Wohngeld-Reform In diesen Gemeinden könnte das Wohngeld gekürzt werden
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14. November 2022, 09:18 Uhr
Das Wohngeld-Plus-Gesetz verspricht ab Januar 2023 mehr Wohngeld für mehr Menschen. Kritiker befürchten aber, dass die Wohngeld-Erhöhung in mehreren Gemeinden in Sachsen und Thüringen nicht ankommen könnte. Am Donnerstag ist das Wohngeld-Plus-Gesetz im Bundestag angenommen worden.
- Durch eine Wohngeldreform sollen ab Januar 2023 auch in Mitteldeutschland mehr Haushalte von mehr Wohngeld profitieren.
- Kritiker befürchten allerdings Verschlechterungen für einige Gemeinden in Sachsen und Thüringen.
- Das zuständige Bundesministerium weist die Kritik zurück und verteidigt den vorliegenden Gesetzesentwurf.
Der Bundestag hat das Wohngeld-Plus-Gesetz am Donnerstag trotz Kritik am Gesetzesentwurf beschlossen. Die Koalitionsfraktion und die Fraktion der AfD stimmten dafür, CDU/CSU dagegen. Die Fraktion die Linke enthielt sich.
Ein Änderungsantrag der Linken, der unter anderem die Änderung der Mietenstufen nichtig gemacht hätte, wurde mit Mehrheit der anderen Fraktionen abgelehnt.
Wohngeldreform: gegen steigende Energiepreise
Mit einer Wohngeldreform will die Bundesregierung den steigenden Energiepreisen und den zunehmenden Existenzängsten der Bevölkerung entgegenwirken. Der Gesetzesentwurf verspricht eine pauschale Heizkomponente und eine Klimakomponente, die höhere Mieten durch energetische Sanierungen und energieeffiziente Neubauten ausgleichen soll. Außerdem soll mit der Reform die Wohngeld-Formel angepasst werden. Diese bestimmt, ob ein Haushalt Wohngeld bekommt und wie hoch dieses im Einzelfall ist.
Das Wohngeld-Plus-Gesetz sei "die größte Wohngeldreform in der Geschichte der Bundesrepublik", so die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz (SPD), in der ersten Lesung des Gesetzesentwurfs im Bundestag.
Was ist Wohngeld? Wohngeld ist eine staatliche Sozialleistung, durch die einkommensschwache Haushalte entlastet werden sollen. Sie wird als Mietzuschuss an Mieter und Mieterinnen einer Wohnung ausgezahlt oder als Lastenzuschuss an Eigentümer und Eigentümerinnen von selbst genutztem Wohnraum. Ob ein Haushalt Anspruch auf Wohngeld hat, hängt von der Zahl der Haushaltsmitglieder, der Höhe des Gesamteinkommens und der Höhe der Mietbelastung ab.
Mehr Geld für mehr Menschen
Durch die Reform sollen Wohngeldbeziehende ab Januar 2023 durchschnittlich doppelt so viel Geld bekommen. Nach den Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft steigt der durchschnittliche Zuschuss aller Wohngeldhaushalte von 180 Euro auf 370 Euro pro Monat. Außerdem soll sich die Anzahl an Haushalten, die Anspruch auf Wohngeld haben, mehr als verdreifachen – von derzeit 600.000 auf zwei Millionen.
Auf Landesebene rechne man mit ähnlichen Entwicklungen, geben Sprecher der jeweils zuständigen Landesministerien auf Anfrage des MDR an. Aus den aktuell 26.100 Wohngeldhaushalten in Sachsen-Anhalt könnten dann 78.300 werden, hieß es von Sachsen-Anhalts Ministerium für Infrastruktur und Digitales. In Sachsen würde die Zahl von 41.790 auf rund 125.400 wachsen, so das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung. In Thüringen gibt es nach Angaben des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft derzeit ungefähr 19.400 Wohngeldhaushalte.
Laut den Berechnungen des Infrastruktur-Ministeriums könnte die Anzahl 2023 schätzungsweise auf rund 64.700 steigen. Da die zukünftige Entwicklung jedoch von Einzelfällen abhänge, könnten die Berechnungen nur als Näherungswerte dienen, so eine Sprecherin aus Thüringen. Genaueres könne in allen drei Bundesländern erst gesagt werden, wenn das Wohngeld-Plus-Gesetz tatsächlich in Kraft ist.
Kritik zur Anpassung der Mietenstufen
Obwohl aus den bundesweiten Berechnungen Verbesserungen hervorgehen, gab es im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag einige Kritik am Gesetzesentwurf. Die Linke rechnete damit, dass sich die Reform in einigen Gemeinden eher negativ auf wohngeldberechtigte Haushalte auswirkt. Manche Haushalte könnten im neuen Jahr weniger Geld bekommen oder ihren Anspruch sogar komplett verlieren, sagte Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linken, MDR Investigativ.
