Jürgen Resch (l-r), Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Franziska Heß, Rechtsanwältin und Prozessvertreterin, und Olaf Bandt. 9 min
Video: Jürgen Resch (links) von der Deutschen Umwelthilfe ist häufig Ziel von Hassnachrichten und Bedrohungen. Auch andere Aktivisten wie Katja Diehl und Luisa Neubauer erreichen Bedrohungen und Beleidigungen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Hass im Internet Klimaaktivisten häufig Ziel von Bedrohungen und Beleidigungen

09. Mai 2024, 11:59 Uhr

Luisa Neubauer, Katja Diehl und Jürgen Resch – alle drei engagieren sich für den Umwelt- und Klimaschutz und werden dafür in der Öffentlichkeit und im Internet angefeindet. Um Betroffenen zu helfen, hat sich der Verein HateAid gegründet. Jeden Monat suchen rund 100 Menschen eine Beratung bei der Organisation.

Der Umweltaktivist Jürgen Resch ist bei einigen Fahrern von Dieselfahrzeugen zur Hassfigur geworden. "Dieses Schwein Jürgen Resch wird in Kürze sterben. Sucht euch schon mal einen Nachfolger. Der kann dann aufräumen, wenn euer Haus abgebrannt ist." Diese Morddrohung erreichte im Januar die Deutsche Umwelthilfe. Resch ist einer der Bundesgeschäftsführer. Im weiteren Text finden sich Hinweise auf ein Motiv des anonymen Schreibens. "Ihr elenden Drecksäcke mit den bekifften Weibern. Wir kommen und überschütten euch mit Diesel."

Mit Security zur Lesung

Resch hat mit seinen Klagen gegen zu hohe Abgaswerte in einigen Städten Fahrverbote durchgesetzt. Seit Jahren schlägt ihm Hass und Hetze entgegen. Für Reschs Lesung aus seinem neuen Buch hat der Intendant Burkhard Kosminski im Stuttgarter Schauspiel einen Sicherheitsdienst engagiert. Vor zwei Jahren hatte ein Unbekannter bei einem ähnlichen Termin mit dem Umweltschützer gedroht, das Theater "in die Luft zu sprengen".

Burkhard Kosminski, Intendant am Schauspiel Stuttgart
Burkhard Kosminski, Intendant am Schauspiel Stuttgart, hat für die Lesung des Umweltschützers Jürgen Resch einen Sicherheitsdienst engagiert. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Man ist im ersten Moment geschockt, im zweiten Moment wahnsinnig wütend. Dass man einfach einen Shitstorm im Netz loslegen kann", erzählt Kosminski. "Natürlich wussten wir, dass Resch immer wieder bedroht wird, aber dass ein Theaterabend gesprengt werden soll ... Das war die Absicht, dass der Abend nicht stattfinden soll. Es ist absurd, dass man eigentlich eine 'high security' braucht in einem Denkraum wie Theater".

Die meisten Beleidigungen und Drohungen gegen Resch werden in den sozialen Netzwerken geschrieben. So gründete sich vor einigen Jahren eine Gruppe auf Facebook, die heute mehr als 50.000 Mitglieder hat. Im Internet wird Resch regelmäßig beleidigt – inklusive Gewaltfantasien bis hin zu Todesdrohungen. "Wer beseitigt endlich diese Fratze. Meine Erziehung lässt es nicht zu. Zu beschreiben, was ich von Jürgen Resch halte und am liebsten tun würde. Wer bringt den zur Strecke?" Das sind nur einige der Nachrichten.

HateAid: Vor allem Klimaaktivisten Ziel von Hass

Anna-Lena von Hodenberg
Anna-Lena von Hodenberg hat den Verein Hate Aid gegründet, um Opfern von Hass im Netz zu helfen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

So wie Resch geht es mittlerweile vielen Menschen. Die Organisation Hate Aid ("Hilfe gegen Hass") will daher den Opfern von sogenannter digitaler Gewalt helfen. Auch diejenigen, die dort engagiert sind, werden bedroht. Nach Angaben der Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg melden sich jeden Monat rund 100 neue Betroffene. "Das können Klassiker sein wie Beleidigungen, Bedrohungen, Verleumdungen, Vergewaltigungsandrohungen, aber eben auch zum Beispiel das Veröffentlichen der Privatadresse, der Adresse der Schule der Kinder", erklärt die Aktivistin und Journalistin. "Das kann aber auch Spyware zum Beispiel auf dem Handy sein. Oder Deep-Fake-Pornografie. Das ist ein ganz breiter Begriff. Und digitale Gewalt kann tatsächlich, kann man so sagen, jeden und jede treffen. Aber manche trifft es eben sicher."

Digitale Gewalt kann tatsächlich jeden und jede treffen. Aber manche trifft es eben sicher.

Anna-Lena von Hodenberg, Geschäftsführerin von HateAid

Besonders oft werden Frauen, Minderheiten und Politiker attackiert. Aber auch engagierte Menschen, die sich zu Themen wie Rechtsextremismus, Zuwanderung oder Feminismus positionieren. Als Anna-Lena von Hodenberg vor fünf Jahren Hate Aid gründete, fiel ihr sofort ein weiteres Reiz-Thema auf: alles, was mit Umwelt und dem Klimawandel zu tun hat. Extreme Wut, die gar nicht mehr aufhörte.

"Eine Klientin der ersten Stunde vor fünfeinhalb Jahren, als ich Hate Aid gegründet habe, war Luisa Neubauer. Eine Studentin, eine junge Frau, die sich für unsere Umwelt und eine lebenswertere Welt einsetzt und bis heute eine Dauerklientin ist", erklärt von Hodenberg. "Neubauer wird massivst im Internet angegriffen, weil sie sich für Umwelt und Klima einsetzt. Und das vor allem eben aus dem konservativen und aus dem rechten, rechtsextremen Spektrum."

