Joshua prustet fröhlich im Nichtschwimmerbecken. "Er ist eine Wasserratte", sagt Nicole Senf lachend. Die Mutter des Achtjährigen wirkt erleichtert. "Schon vor zwei Jahren sollte mein Sohn einen Seepferdchen-Kurs machen und ist wegen seiner geistigen Behinderung abgelehnt worden, weil es an ausreichend Schwimmlehrern mangelt. Und da habe ich mir gedacht, das muss auch anders gehen", erzählt die 47-Jährige.

So einfach wie gedacht, war es jedoch nicht, räumt die Wolfenerin ein. "Viele Telefonate, viele E-Mails und oft habe ich gehört: Schön, dass sie es machen, da traut sich keiner ran. Und da habe ich gesagt, wenn jeder so denkt, dann kommen wir nicht weiter. Und das ist eigentlich mein Anschub gewesen, um das weiter zu treiben."

Nicole Senf ließ nicht locker, hat mit viel Aufwand speziell ausgebildete Schwimmlehrer gesucht und gefunden. Susan Willmann ist Übungsleiterin im Rehasport und leitet nun mit zwei Kolleginnen den Kurs in Wolfen. "Nicht schwimmen können, zählt zu den größten Unfallgefahren in Deutschland und darum hat Schwimmen lernen oberste Priorität bei Kindern", sagt die erfahrene Trainerin.

"Kräftig strampeln", ruft Willmann den Kindern zu, die sich am Beckenrand festhalten und mit den Beinen erste Schwimmbewegungen üben. Etwa 20 Kinder haben sich für den ersten Schwimmkurs angemeldet. Mädchen und Jungen mit und ohne Behinderung. "Na weil es Spaß macht, dass wir Schwimmen", sagt der 12-jährige Luca von der Förderschule Köthen auf die Frage, warum er mitmacht.

Sein gleichaltriger Freund Philipp nickt. Dessen Mutter Stephanie Mann hat die beiden Jungs extra zum Schwimmkurs nach Wolfen gefahren: "Ich finde es total schön, weil für solche Kinder ganz selten irgendetwas angeboten wird. Von daher bin ich echt froh, dass diese Möglichkeit besteht und für die Kinder ist es auf jeden Fall sehr wichtig."

Und inzwischen ziehen die Jungs mit Schwimmhilfen ihre ersten Bahnen im Becken. "Schön die Arme kreisen", Trainerin Susan Willmann gibt immer wieder Hinweise. Kindern mit geistiger Behinderung das Schwimmen beizubringen, sei keine besondere Herausforderung, sagt die Trainerin, es brauche vielleicht etwas mehr Geduld. "Wir beginnen im Nichtschwimmerbereich und schauen, ob die Kinder ängstlich sind und welche Vorkenntnisse sie haben, dann teilen wir verschiedene Gruppen ein. Bis zur Abnahme des Seepferdchens sind zehn bis 12 Stunden geplant, das kriegen wir hin", sagt die Trainerin optimistisch. 

Schwimmlehrerin Susann Willmann bringt den Kindern das Schwimmen bei. Bildrechte: Martin Krause/MDR

Viele Eltern beobachten mit Freude die Übungen und auch Georg Melzer steht am Beckenrand. Er kommt vom Landesverband Special Olympics Sachsen-Anhalt und unterstützt den Schwimmkurs. "Sport für geistig behinderte Menschen passiert oft hinter verschlossenen Türen, dabei sollten auch Menschen mit Beeinträchtigung Zugänge haben, um Sport zu treiben. Da geht es vor allem auch um Begegnungen mit anderen Menschen und den gemeinsamen Spaß."

Nicole Senf hört das gern. Die Organisatorin des Kurses sucht weitere Verbündete, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen: "Wir wollen hier dauerhaft kostenlose Schwimmkurse anbieten für Kinder mit und ohne Behinderung. Vielleicht später auch für Erwachsene. Einfach eine gemischte Gruppe, wo der gemeinsame Sport zur Normalität wird".

Bis dahin wird die Mutter aus Wolfen nicht nachgeben. Nicole Senf winkt ihrem Sohn Joshua, der weiter fröhlich im seichten Wasser seine Runden dreht. Der Achtjährige ist an diesem Nachmittag seinem Traum vom Seepferdchen einen großen Schritt nähergekommen.