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Halle-Neustadt – ein Problemviertel? Bildrechte: imago/Steffen Schellhorn

Krawalle in Problemvierteln Mitteldeutsche "Problemviertel" nicht mit Frankreich vergleichbar

04. Juli 2023, 05:00 Uhr

Brennende Autos, geplünderte Geschäfte, Attacken auf das Wohnhaus eines Bürgermeisters – diese Bilder erreichen uns seit Tagen aus Frankreich. Vor allem das Leben in den Banlieues, den Vororten der großen französischen Städte, wird dafür immer wieder als Ursache genannt. Sie sind geprägt von hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Gibt es solche Problemviertel auch bei uns in Mitteldeutschland und wie geht man damit um?

Sarah Bötscher moderiert den YouTube-Nachrichtenrückblick recap. Sie steht vor einem grünen Hintergrund und lächelt in die Kamera.
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk/ Toni Gräfe

Fast jede Doku über das Leben in einer Plattenbausiedlung beginnt ähnlich: dramatische Musik, Geschichten von Arbeitslosigkeit und Armut vor grauem Beton. Ein Stigma, das die Bewohnerinnen und Bewohner nur schwer loswürden, sagt Johanna Ludwig. Sie ist Quartiermanagerin in Halle-Neustadt, ein Viertel, das als typisches "Problemviertel" gilt. "Das sind Menschen, die einfach nicht so viel Einkommen haben, die sich nicht so viel leisten können. Und da wir nun mal in einer Leistungsgesellschaft leben, wird darauf eher negativ geguckt. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass es erstmal sehr nette Menschen sind, die zum großen Teil sehr sozial miteinander umgehen in ihren Nachbarschaften."

Ludwig versucht seit Jahren, das negative Image von Halle-Neustadt zu ändern. Es gibt Kiezfeste, Lesepatenschaften, Sozialarbeiter, die immer wieder mit Bewohnern ins Gespräch kommen. Trotzdem könne man auch die Schwierigkeiten nicht verleugnen. "Natürlich, wenn Menschen frustriert sind, kann das schonmal auch eher grob werden. Aber die Frage ist immer, wie kann man bestimmte Dinge lösen, was geht und was geht nicht und wo sind einfach klare Grenzen zu setzen. Also bestimmte Formen der Gewalt müssen dann rechtsstaatlich geklärt werden, das ist klar. Aber wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme und die auch immer sagen, hier ist so viel Kriminalität, dann frage ich immer: Naja, ist Ihnen schonmal selber was passiert? Kennen Sie jemanden, dem was passiert ist? Und in der Regel kommt ein Nein."

Vergleich mit Frankreich schwierig

Einen Vergleich mit Frankreich findet Johanna Ludwig grundsätzlich schwierig – vor allem so heftige Ausschreitungen gebe es hier nicht. Ähnlich sieht das Bernward Küper, Landesgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Sachsen-Anhalts. "Die Lage in Frankreich ist grundsätzlich schon noch eine andere. Dort haben wir es mit einem Zentralstaat zu tun, in dem ein sehr hoher Migrationsdruck herrscht. Dort ist die Integrationsarbeit auch nicht so gelaufen, wie man sich das hätte vorstellen können. Auch da sollte man nicht Steinen schmeißen, die Integration in Deutschland ist deutlich verbesserungswürdig. Allerdings hat man da in Frankreich auch noch sehr viele Hausaufgaben zu tun."

Wenn die Integration besser laufe, habe das auch Einfluss auf Stadtviertel, sagt Küper. Als Beispiel nennt er Städte, in denen Geflüchtete nicht konzentriert in einem Quartier untergebracht wurden, sondern an unterschiedlichen Orten. Das habe den Austausch untereinander erleichtert.

Neben fehlender Integration liege es aber auch am sozialen Wohnungsbau, meint Carsten Rieder vom Gemeinde- und Städtebund Thüringen. "Das, was uns im Moment fehlt, ist einfach die Unterstützung. Also wenn der Bund versprochen hat, 400.000 Wohnungen im Jahr zu bauen und letztlich landen wir bei 200.000, dann ist dieses Ziel der Entzerrung von Spannungen vor Ort einfach nicht erreichbar." Dadurch gebe es auch weiter Stadtviertel, in denen Menschen sich sozial benachteiligt fühlen würden. Von Zuständen wie in Frankreich sei man aber zum Glück noch entfernt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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