Kleinstadthelden Mobilität im ländlichen Raum: Werdershausen setzt auf die Mitfahrbank
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03. Oktober 2020, 12:11 Uhr
Wie kann die Mobilität im ländlichen Raum gestaltet werden? Das ist eine der großen Fragen der Zukunft. In Werdershausen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld sind sie weiter – und gestalten die Mobilität schon jetzt. In dem Dorf wurden Mitfahrbänke aufgestellt.
Fast alle Wege führen zur Schule. Wenn am Dorfgemeinschaftshaus in Werdershausen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld ein Bus hält – sechs Mal am Tag und das auch nur montags bis freitags – fährt der fast immer nur zur Schule nach Görzig. Über Cattau, Piethen und Trebbichau. Rund 20 Minuten Fahrtzeit, Linie 493.
Das Dorf Werdershausen hat ein Problem, das viele Dörfer im ländlichen Raum haben: Wer kein Auto hat, kommt nicht weit. Dabei wird den 230 Einwohnern des Dorfs gewiss nicht langweilig: In Werdershausen gibt es einen Karnevalsverein, dessen Sitzungen jedes Jahr Hunderte anziehen. Außerdem: Heimat- und Gesangsverein, Ortsgruppe des Deutschen Schäferhundevereins, eine Tanzgruppe. Nur: Einen Laden zum Einkaufen gibt es nicht. An dieser Stelle kommt Ortsbürgermeister Thorsten Breitschuh ins Spiel. Er hat eine Mitfahrbank für Werdershausen organisiert.
Auf die Bank setzen und mitgenommen werden
Das Prinzip ist ganz einfach: Wer kein Auto besitzt und zum Einkaufen oder Arzt nach Gröbzig möchte, setzt sich auf die Mitfahrbank und kann im nächsten Auto mitfahren. Die Bank steht in der Ortsmitte. Vorteil: In Werdershausen kennt man sich, steigt anders als beim Trampen nicht in das Auto eines Fremden. Dabei gäbe es durchaus die Möglichkeit, häufiger einen Bus nach Werdershausen zu holen. Einmal pro Stunde sogar. Die Lösung: ein Rufbus.
Ortsbürgermeister Breitschuh findet dieses System gut, sieht aber einen Haken: "Es ist ökologisch fragwürdig, einen Kleinbus zu rufen, der dann aus Bitterfeld, Salzfurtkapelle oder Halle herkommt, um jemanden drei Kilometer von Werdershausen nach Gröbzig zu fahren."
Also soll es die Mitfahrbank sein. Von der hatte der Ortsbürgermeister vor einigen Monaten bei einem Vortrag über Mobilität im ländlichen Raum erfahren – und war angetan von der Idee. Seit etwa sechs Wochen steht die Bank nun in Werdershausen. Streng genommen sind es sogar zwei Bänke. Eine in jede Richtung, versehen mit einem Schild und der Aufschrift "Mitfahrbank".
Ich hoffe, dass die Mitfahrbank angenommen wird. Das wird nicht von heute auf morgen gehen, das muss sich entwickeln.
"Für die älteren Leute ist das eine gute Sache"
Bei Gisela Fähnrich kommt die Idee der Mitfahrbank gut an. Seit 1959 lebt Fähnrich in Werdershausen. Ihre Kinder sind hier geboren, die Enkel leben längst anderswo. Gisela Fähnrich ist geblieben – und fährt noch Auto, obwohl sie sich selbst lachend als "alt" bezeichnet. Wenn sie nach Gröbzig fährt – zum Einkauf oder zum Arzt – nimmt sie gern jemanden mit. An diesem Tag will Fähnrich zur Sparkasse in den Nachbarort. "Überweisungen machen", sagt sie. "Für die älteren Leute ist das eine gute Sache", findet Fähnrich. Und das Angebot komme an: Sie wisse von mehreren älteren Menschen in Werdershausen, die froh seien über das Angebot der Mitfahrbank. Es gebe doch einige Menschen im Dorf, die kein Auto hätten oder keines fahren dürften.
Die Geschichte hat gerade erst begonnen
Für sie ist die Mitfahrbank gedacht. Und auch der Initiator will seine Idee mit Leben füllen. "Ich bin aber eher derjenige, der Leute mitnimmt", sagt Ortsbürgermeister Thorsten Breitschuh. Die Geschichte von Werdershausen und der Mitfahrbank, sie hat gerade erst begonnen.
Quelle: MDR/ld
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 31. August 2020 | 19:00 Uhr