Grund dafür seien die Mietenstufen, die für den aktuellen Gesetzesentwurf neu berechnet wurden. Mietenstufen werden für jede Gemeinde vergeben und bestimmen mit, ob ein Haushalt Anspruch auf Wohngeld hat und wie hoch dieser ist. Je höher die Mietenstufe, desto höher kann der staatliche Zuschuss werden. Da im aktuellen Entwurf des Wohngeld-Plus-Gesetzes einige Gemeinden zurückgestuft werden, drohe vielen Haushalten nun eine Wohngeldkürzung, so die Linken-Abgeordnete Lay.
In Thüringen rücken 120 Gemeinden eine Mietenstufe herab
Als Beispiel führte Lay die Entwicklung in Sachsen an, wo 42 der 419 Gemeinden (zehn Prozent) eine Mietenstufe herabrücken. Nur zwei Gemeinden (0,5 Prozent) werden dagegen hochgestuft. Beim Großteil, den übrigen 375 Gemeinden (90 Prozent), ändert sich nichts.
Auch in Thüringen droht einigen Gemeinden eine Kürzung des Wohngelds. Hier werden sogar 120 von 631 Gemeinden (19 Prozent) zurückgestuft. 39 Gemeinden (sechs Prozent) rücken eine Stufe nach oben, 472 Gemeinden (75 Prozent) bleiben auf ihrem aktuellen Niveau.
In Sachsen-Anhalt dagegen ist der Trend umgekehrt. Hier wird mit 122 von 218 Gemeinden (56 Prozent) sogar der Großteil hochgestuft. Das kann bei einigen Haushalten zu einem höheren Wohngeldanspruch führen. In den übrigen 96 Gemeinden (44 Prozent) bleibt die bisherige Mietenstufe bestehen. Keine einzige Gemeinde wird herabgestuft.
Bundesministerium: Kritiker liegen falsch
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen weist die Kritik der Linken zurück. Eine Herabstufung der Mietenstufe könne zwar grundsätzlich zu einem geringeren Geldanspruch führen. Auf Anfrage des MDR bestreitet das Ministerium jedoch eine solche Verschlechterung im Hinblick auf 2023: "Die Wohngeld-Reform führt auch in diesen Fällen zu einer deutlichen Leistungsverbesserung – insbesondere aufgrund der Anpassung der Wohngeld-Formel und aufgrund der neu eingeführten Heizkostenkomponente."
Die Wohngeldreform führt zu einer deutlichen Leistungsverbesserung.
Auch die Bundesländer rechnen damit, dass sich die Situation für Wohngeldempfänger im Allgemeinen eher verbessern wird. "Aufgrund des Umfangs der geplanten Reform dürfte es in der Mehrzahl der Fälle insgesamt zu einer Erhöhung des Wohngeldanspruchs kommen", so die Einschätzung des Infrastruktur-Ministeriums in Thüringen.
Aus dem Bundesministerium für Wohnen heißt es, die Anpassung der Mietenstufen sei nötig, um die regionalen Unterschiede der Mietpreise berücksichtigen zu können. Die Berechnungen dazu erfolgten anhand der jährlichen Wohngeld-Statistik, also der durchschnittlichen Mietausgaben aller Wohngeld-Haushalte in der jeweiligen Gemeinde. Dies sei derzeit der einzige Weg, flächendeckende gemeindescharfe Angaben zum Mietniveau zu erhalten, sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen MDR Sachsen.
Überlastung der Wohngeldstellen befürchtet
Nicht nur von der Linken, sondern auch aus anderen Fraktionen kam vor der Entscheidung im Bundestag Kritik zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung. Unter anderem merkte der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak an, dass die Reform zu spät auf den Weg gebracht worden sei, wodurch nun eine Überlastung der zuständigen Wohngeldstellen in den Kommunen drohe. Selbst die Bundesministerin für Wohnen, Klara Geywitz (SPD), gab zu, dass sich die Auszahlung des Wohngeldes verzögern könnte.
Die Umsetzung der Wohngeldreform stellt Länder und Kommunen vor gewaltige Herausforderungen.
Die Landesministerien teilten diese Befürchtungen und wiesen zusätzlich auf deren finanzielle Mehrbelastung hin. Denn die Kosten für die Wohngeldreform sollen zu gleichen Teilen Bund und Länder übernehmen. Ein Sprecher des Ministeriums für Infrastruktur und Digitales in Sachsen-Anhalt antwortete auf Anfrage des MDR: "Die Umsetzung der Wohngeldreform stellt Länder und Kommunen in der Tat vor gewaltige Herausforderungen, sowohl in finanzieller als auch in administrativer Hinsicht."
Die Bundesländer Sachsen und Thüringen hatten deshalb eine vollständige Übernahme der durch die Reform entstehenden zusätzlichen Kosten durch den Bund gefordert. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November verständigten sich Bund und Länder nun aber doch darauf, die Kosten für die Wohngeldreform zu gleichen Teilen zu tragen.
MDR (Katharina Forstmair)
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 03. November 2022 | 17:15 Uhr