Wahlsonntag Deutschland wählt neuen Bundestag – Höhere Wahlbeteiligung erwartet

26. September 2021, 18:00 Uhr

Mehr als 60 Millionen Deutsche sind heute aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Der Andrang in den Wahllokalen ist zwar vielerorts geringer als 2017, auch in Mitteldeutschland. Doch es wird ein deutlich höherer Briefwähleranteil erwartet. Insgesamt 47 Parteien treten an. Vorwahlumfragen lassen einen knappen Wahlausgang erwarten.

  • In Deutschland können heute mehr als 60 Millionen Wahlberechtigte einen neuen Bundestag wählen.
  • Noch nie war das Interesse an der Briefwahl so hoch wie bei dieser Abstimmung.
  • 47 Parteien treten zur Wahl an, drei von ihnen mit einem Kanzlerkandidaten.
  • Um Punkt 18 Uhr gibt es die Prognose, die erste Hochrechnung kommt später als üblich.
  • Mecklenburg-Vorpommern wählt parallel ein neues Landesparlament, Berlin ein neues Abgeordnetenhaus.

Höhere Wahlbeteiligung erwartet

Bei der Bundestagswahl zeichnet sich eine höhere Wahlbeteiligung ab als 2017, vor allem in den Großstädten. Im einwohnerstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen gaben nach Angaben des Landeswahlleiters bis zum Mittag 44,8 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen ab. Zum gleichen Zeitpunkt bei der Wahl 2017 lag der Wert nur bei 40,1 Prozent. Jedoch wird diesmal mit deutlich mehr Briefwählern gerechnet, sodass die Wahlbeteiligung insgesamt höher sein dürfte.

Wahlbeteiligung in Mitteldeutschland

In Mitteldeutschland haben bis zum frühen Nachmittag etwas weniger Menschen in den Wahllokalen gewählt als vor vier Jahren. In Sachsen gaben bis 14 Uhr 36,4 Prozent der Wahlberechtigten in Wahllokalen ihre Stimme ab (2017: 39,3 Prozent), in Sachsen-Anhalt waren es 36,7 Prozent (2017: 42,5 Prozent), in Thüringen 34,5 Prozent (2017: 35,8 Prozent).

Nicht berücksicht ist die Briefwahl. In allen drei Ländern wird damit gerechnet, dass die Zahl der Briefwählerinnen und Briefwähler höher liegen wird als vor vier Jahren. So wird in Sachsen nach Aussage von Landeswahlleiter Martin Richter mit einem Briefwahlanteil von 25,1 Prozent gerechnet, gegenüber 15,9 Prozent 2017.

Wahllokale seit 8 Uhr geöffnet

Seit 8 Uhr sind die Wahllokale für die Wahl des neuen Bundestags in Deutschland geöffnet. Rund 60,4 Millionen Menschen sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Fast 40 Prozent der Wahlberechtigten sind nach Angaben der Bundeswahlleitung 60 Jahre alt oder älter, etwa fünf Prozent sind Erstwählerinnen und Erstwähler.

In Mitteldeutschland sind rund sieben Millionen Bürger zur Wahl aufgerufen – 3,3 Millionen Sachsen, 1,8 Millionen in Sachsen-Anhalt und 1,7 Millionen in Thüringen.

Wahlliste ist lang

Jeder Wahlberechtige hat zwei Stimmen: Mit der Erststimme wird über die Direktkandidatin oder den Direktkandidaten im jeweiligen Wahlkreis abgestimmt. Mit der Zweitstimme wählt man die Landesliste einer Partei und entscheidet damit über die Sitzverteilung der Parteien im Bundestag.

Insgesamt treten 47 Parteien bei der Wahl an. Ursprünglich hatte der Bundeswahlleiter sogar 54 Parteien und Wählervereinigungen zugelassen. Sieben von ihnen stellten jedoch weder Landeslisten noch Direktkandidaten auf.

Hier können Sie die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Linke und Grünen vergleichen:

Briefwahl so gefragt wie nie

Bundeswahlleiter Georg Thiem geht davon, dass es in diesem Jahr so viele Briefwählerinnen und Briefwähler geben wird wie noch nie zuvor bei einer Bundestagswahl. Das Interesse an Briefwahlunterlagen sei vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie so hoch wie nie gewesen. 2017 hatten 30 Prozent der Wahlberechtigten per Briefwahl abgestimmt.

ARD-Wahlexperte Jörg Schönenborn sagte im Interview mit MDR AKTUELL, dass Briefwähler oft "überzeugte Wähler und Wählerinnen ihrer Partei" seien. Sie würden schon bei der Prognose um 18 Uhr statistisch dazugeschätzt.

Wer seine Stimme im Wahllokal abgibt, muss eine Schutzmaske tragen. Außerdem gelten die üblichen Abstands- und Hygieneregeln zum Schutz vor dem Coronavirus.

Mehr Sitze im Bundestag erwartet

Die Regelgröße des Bundestags sind 598 Sitze, in der nun auslaufenden Wahlperiode hatte es durch Überhangmandate und Ausgleichsmandate jedoch 709 Abgeordnete gegeben. Eigentlich sollte ihre Zahl durch eine im vorigen Jahr beschlossene Wahlrechtsreform reduziert werden, doch wird die Neuregelung schrittweise umgesetzt. So bleibt es bei dieser Wahl erneut bei 299 Wahlkreisen, erst bei der nächsten Wahl 2025 sollen sie auf 280 zurückgefahren werden. Experten erwarten daher durch Überhang- und Ausgleichsmandate diesmal noch mehr Abgeordnete als ohnehin schon im Bundestag.

