einzuleiten sind, erfolge immer individuell. Drohe Lebensgefahr, würde an Ort und Stelle versorgt und gleichzeitig ein Notarzt gerufen.

Notfallsanitäter in den ersten drei Monaten 107 Mal im Einsatz

In den ersten drei Monaten des Pilotprojektes hat es laut interner Statistik 107 Notfall-Einsätze gegeben. Die Hälfte stellte sich nicht als lebensbedrohlich heraus. Der Notarztwagen musste nicht alarmiert werden.

Laut Mario Kleinschmidt, Rettungsleiter vom Deutschen Roten Kreuz im Landkreis Wittenberg, werden die Hausärzte, aber auch die Krankenhäuser entlastet. "Es ist leider so, dass die Notrufnummer 112 inflationär angerufen wird, auch wenn es nicht notwendig ist. Da grätschen wir rein. Wir werden die Leute nicht ändern, Das ist illusorisch. Aber wir machen mit den Gemeinde-Notfallsanitäter ein gutes Ersatzangebot."

Tatsächlich fällt die erste Bilanz auch aus einem zweiten wichtigen Grund vielversprechend aus. "Im Notfall sind wir jetzt schneller unterwegs. In knapp 80 Prozent der Fälle wurde die gesetzlich vorgeschriebene 12 Minuten-Rettungsfrist unterschritten. Das ist noch nicht gut, aber vorher waren wir mit einer Quote von 65 Prozent viel schlechter."

In knapp 80 Prozent der Fälle wurde die gesetzlich vorgeschriebene 12 Minuten-Rettungsfrist unterschritten. Das ist noch nicht gut, aber vorher waren wir mit einer Quote von 65 Prozent viel schlechter.

Mario Kleinschmidt, Rettungsleiter vom Deutschen Roten Kreuz im Landkreis Wittenberg

Gemeinde-Notfallsanitäter vielleicht bald auch in Annaburg oder Bad Schmiedeberg

Die Gemeinde-Notfallsanitäter in Gräfenhainichen sind jeden Tag im Einsatz, immer von 7 bis 19 Uhr. Das reiche völlig aus, findet Kleinschmidt, in den Nachtstunden würden deutlich weniger Meldungen eintrudeln. Offen ist dagegen noch, ob man das Einsatzgebiet ausdehnt, die Gemeinde-Notfallsanitäter auch in anderen Regionen des Landkreises einsetzt.

Das könnte sich jedenfalls der Wittenberger Landrat Christian Tylsch vorstellen. "Wir können das auch in Annaburg und in Oranienbaum machen oder in Bad Schmiedeberg. Das wird gerade geprüft. Insgesamt ist das Pilotprojekt ein großer Wurf. Die Zahlen sprechen eine ganz klare Sprache."

Sollte der zweijährige Modellversuch, der übrigens auch im Burgenlandkreis praktiziert wird,  weiterhin erfolgreich verlaufen, so Tylsch, könne er in das Rettungsdienstgesetz des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen werden.

MDR (André Damm, Johanna Daher) | Erstmals veröffentlicht am 11.11.2023

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. November 2023 | 08:30 Uhr

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