Shitstorm nach Talkshow

Die Mobilitätsberaterin Katja Diehl traf es vor gut einem Jahr. Ein Auftritt bei Anne Will war der Auslöser für einen Monat voller Hass. Damals diskutierte die Buchautorin in der Talkshow über die Verkehrswende. Gegensätze prallten aufeinander im Gespräch mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei.

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Mobilitätsexpertin Katja Diehl zu Gast in der Talkshow Anne Will. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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In der Talkshow Anne Will vom 5.2.2023 diskutieren u.a. Mobilitätsberaterin Katja Diehl und der parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Thorsten Frei.

Das Erste So 05.02.2023 21:45Uhr 00:32 min

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/video-822490.html

Rechte: ARD.de

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Die Diskussion aus dem Fernsehen schwappte fast zeitgleich ins Netz und eskalierte. "Ich hoffe ein Traum von mir geht bald in Erfüllung: Sie und dieser ganze Ökokleberabschaum drei Meter tief unter der Asphaltdecke verschwinden zu lassen." "Halten Sie die Fresse, oder ich komme vorbei und halte Sie Ihnen." [Anmerkung der Red.: Schreibweise aus den Kommentaren übernommen]. Diese und weitere, noch extremere Nachrichten erreichten Diehl.

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Diehl: Behörden haben oft keine Erfahrungen damit

Katja Diehl Mobilitätsberaterin
Katja Diehl ist Beraterin für nachhaltige Mobilität. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Irgendwann wurde es Katja Diehl zu viel und sie zog sich resigniert aus der Öffentlichkeit zurück. Wochen später kam sie zurück und stellte in 50 Fällen Strafanzeige. "Ich habe manchmal auch gefragt, wie es denn wäre, wenn mir das an der Ampel jemand entgegenbrüllen würde und nicht per Mail schreiben würde." Darauf wurde ihr geantwortet, das wäre etwas anderes und dann wäre es eine klare Bedrohungslage. "Wir Betroffenen merken bei solchen Situationen immer wieder, dass manche Leute immer denken, man kann das Internet noch aus dem Leben trennen – ist ja Quatsch", betont Diehl.

"Das ist mittlerweile alles so vermengt. Es gibt nur noch dieses eine Leben: Und das ist on- und offline gleichzeitig. Da habe ich auch gemerkt, dass viele der Behörden, der Menschen, die dahinter steckten, ja einfach keine Erfahrung mit so etwas haben", erklärt Diehl. Nur in einem der 50 Fälle identifizierten die Behörden einen Täter. Er wurde verurteilt.

Resch verlangt Schließung von Facebook-Gruppe

Juliane Schütt
Rechtsanwältin Juliane Schütt vertritt Jürgen Resch. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Unbefriedigend findet die Strafverfolgung auch die Rechtsanwältin Juliane Schütt, die Jürgen Resch vertritt. Opfer von Attacken können sich wehren, indem sie die Hassposts bei der Plattform – in Reschs Fall beim Besitzer von Facebook, dem Konzern Meta – melden. Dann bleibt nur die Hoffnung, dass die Hasstexte entfernt werden. Wer einzelne Täter identifiziert, kann zivilrechtlich gegen sie vorgehen. Auch das sind aus Sicht der Rechtsanwältin mühsame Verfahren mit ungewissem Ausgang. Schütt und ihr Mandant Resch halten die Situation für unzumutbar.

Die Rechtsanwältin erzählt: "Unser Mandant verlangt deswegen von Meta die Schließung der Gruppen. Er will also nicht gegen das einzelne Posting vorgehen, sondern er sagt: In einer Situation, in der seit vielen Jahren permanent immer wieder zu Hass, Hetze, Mord und Gewalt gegen ihn in einer bestimmten Facebook-Ggruppe aufgerufen wird, muss es möglich sein, gegen diese Gruppe vorzugehen. Also, den Nährboden quasi zu entziehen und die Gruppe zu schließen."

Resch will sich nicht einschüchtern lassen

Jürgen Resch
Trotz der Bedrohungen will Resch nicht aufhören. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Auch dieses Verfahren gegen den Meta-Konzern kann Jahre dauern. So muss Jürgen Resch jederzeit damit rechnen, dass Hassposts wie dieser veröffentlicht werden: Auf einem Bild mit Patronen ist zu lesen "Geht ins Ohr – bleibt im Kopf – Heckler & Koch." Mindestens zwei Wochen lang war das bei Facebook zu lesen. Auf Nachfrage von MDR Investigativ betont Meta: "Hassrede ist inakzeptabel und man gehe aktiv gegen deren Verbreitung vor. Um potenziellen Schaden zu verhindern, entfernt man entsprechende Inhalte." Zu dem konkreten Vorgang äußert sich der Konzern nicht.

Was würde denn passieren, wenn Menschen, die sich für Fragen von Flüchtlingsrechten, von sozial Schwachen und Umwelt- oder Klimaschutz einsetzen, diesen Drohungen nachgeben?

Jürgen Resch, Deutsche Umwelthilfe

Resch will weitermachen: "Eine klare Botschaft an diejenigen, die spekulieren, mich stoppen zu können: Nein, ich werde mich von solchen Bedrohungen nicht abhalten lassen", betont er. "Was würde denn passieren, wenn Menschen, die sich für Fragen von Flüchtlingsrechten, von sozial Schwachen und Umwelt- oder Klimaschutz einsetzen, diesen Drohungen nachgeben? Ja, wir würden letztendlich die Grundlage unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung verlieren."

Dieses Thema im Programm: Das Erste | FAKT | 07. Mai 2024 | 21:45 Uhr

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