Kreislaufwirtschaft Strom aus Biomüll: Jeder sollte eine braune Tonne haben

14. September 2023, 10:33 Uhr

Welche Rolle können Abfälle und Mülldeponien für die Energiewende spielen? Das ist eines der Themen, die diese Woche auf dem Ostdeutschen Energieforum diskutiert werden. Auf der Deponie im sächsischen Cröbern wird seit rund einem Jahr aus Bioabfällen sowohl Komposterde als auch Energie gewonnen. Dieses Potenzial könnte noch stärker genutzt werden.

MDR AKTUELL Mitarbeiterin Rebecca Nordin Mencke
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Wäre das kleine Blockheizkraftwerk auf der Zentraldeponie Cröbern ein Motor, es würde "ungefähr 1.500 PS" auf die Straße bringen – erklärt Bernd Beyer, Geschäftsführer der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (WEV). Das kleine Kraftwerk, ein blauer Container, gehört zur Kompost- und Energieanlage (KEA) der Deponie. Aus Biogas wird hier Strom erzeugt, der dann ins Netz der Leipziger Stadtwerke eingespeist wird.

Nur etwa 100 Meter entfernt fahren Müllautos unter anderem der Leipziger Stadtreinigung in einer großen Halle ein und aus, laden Bioabfälle ab. Etwa 35.000 Tonnen pro Jahr sind das dem Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen (ZAW) zufolge. Bis zu 42.000 Tonnen pro Jahr könnte die Anlage verarbeiten, die die WEV als Tochtergesellschaft des ZAW betreibt.

Deutlicher Anstieg von Bioabfällen in der Biotonne

"Die Akzeptanz der Biotonne wächst", freut sich ZAW-Geschäftsführer André Albrecht. Auch die Qualität der Bioabfälle von privaten Haushalten steige. Zwar lande immer noch Plastik und anderer Müll in der Biotonne, eine Kampagne mit der Stadt Leipzig und dem Landkreis für saubere Bioabfälle habe aber Wirkung gezeigt, meint Albrecht. Im letzten Arbeitsschritt wird auf der Anlage Komposterde gewonnen, die gründlich gesiebt werden muss, um für die Landwirtschaft und auch Privathaushalte nutzbar zu sein.

Im Landkreis Leipzig wurde die Biotonne erst 2020 eingeführt. Etwa 60 Prozent der Haushalte sind inzwischen damit ausgestattet. Sachsenweit steigt die Menge an Bioabfall kontinuierlich: Waren es 2016 noch rund 134.000 Tonnen aus privaten Haushalten und Kleingewerbe, sammelten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger in Sachsen 2020 bereits fast 200.000 Tonnen Biomüll ein.

NABU: Infrastruktur ist zentral für ressourcenschonende Mülltrennung

Ohne Biotonne könnten die Abfälle zwar auch auf einem privaten Komposthaufen verarbeitet werden. Große Mengen an Biomüll würden dann aber tatsächlich im Restmüll landen.

Knapp 40 Prozent einer durchschnittlichen Restmülltonne in Deutschland sind Bioabfälle.

Michael Jedelhauser NABU-Referent für Kreislaufwirtschaft

Aus Umwelt- und Klima-Gründen sei das problematisch, erklärt Michael Jedelhauser, Referent für Kreislaufwirtschaft beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). "Knapp 40 Prozent einer durchschnittlichen Restmülltonne in Deutschland sind Bioabfälle", kritisiert er.

Dabei liegt das keineswegs nur an falscher Mülltrennung in privaten Haushalten. Auch die Infrastruktur in den Landkreisen und kreisfreien Städten spielt eine zentrale Rolle. "Es gibt nach wie vor – beispielsweise in Thüringen aber auch in Sachsen – Landkreise, die bieten keinerlei Biotonne an", sagt Jedelhauser. Dort landeten "die Bioabfälle meistens im Restmüll und dann in der Verbrennung".

Das sogenannte Bringsystem, bei dem Bürgerinnen und Bürger den Bioabfall zu einer zentralen Sammelstation bringen, sei eine große Hürde und führe letztlich zu deutlich mehr Bioabfall im Restmüll. Manche Landkreise haben aber nicht einmal ein Bringsystem. Dass im Leipziger Landkreis 60 Prozent der Haushalte an die Biotonne angeschlossen sind, hält der Experte für Kreislaufwirtschaft für ausbaufähig. Er verweist auf andere Landkreise in Deutschland, die teils eine Anschlussquote von über 90 Prozent schaffen würden.

Eigenkompostierung führt häufig zu überdüngten Gärten

Neben Eigenkompostierung im Garten sei die Biotonne eine gute Ergänzung – zumal nicht alle Küchenabfälle für den privaten Komposthaufen im Garten geeignet und einige Gärten durch privaten Kompost bereits deutlich überdüngt seien, erklärt Jedelhauser.

Ein Huhn sitzt auf dem Rand eines Komposthaufens
Biotonne und eigener Komposthaufen ergänzen sich, sagt NABU-Experte Jedelhauser. Bildrechte: MDR/ Daniela Dufft

Umgekehrt macht es auch für die Kompost- und Energieanlage in Cröbern einen Unterschied, welche Abfälle jeweils in der Biotonne landen, erklärt WEV-Geschäftsführer Beyer.

Im Sommer sei etwa mehr Grünschnitt enthalten, im Winter mehr Speisereste – entsprechende Schwankungen gebe es in der Gasproduktion, erklärt Beyer. Lebensmittel, wo Zucker, Fette und Proteine enthalten seien, haben "natürlich viel mehr Energie als ein Stück Holz". Aus einem Stück Holz oder Strauchschnitt entstehe sehr wenig Biogas.

Fast die Hälfte der Bioabfälle werden über Restmüll entsorgt

Insgesamt produziert die Anlage in Cröbern aus dem Biogas Strom, der dem Bedarf von etwa 3.000 Personen entspricht und ins Netz der Leipziger Stadtwerke eingespeist wird. Sehr viel sei das nicht, räumt ZAW-Geschäftsleiter André Albrecht ein: "Die Potenziale von Photovoltaikanlagen auf Deponiekörpern sind weitaus größer. Da reden wir über einen Faktor zehn bis 20." Auch auf dem Gelände südlich von Leipzig stehen einige PV-Anlagen, weitere sind für andere Deponien in Planung. So könne die Entsorgungswirtschaft letztlich auf verschiedenen Wegen einen Beitrag für die Energiewende leisten, ist sich Albrecht sicher. "Ich denke, es ist wichtig, da jeden kleinen Baustein mitzunutzen und sinnvoll aufzubauen, dass man grünen Strom generieren kann."

Ich denke, die Entsorgungswirtschaft kann schon einen guten Beitrag für die Energiewende leisten.

André Albrecht ZAW-Geschäftsleiter

NABU-Experte Jedelhauser spricht mit Blick auf Bioabfälle von einer kleinen Säule der Energiewende. Man dürfe den Beitrag der Abfallwirtschaft zur Energiewende nicht überbewerten. Dennoch gebe es auch ein immenses Potenzial, das derzeit durch fehlende Mülltrennung verloren geht: Etwa fünf Millionen Tonnen Bioabfälle werden deutschlandweit über die Biotonne entsorgt – nochmal vier Millionen Tonnen Bioabfälle landen dagegen im Restmüll.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 14. September 2023 | 21:45 Uhr

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