Nach 16 Jahren: Ära Merkel endet

Nach vier Amtszeiten und 16 Jahren als Regierungschefin tritt Angela Merkel bei dieser Wahl nicht mehr an. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik verzichtet damit eine amtierende Regierungschefin auf eine erneute Kandidatur. Merkel hatte ihre Entscheidung bereits vor drei Jahren bekannt gegeben.

Damit wird es unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl eine neue Regierungschefin oder einen neuen Regierungschef in Deutschland geben. Union, SPD und Grüne haben für die Wahl einen Kanzlerkandidaten aufgestellt: CDU und CSU gehen mit CDU-Parteichef Armin Laschet ins Rennen, die SPD mit dem bisherigen Vizekanzler Olaf Scholz. Erstmals bei einer Bundestagswahl haben sich auch die Grünen für eine Kanzlerkandidatur entschieden: Sie treten mit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin an.  

Wahlausgang völlig offen

Der Ausgang der Bundestagswahl gilt als so offen wie schon lange nicht mehr. Beim letzten ARD-Deutschlandtrend – zehn Tage vor der Wahl – gab noch jeder sechste Befragte an, dass sich seine Parteipräferenz bis zum Wahlsonntag noch ändern könne. Fast jeder Fünfte erklärte, keine Parteipräferenz zu haben und nicht zu wissen, ob er überhaupt wählen gehe.

Zudem war in den Wählerumfragen in den vergangenen Monaten ungewöhnlich viel Bewegung. Dem ARD-Deutschlandtrend zufolge wird wahrscheinlich ein Dreierbündnis notwendig sein, um eine Mehrheit im Bundestag bilden zu können. In diesem Fall könnte es eine langwierige Regierungsbildung geben. Eine zeitliche Frist für eine Einigung gibt es dabei nicht. Der neu gewählte Bundestag muss sich dagegen spätestens 30 Tage nach der Wahl konstituieren.

Großes Interesse am Wahl-O-Mat

Auch das Interesse am Wahl-O-Mat war in diesem Jahr so groß wie nie. Eineinhalb Wochen vor der Wahl lagen die Zugriffe mit 15,7 Millionen Mal nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung bereits über der Gesamtzahl von 2017. Damals hatte es insgesamt gut 15,6 Millionen Zugriffe gegeben. Nutzer können im Wahl-O-Mat ihre Standpunkte zu wichtigen politischen Fragen mit denen der Parteien vergleichen.

Prognose und Hochrechnungen am Wahlabend

Am Sonntag wird um Punkt 18 Uhr die Prognose von Infratest dimap veröffentlicht. Das Meinungsforschungsinstitut befragt dafür für die ARD Wählerinnen und Wähler direkt nach Verlassen des Wahllokals.  

Bei den bisherigen Wahlen gab es bereits kurz danach auch schon die erste Hochrechnung anhand der tatsächlichen Stimmauszählung. Diesmal wird sich das allerdings verzögern. Die Wahlforscher wollen damit warten, bis es valide, belastbare Zahlen aus den Wahllokalen unter Einberechnung der Briefwahl gibt. Die Hochrechnungszahlen werden im Verlauf des Abends immer exakter, weil dann immer mehr Teilergebnisse einfließen.

Das vorläufige Ergebnis veröffentlicht der Bundeswahlleiter voraussichtlich erst am Montagmorgen, das amtliche Endergebnis kommt erst Wochen später.  

Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wählen neue Parlamente

Parallel zur Bundestagswahl stimmen die Bürger und Bürgerinnen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin über neue Parlamente ab. In Mecklenburg-Vorpommern wirbt Ministerpräsidentin Manuela Schwesig von der SPD für ihre Wiederwahl. Die CDU geht mit Spitzenkandidat Michael Sack ins Rennen. Insgesamt sind rund 1,3 Millionen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe aufgerufen. Seit 2006 regiert die SPD im Schweriner Landtag in einer Großen Koalition mit der CDU, davor hatten die Sozialdemokraten acht Jahre lang mit der PDS koaliert.

In Berlin sind zur Wahl sind eines neuen Abgeordnetenhauses knapp 2,5 Millionen Menschen aufgerufen. Die SPD geht mit der früheren Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ins Rennen. Der bisherige Regierende Bürgermeister Michael Müller von der SPD tritt nicht mehr für den Posten an. Er strebt den Einzug in den Bundestag an. Seit 2016 regiert in der Hauptstadt eine Koalition aus SPD, Linken und Grünen. Für eine Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus dürfte voraussichtlich wieder ein Dreierbündnis notwendig sein.

Die ursprünglich auch für den Sonntag geplante Landtagswahl in Thüringen findet nicht statt, weil die dafür notwendige Auflösung des Parlaments nicht zustande gekommen war.

Ausführliche Berichterstattung bei MDR.DE

Der MDR berichtet ausführlich über die Bundestagswahl – Online, im Hörfunk und im Fernsehen. Auch bereiten wir für Sie alle Wahlergebnisse von einzelnen Wahlkreisen bis zur Verteilung der Sitze im neuen Bundestag umfangreich grafisch auf.

Lesen Sie hier alle Ergebnisse zur Bundestagswahl.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 26. September 2021 | 06:00 Uhr

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