Energiewende Wasserstoff-Netz kurz vor Abnahme durch Bundesnetzagentur
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12. August 2024, 13:56 Uhr
Viele Betriebe wünschen sich einen Anschluss an das geplante Wasserstoffnetz. Doch trotz geplanter 10.000 Kilometer Netzlänge gehen auch Teile Deutschlands leer aus. Für das Netz werden einige Erdgasleitungen um- und neue Wasserstoffleitungen aufgebaut.
- Der Plan der Netzbetreiber für das Wasserstoffnetz umfasst 10.000 Kilometer Leitungen, ein Teil muss noch verlegt werden.
- Dennoch erreicht das Netz erstmal nicht alle Betriebe, die sich einen Anschluss wünschen.
- Wegen hoher Kosten subventioniert der Staat zunächst Nutzungsentgelte. Die Hilfen müssen später zurückgezahlt werden.
Auf einem Acker im sachsen-anhaltischen Bad Lauchstädt ist man der Zeit voraus. Hier, wo Hase und Igel sich früher gute Nacht sagten, entsteht das Reallabor Energiewende – mit Windrädern, einem großen Elektrolyseur, Gasspeichern und Rohren für Wasserstoff. Letztere wurden schon vor Monaten ertüchtigt, lange bevor das Wasserstoff-Kernnetz zu Ende geplant war.
Projektleiterin Cornelia Müller-Pagel ahnte schon damals: Für das Gesamtnetz wird es einer der ersten Abschnitte: "Und wir werden auch die ersten sein, die tatsächlich Wasserstoff durch eine Bestandsleitung durchbringen, um dann auch zu wissen, was der Betrieb für Herausforderungen bringt", sagt sie nun. Die Grundlagen, die sie hier schafften, also auch die technischen Erfahrungen, würden allen Netzbetreibern, die sich am Wasserstoff-Kernnetz beteiligen, dienlich sein, sagt Müller-Pagel voraus.
10.000 Kilometer Leitung auch durch Mitteldeutschland
Nun steht fest, wie die Betreiber das gesamte Kernnetz für Wasserstoff bauen wollen. Fast 10.000 Kilometer quer durch Deutschland, von denen 4.000 Kilometer neu verlegt werden müssen. Für den größeren Teil wollen die Netzbetreiber bestehende Erdgasleitungen auf Wasserstoff umstellen. Die Gesamtkosten sollen bei 20 Milliarden Euro liegen.
In Ostdeutschland würde die Firma Ontras einen bedeutenden Teil betreiben. Pressesprecher Ralf Borschinsky spricht von der größten Investition der Firmengeschichte. Es gebe für das Projekt mit dem Namen Green Octopus Mitteldeutschland eine Fördermittelzusage von 157 Millionen Euro. "Das muss man sich aber nicht so vorstellen, dass ich einen Topf in meiner Küche habe und reingreife und sage: Toll ich kriege eine Förderung." Als Unternehmen müsse man erst investieren, hinterher die Kosten einreichen und bekomme diese dann anteilig vom Fördermittelgeber ersetzt, erklärt Borschinsky.
Wasserstoff-Netz erreicht zunächst nicht alle
Bevor es richtig losgehen kann, muss die Bundesnetzagentur dem Netzplan aber noch zustimmen. Bis Mitte September hat sie dafür Zeit, mit großen Änderungen rechnet niemand mehr. Schon kommendes Jahr soll durch erste Abschnitte Wasserstoff fließen.
Auf einen Anschluss wartet auch Alexander Stolze vom Stahlwerk Thüringen. Bei ihm enden zwei Gasleitungen, eine soll 2028 Wasserstoff bringen. Sein Unternehmen wisse von Kunden, die bereit seien, den Mehrpreis für "grünen" Stahl zu bezahlen. Wenn Kunden dazu nicht bereit seien – wovon man auch ausgehe –, dann könne man noch mit Erdgas arbeiten, sofern verfügbar, sagt Stolze.
Stolze erzählt, grüner Wasserstoff sei achtmal so teuer wie Erdgas. Wenn das Projekt ein Erfolg werden solle, müssten die Preise runter. Trotzdem sind große Industriebetriebe fast überall erpicht darauf, einen Anschluss zu bekommen. Lange Gesichter gab es im Juli in Mecklenburg-Vorpommern, als ein Netzabschnitt durchs Land aus Kostengründen wieder gestrichen wurde. Ontras-Sprecher Ralph Borschinsky versucht zu beruhigen. Die Regionen, die noch keinen Anschluss ans Kernnetz bekämen, müssten sich nicht grämen: "Das Ganze ist ein dermaßen dynamischer Prozess, da wird es auch Entwicklungen geben, die wir heute noch gar nicht vorhersehen."
Wenn sich Bedarf abzeichne, ließe sich das Wasserstoff-Kernnetz erweitern. Jetzt müsse zunächst das Geplante gebaut und finanziert werden. Damit die ersten Wasserstoffkunden nicht von hohen Durchleitungsgebühren abgeschreckt werden, übernimmt zunächst der Staat einen Teil der Netzentgelte. Wenn es später ausreichend Kunden gibt, soll dieser Vorschuss von den Netzbetreibern bis 2055 wieder zurückgezahlt werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 12. August 2024 | 06:47 Uhr