Eine Seiniorin steht hinter einem Senior im Rollstuhl
Senioren leben im Schnitt auf 20 Quadratmeter mehr Wohnfläche als der Durchschnittsbürger. Bildrechte: IMAGO/Westend61

Wohnungsmarkt Bessere Angebote könnten Senioren zum Umzug in kleinere Wohnungen bewegen

13. Juli 2024, 05:00 Uhr

Der Bundesverband Wohnen und Stadtentwicklung fordert ein besseres Alternativangebot für ältere Menschen, die in zu großen Häusern und Wohnungen leben. Der Zensus 2022 hatte ergeben, dass Senioren im Schnitt 20 Quadratmeter mehr Wohnfläche zur Verfügung haben als der Durchschnittsbürger. MDR AKTUELL hat darüber mit Bernhard Faller gesprochen. Er arbeitet beim Bundesverband Wohnen und Stadtentwicklung und forscht zu dieser Thematik.

Herr Faller, woran liegt es denn, dass ältere Menschen oft mehr Platz zum Wohnen haben als beispielsweise Familien? Wollen sie denn ihre alten Mietverträge einfach nicht aufgeben?

Das ist zunächst einmal ein ganz normaler Vorgang. Wenn man eine Familie gründet, dann ist man plötzlich zu dritt oder zu viert und sucht sich natürlich in dieser Zeit eine passende Wohnung mit dann vielleicht 100 Quadratmetern oder gar 140 Quadratmetern, zieht mit der Familie dort ein und bleibt dort wohnen. Irgendwann gehen die Kinder aus dem Haus, und dann bleibt man zu zweit übrig und hat dann die 140 Quadratmeter.

Aber warum verkleinern sich die Senioren da nicht?

Das liegt an verschiedenen Faktoren. Eigentlich muss man zwei Dinge unterscheiden. Mit der Wohndauer steigt natürlich die Bindung an die eigene Wohnung, an das eigene Quartier, an das soziale Umfeld. Da hat man Vereine oder Bekannte und Freunde. Also es fällt mit zunehmender Wohndauer schwer, umzuziehen. Zumal, wenn man auch älter wird, ist natürlich ein Umzug auch eine hohe Belastung.

Und dann haben wir natürlich das andere Problem, dass mit steigender Wohndauer bei Eigentümern sowieso die Wohnkosten sinken. Man hat das Haus vielleicht abbezahlt und hat am Ende nur noch die Betriebs- und Instandhaltungskosten. Aber auch beim Mietern ist es so, dass in laufenden Mietverträgen ja oft die Mieten nicht so wirklich an das normale Marktniveau angepasst werden.

Und insofern fällt es selbst Menschen, die gerne umziehen und sich verkleinern würden, weil die große Wohnung ihnen zur Last geworden ist, denen fällt es schwer. Sie stehen dann oft vor dem Problem, dass die neuen Wohnungen, die dann kleiner sind, sind häufig teurer als ihre alte beizubehalten. Das können sich manche nicht leisten und andere sagen, das ist ja verrückt, das will ich mir gar nicht leisten, mich verkleinern und dann auch noch mehr zahlen.

Gibt es denn schon jetzt Modelle, Ideen, wie man aus diesem Dilemma rauskommt?

Es gibt nicht wirklich besonders tragfähige Ideen oder sagen wir mal, es gibt keine erprobten, wirkungsvollen Ansätze. Wir reden zwar viel darüber, dass wir gerade in den Regionen, wo viel Wohnungsbau benötigt wird, wo wir enge Märkte haben – das sind ja oft die Stadtregionen –, dass wir diese, ich sag mal stillen Wohnflächen, Reserven, diese ungenutzten Zimmer irgendwie mobilisieren und die Menschen zum Umzug bewegen. Aber so richtige Patentrezepte haben wir noch nicht.

Was natürlich helfen würde, das wissen wir natürlich auch aus der Forschung, dass die Menschen eine hohe Ortsbindung haben und sie würden, wenn sie denn umziehen, gern irgendwo in ihrem Quartier unter Beibehaltung der sozialen Bezüge, unter Beibehaltung des Umfeldes umziehen. Und da haben wir es dann oft schwierig, dass die Menschen was finden.

Wenn sie an so sehr homogene Einfamilienhausgebiete denken, dann hat man eben vor Ort wenig Alternativen. Und insofern wäre für mich einfach der Ansatzpunkt zu schauen, wie man diese homogenen Strukturen mit – sagen wir mal – anderen Wohnformen anreichert. Man kann da auch an spezielle Wohnformen für Senioren oder irgendwelche Gemeinschaftsprojekte denken, aber auch ganz normale Geschosswohnungen für die Senioren.

Eigentlich müssen wir über die Gruppe nachdenken, die 55, 60 Jahre alt sind, wo die Kinder gerade aus dem Haus sind, weil die noch das größte Potenzial auch zum Umzug haben – also Wohnformen für diese Menschen, die diese familiäre Phase hinter sich haben und für die eine Alternative bieten.

Gibt es von Ihrer Seite auch Wünsche oder Forderungen an die Politik? Welche Anreize könnten denn geschaffen werden, damit Familien auf mehr Quadratmetern leben könnten als ältere Menschen?

Ja, der primäre Anreiz wäre natürlich mal das Angebot zu verbessern, dass alle Senioren in der postfamiliären Phase, Kindern aus dem Haus, ein gutes alternatives Angebot hätten und sagen oh ja, ist zwar nicht ganz kostengünstig, aber ist eine echte Verbesserung. Das mache ich jetzt. Das ist das Entscheidende.

Das kann man über Neubau erreichen, aber vielleicht auch über eine bestimmte Aktivierung von Bestandswohnungen, Bestandsgebäuden, die dann im Umfeld insbesondere der Einfamilienhäuser vermarktet und angeboten werden können. Das ist das eine. Also das, finde ich, ist der zentrale Schlüssel das Angebot verbessern.

Und dann kann man natürlich darüber nachdenken: Ein Umzug ist teuer, kostet Geld. Wenn jemand sein Haus verkauft und ein neues kauft, muss er Grunderwerbssteuer zahlen. Die Ökonomen reden dann von Transaktionskosten – da kann man darüber nachdenken, diese Kosten ein Stück weit zu senken, damit der Umstieg auch leichter fällt. Und diese beiden Elemente Senkung von Transaktionskosten und Verbesserung des Angebotes, das sind die beiden Schlüssel, solange wir auf freiwillige Instrumente setzen.

Aber unfreiwillige …

Unfreiwillige machen keinen Spaß und sind auch politisch schwer durchzusetzen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13. Juli 2024 | 09:35 Uhr

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