Forschung Künstliche Intelligenz soll Cyberattacken verhindern helfen
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03. August 2024, 05:00 Uhr
Wie kann künstliche Intelligenz in Zukunft nützlich unseren Alltag beeinflussen? Eine Möglichkeit ist der Einsatz von KI bei der Cybersicherheit. Dort geht es um unglaublich viele und sensible Daten. Institute in Mitteldeutschland forschen an einem sinnvollen Einsatz für öffentliche Einrichtungen.
Vor drei Jahren musste der Landkreis Anhalt-Bitterfeld den Katastrophenfall ausrufen. Eine Cyberattacke hatte die IT der Behörde lahmgelegt. Eine Software infizierte die Daten und verschlüsselte sie. Die Verwaltung sollte ein Lösegeld zahlen, um wieder arbeitsfähig zu sein. Der Fall war bis dahin einzigartig und kostete den Landkreis und damit den Steuerzahler sehr viel Geld – und Nerven. Rund 2,5 Millionen Euro mussten für die Datenrettung und den Aufbau einer neuen IT-Infrastruktur ausgegeben werden.
Die Frage ist: Hätte der Einsatz einer künstlichen Intelligenz (KI) den IT-Angriff verhindern können? Oder hätte eine KI zumindest dabei helfen können, den Schaden zu verringern? Täglich sind Unternehmen, Behörden und öffentliche Einrichtungen von Cyberattacken bedroht und betroffen. Gerade kleinere Firmen und Verwaltungen haben es schwer, sich dagegen zu wehren. Denn sie haben in den meisten Fällen keine eigenen Abteilungen, die sich um das Thema kümmern, sowie weniger finanziellen Spielraum.
Mehr Digitalisierung verlangt mehr Sicherheit
"Cyberabwehr kostet Geld, ein Nutzen ist nicht immer sofort erkennbar", sagt Gruppenleiter Dennis Rösch vom Fraunhofer Institut IOSB in Ilmenau. "Und generell ist die IT-Sicherheit bei öffentlichen Einrichtungen nicht da, wo sie sein müsste", sagt Thomas Patzelt MDR AKTUELL. Patzelt ist Geschäftsführer der Firma TSA aus Halle/Saale. Seine rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen Kommunen in zehn Bundesländern bei der Digitalisierung. Das sogenannte Onlinezugangsgesetz (OZG) verlangt, dass Angebote der Verwaltung digital, sicher und einfach von überall aus bedient werden können. Dabei ist klar: Umso mehr digitalisiert wird, umso größer wird die Möglichkeit von Angriffen auf die Daten.
Jemand, der das verhindern möchte, ist Dr. Sandro Wefel. Er ist Projektgruppenleiter an der Universität Halle. Vor fünf Jahren startete die Uni eine Kooperation mit der Universität Magdeburg und der Hochschule Harz. Es ging bei dem Projekt um die Frage: Wie können Kommunen und öffentliche Einrichtungen ihre Daten vor Angriffen von außen besser schützen? Ziel war die Entwicklung von Sicherheitssoftware für den öffentlichen aber auch privatwirtschaftlichen Bereich. Das Projekt läuft bereits mit zwei Pilot-Kommunen aus Sachsen-Anhalt, die aus Sicherheitsgründen aber nicht öffentlich gemacht werden dürfen.
KI soll bei Eindringlingen warnen
Die Informatiker entwickeln eine Software, die Abweichungen von bestimmten Mustern erkennen soll – und damit bei Angriffen die Abteilungen warnen kann. Dieses Erkennen von "Änderungen vom Normalen" soll in Zukunft auch eine Künstliche Intelligenz unterstützen. Für dieses Entwicklungs-Projekt haben die Hochschulen jüngst eine weitere Förderung von der Europäischen Union und dem Land Sachsen-Anhalt erhalten. Rund zwei Millionen Euro gehen in den nächsten vier Jahren an die Uni Halle. Dann soll die KI mögliche Probleme erkennen, sie klassifizieren und weiterleiten können. "Die Software hilft allerdings nicht dabei, das Problem zu lösen", sagt Dr. Wefel.
Der Projektleiter schaut schon in die Zukunft und plant, ab 2028 mit der dann fertigen Anwendung zusammen mit Partnern aus der freien Wirtschaft ein Zentrum zu gründen, das aus der Universität ausgegliedert werden soll. Dieses Zentrum könnte dann die Verknüpfungsstelle für angeschlossene Kommunen und Unternehmen sein, die im Fall einer erkannten Cyberattacke einspringen, um das Problem zu lösen. Aber bis dahin sei noch ein weiter Weg.
Angriffe auf kritische Infrastruktur
Das Thema Cybersicherheit ist auch bei Energie- und Wasserversorgern ein großes Thema. Oft sind es die in öffentlicher Hand befindlichen Stadtwerke, die eine reibungslose Energieversorgung sicherstellen müssen. Um den Schutz vor Cyberattacken auf diese kritische Infrastruktur kümmert sich das Fraunhofer Institut IOSB in Ilmenau. Das Institut betreibt ein Lernlabor, um Mitarbeitende von Versorgern zum Thema Datensicherheit zu schulen. In Ilmenau spielt auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz eine Rolle, wie Gruppenleiter Dennis Rösch bestätigt.
"Wir haben ein System entwickelt, das auf Basis von KI Angriffe identifizieren kann und klassifiziert", sagt er MDR AKTUELL. Um Angriffe zu identifizieren sei es wichtig, eine große Datenmenge analysieren zu können. "Dabei kann KI sehr gut helfen. Dort können Muster erkannt werden, es kann auf gegebene Kriterien hingewiesen werden, wodurch eine Klassifikation stattfinden kann", sagt Rösch. Die KI könne mit jeder Menge Daten umgehen und Unregelmäßigkeiten erkennen, wozu ein Mensch nicht immer in der Lage sei. Ein ähnlicher Ansatz wie bei den Entwicklern der Uni Halle.
Nicht auf die künstliche Intelligenz verlassen
Allerdings, und da sind sich die Experten einig, komplett verlassen sollte man sich auch in Zukunft auf die Technik nicht. "Die Ergebnisse der künstlichen Intelligenz können fehlerhaft sein", sagt TSA-Geschäftsführer Thomas Patzelt. Die KI könne unterstützen, aber ein blindes Vertrauen sei gefährlich.
Und der Landkreis Anhalt-Bitterfeld? Nach der massiven Attacke auf die IT vor drei Jahren seien verschiedene Maßnahmen ergriffen worden, um die Sicherheit zu erhöhen, teilt der zuständige Fachbereichsleiter Oliver Rumpf MDR AKTUELL mit. Dazu gehörten eine Beschränkung des Netzwerkverkehrs, ein eingeschränkter Zugriff der Systeme auf das Internet, komplexere Authentifizierungsmethoden sowie ein neues Konzept für Rechte und Rollen. Eine KI zum Schutz der IT-Infrastruktur wird allerdings noch nicht eingesetzt. "Wir beobachten jedoch die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich und evaluieren unsere Möglichkeiten", sagt Rumpf.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. August 2024 | 06:00 Uhr