Dirk Schulze spricht mit den Streikenden vor dem Recycling-Betrieb SRW.
IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze spricht mit den Streikenden vor dem Recycling-Betrieb SRW in Espenhain. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Unternehmen in Mitteldeutschland Wie halten es chinesische Investoren mit Tarifbindung und Betriebsräten?

05. März 2024, 09:50 Uhr

In den vergangenen zehn Jahren haben chinesische Investoren in Deutschland hunderte Firmen übernommen. Dazu gehören der bekannte Roboterhersteller Kuka und der Schrott-Recycler SRW Metalfloat in Espenhain. Dort versuchen die Beschäftigten seit mehr als 120 Tagen, einen Tarifvertrag zu erstreiken. Doch bislang verweigert die Geschäftsführung das Gespräch. Liegt es vielleicht daran, dass Tarifverträge für Chinesen ein unbekanntes Feld sind?

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Sie machen Lärm, sie fordern einen Tarifvertrag, und sie bekommen politische Unterstützung. Gregor Gysi hat die Beschäftigten von SRW Metalfloat in Espenhain besucht, auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Ostbeauftragte Carsten Schneider waren da.

Doch Tarifverhandlungen gibt es trotzdem nicht. Das Unternehmen verweigere weiter das Gespräch, kritisiert Michael Hecker von der IG Metall. "Also wir finden das fast skandalös mit welcher Vehemenz sich hier der Arbeitgeber verweigert, an den Tisch zurückzukehren", betont er. "Wir kennen das aus Tarifkonflikten, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann. Sich aber in Gänze wegzuducken, das haben wir selten so erlebt, und das halten wir für inakzeptabel."

Dörre: Gewerkschaften in China haben keinen Einfluss

Doch warum verweigert das Unternehmen Gespräche, obwohl der Streik die Produktion beeinträchtigt? Der Soziologe Klaus Dörre von der Universität Jena vermutet, es liege tatsächlich an den chinesischen Eigentümern: "Es scheint wirklich so zu sein, dass es Unwissen auf Seiten der Eigentümer ist in organisierten Arbeitsbeziehungen überhaupt zu agieren." In China gebe es auch Gewerkschaften, sie hätten den größten Gewerkschaftsbund der Welt. "Aber der hat überhaupt keine Bargaining-Macht. Das ist nach wir vor Transmissionsriemen der Partei, wie man das so kennt. Also es gibt keine eigenständigen Tarifverhandlungen", erklärt der Soziologe.

Nun haben chinesische Investoren in den vergangenen zehn Jahren weit mehr als 100 deutsche Betriebe übernommen. Wolfgang Müller, selbst jahrelang Gewerkschafter, hat sich deshalb genauer angesehen, wie Chinesen mit Betriebsräten und Tarifverträgen umgehen. Er habe etwa 50 chinesische Übernahmen mit mehr als 100 Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie untersucht, sagt er. "Und aus dieser Untersuchung geht eindeutig hervor, dass die Chinesen diese Dinge, so wie sie sind und wie sie gesetzlich sind, akzeptieren. Wenn die einen Betriebsrat haben, einen Tarifvertrag haben, dann ist das so."

Müller: Keine Elternzeit in China

Müller hält den Arbeitskampf bei SRW Metalfloat für einen Sonderfall. Normalerweise ließen chinesische Investoren Konflikte nicht so eskalieren. Das sieht der Erfurter Arbeitssoziologe Stefan Schmalz ähnlich. Er hat Betriebsräte interviewt. Der Tenor lautet: Das Verhältnis zu chinesischen Eigentümern sei gut, wenn auch nicht immer konfliktfrei.

Ein wichtiges Thema sei die Arbeitszeit, stellt Schmalz fest: "Weil da ganz andere Vorstellungen in China von Arbeitszeiten herrschen, als in Deutschland. Also Sachen wie Elternzeit oder sowas. Das ist da nicht bekannt. Aber insgesamt kann man schon sagen, dass die chinesischen Investoren sich relativ gut in das deutsche System von Mitbestimmung einfügen."

Noch kein Betriebsrat bei Batteriewerk CATL

Inzwischen gibt es nur noch wenige Übernahmen durch chinesische Investoren. Stattdessen baut China vermehrt eigene Fabriken in Deutschland. Zum Beispiel die Batteriefabrik von CATL bei Erfurt. Und wie ist es dort mit der Tarifbindung? Dazu sagt Stefan Schmalz: "Bisher gibt es dort keinen Tarifvertrag und keinen Betriebsrat. Wobei man natürlich sagen muss, dass ein Betriebsrat von den Beschäftigten erstmal gegründet werden muss. Das ist bisher nicht passiert."

In der Batteriefabrik arbeiten viele Chinesen. Der Einstiegslohn liegt dem Vernehmen nach bei 15 Euro in der Stunde. Dass mehr als Mindestlohn gezahlt wird, könnte eine Gewerkschaftsbewegung bei CATL ausbremsen. Denn am Ende ist es wohl so: Wo es schon Betriebsräte und Tarifverträge gibt, akzeptieren chinesische Investoren das. Wo es beides nicht gibt, wollen sie es aber nicht unbedingt haben. Da unterscheiden sie sich nicht von manchem deutschen Firmenlenker.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. März 2024 | 06:51 Uhr

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