Konzeptkunst Neue Ausstellung in Dessau: Wie das Bauhaus religiös verehrt wird
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27. Februar 2025, 14:56 Uhr
Das Bauhaus Dessau feiert ab September sein 100-Jähriges Jubiläum. Passend dazu eröffnet bereits am Freitag eine neue Ausstellung im Werkstadtflügel des historischen Bauhauses. Dort werden immer wieder zeitgenössische Positionen gezeigt. Unter der Überschrift "Sakristei" befasst sich der in Südkorea geborene Künstler Kang Sunkoo mit der mythisch aufgeladenen Moderne und ihrer Nähe zur Religion. Zu sehen ist die Ausstellung bis Mitte Oktober.
- In der Ausstellung "Sakristei" beschäftigt sich der Künstler Kang Sunkoo mit dem historischen Erbe des Bauhauses.
- Er nutzt Fragmente aus dem Bauhaus-Kontext, um ihre religiöse Überhöhung im Raum zu inszenieren.
- Bauhaus-Direktorin Barbara Steiner möchte, dass das Bauhaus ein lebendiger Ort bleibt und nicht als Ikone behandelt wird.
Wenn die Sonne durch die weite Fensterfront des historischen Bauhauses scheint, wirkt der von Kang Sunkoo künstlerisch gestaltete Werkstattflügel geradezu sakral. Da sieht man eine Edelstahlkonstruktion – aus einer bestimmten Perspektive einem Petruskreuz ähnelnd. Und das Licht bricht sich in einer Art gläsernem Kristall: eine meterhohe aufgefächerte Skulptur aus einer Vielzahl zugeschnittener Glasscheiben. Auf deren Scheitel liegt ein historisches Glasobjekt.
Objekte im Bauhaus neu ins Licht gesetzt
Der Künstler Kang Sunkoo beschreibt das Objekt näher: Das Luxfer-Prismenglas aus der Siedlung Dessau-Törten sei ein quadratisches Objekt mit den Abmessungen 26 mal 26 Zentimeter. Dieses Bauprodukt sei genutzt worden, um Licht zu lenken: "Die Hoffnung war, dass man Tageslicht tiefer in den Raum hinein lenken kann", so der Künstler.
Das bauhistorisch interessante, aber eher unscheinbare Objekt aus der Bauhaus-Sammlung hat Kang nun wie eine Hostie in einer Monstranz inszeniert: "Monstranz" ist so denn auch der Titel des Werks. Und damit werde zugleich die Idee der Ausstellung deutlich, sagt die Stiftungsdirektorin Barbara Steiner.
Wie säkular ist das Bauhaus wirklich?
Der Titel "Sakristei" möge beim ersten Hören etwas ungewöhnlich anmuten, gibt Steiner zu: Aber in der Ausstellung erfahre man, wie viele Bezüge es tatsächlich gäbe: zwischen dem Bauhaus, das in seiner Dessauer Phase zunächst säkular, also weltlich daherkomme, "und Beziehungen hin zu religiösen Aufladungen, auch zum Glauben der BauhäuslerInnen. Also diese Verbindungen hin zur Religiosität, die ist stärker ausgeprägt, als man ahnt."
Diese Verbindungen hin zur Religiosität ist stärker ausgeprägt, als man ahnt.
Diese teils mythisch überhöhte Verehrung interessiert den 1977 in Südkorea geborenen und im Rheinland aufgewachsenen Kang, der sich immer wieder in seinen Werken mit dem historischen Erbe auseinandersetzt. Zuletzt im Humboldt Forum Berlin, nun im Bauhaus Dessau.
Ikone der Moderne: Wenn Besucher den Boden küssen
Das Bauhaus werde von Vielen sehr verehrt, erklärt Steiner den Hintergrund. Das führe dazu, dass es eine fast religiöse Überhöhung oder Ikonisierung gibt. Man spräche nicht von ungefähr davon, dass Menschen hierher pilgern. "Wir hatten auch mal einen Fall eines Besuchers aus Italien", erinnert sie sich, "der dann wie der Papst den Boden des Bauhauses geküsst hat. Das heißt, es ist Ausdruck einer tiefen Verehrung, und da ist man dann sehr nahe, auch an religiösen Themen."
Tatsächlich nennt man das Bauhaus gerne die "Ikone der Moderne", und als Welterbe gekürt, sichert man die Bewahrung dieses historischen Erbes – eine Ambivalenz, die Steiner auch mit Blick auf das Jubiläum interessiert.
Bezug zur Gegenwart nicht verlieren
"Wir möchten nicht, dass das Bauhaus sich in eine Reliquie verwandelt, sondern es soll lebendig bleiben", wünscht sich die Direktorin. Das Bauhaus solle nach wie vor Anregungen zu gesellschaftlichen Entwicklungen liefern. Das hieße eben nicht die "Verehrung bis ins Letzte treiben" und sich von gegenwärtigen Entwicklungen abkoppeln. Allerdings: "Ein bisschen Verehrung darf schon sein."
Wir möchten nicht, dass das Bauhaus sich in eine Reliquie verwandelt, sondern es soll lebendig bleiben.
Ein Gedanke, den der Konzeptkünstler Kang regelrecht wörtlich nimmt: Er bezieht sich bei seinen Installationen auf die im historischen Bauhaus verwendeten Materialen Glas, Beton und Stahl und setzt sie mit materialgleichen Objekten der Sammlung in Beziehung. Dabei wählt er keine Design-Ikonen, wie die Wagenfeldlampe, sondern eher unattraktive Elemente der von Walter Gropius geplanten Siedlung Dessau-Törten.
"Abgebrochene Objekte" erscheinen als Reliquien
"Das sind Objekte, die abgebrochen wurden", erklärt der Künstler. Kronkret handelt es sich um einen Stahlbetonträger – den Rapidbalken –, eine Zink-Sparbadewanne und ein Luxfer-Prismenglas. Er habe genau diese drei Objekte gewählt und nicht etwa einen Breuer-Stuhl, um so das Reliquienhafte zu verstärken: "weil es eben Fragmente sind. Weil es Teile waren von etwas Anderem, so wie Reliquien auch oft Körperteile sind von ehemaligen Heiligen oder heiliggesprochenen Menschen."
Tatsächlich wirken die Installationen durch die Kombination der besagten Relikte und Kangs eigenen Kreationen: So steht das Stahlkreuz in Sichtachse zur Sparbadewanne und der erwähnte Stahlbetonbalken am Boden wird umfangen von 100 aufgereihten betenden Händen.
Auch wenn die Titel der Werke einiges andeuten, sollte man sich allerdings Zeit nehmen und das ausgelegte Faltblatt lesen, denn ohne weitere Informationen wird man das Gedankenreiche Kunstkonzept kaum durchdringen.
Mehr Informationen zur Ausstellung (zum Ausklappen)
Ausstellung: "Kang Sunkoo. Sakristei"
Zu sehen vom 28. Februar bis 19. Oktober 2025
im Bauhausgebäude in Dessau
Bauhaus Museum Dessau
Mies-van-der-Rohe-Platz 1
06844 Dessau-Roßlau
Öffnungszeiten:
Di – So, 10 – 17 Uhr (Nov – Feb)
Di – So, 10 – 18 Uhr (März – Okt)
Redaktionelle Bearbeitung: lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 27. Februar 2025 | 07:10 Uhr