Ungewollt schwanger Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen: Bundestag entscheidet vor Neuwahl nicht mehr
Hauptinhalt
11. Februar 2025, 09:29 Uhr
Keine Entscheidung zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen vor der Bundestagswahl: Der Gesetzentwurf sollte Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herausnehmen. Damit wären Abtreibungen bis zur zwölften Woche rechtmäßig gewesen. Der Rechtsausschuss konnte sich jedoch am Montag nicht zu einer Abstimmung durchringen. Der Paragraf 218 bleibt vorerst.
Gesetzentwurf: Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Woche straffrei
Ein Gesetzesvorhaben zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen ist vorerst gescheitert. Der Rechtsausschuss im Bundestag hatte sich am Montagabend mit dem Gesetzentwurf zur teilweisen Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland beschäftigt. 328 Bundestagsabgeordneten hatten zuvor den Entwurf unterstützt.
Kern des vor allem aus den Reihen der SPD und der Grünen im Herbst vorgelegten Vorstoßes war es, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Abbrüche bis zur zwölften Woche sollen stattdessen "rechtmäßig und straffrei" sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Eine Beratungspflicht sollte bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen.
Die Anwesenden im Rechtsausschuss konnten sich am Montag in Fragen der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesentwurfs nicht einigen. Auch die Stigmatisierung von Ärztinnen und Ärzten sowie Betroffener und die Kosten, die für eben jene entstehen, waren Teil der Debatte im Ausschuss. Am Montag wurde den Abgeordneten von SPD, den Grünen und der Linken deshalb ein Eil-Appell von über 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter Pro Familia Deutschland, der Gewerkschaft Verdi und dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, übergeben.
Union, AfD und große Teile der FDP lehnen eine Reform ab. Auch die katholische Kirche hat sich für die Beibehaltung der derzeitigen Regelung ausgesprochen.
Nicht alle wollen den Paragrafen 218 abschaffen
Nicht nur im Bundestag wurde und wird über den Paragraf 218 diskutiert. Matthias David ist Gynäkologe in Berlin und führt Schwangerschaftsabbrüche durch. Er beschreibt seine Position beim Thema Abbrüche im Gespräch mit MDR Aktuell vor einem großen Frauenheilkunde-Kongress im vergangenen Jahr: "Es gibt eine Gruppe, die das Thema problematisiert, anderen ist es egal und es gibt eine dritte Gruppe, mit denen, die die Diskussion beruhigen wollen." Matthias David gehöre zur dritten Gruppe.
David findet nicht, dass es eine Entkriminalisierung, wie von den Verbänden und Gruppen gefordert, brauche: "Ich führe selbst Abbrüche durch. Ich fühle mich nicht kriminalisiert. Die gesetzliche Regelung, so wie sie ist, hat sich bewährt." Die Versorgungslage sei gut, sagt David. Er schätzt, dass medikamentöse Abbrüche weiter zunehmen würden. "Es ist ein besonderer Eingriff und in keinem anderen Fach gibt es diese besondere Situation." Die Abläufe seien etabliert. Er sagt: "Es gibt einen Umgang damit und viele Frauenärztinnen und -ärzte gehen mit dieser Realität um." Er verstehe den Druck nicht, Gesetze für Abbrüche neu regeln zu wollen.
Doctors for Choice: Stigma bei Schwangerschaftsabbrüchen hoch
Das sieht Jana Maeffert anders. Da es sich bei einem Abbruch immer noch um etwas "Illegales" handele, führe das zu Stigmatisierung, sagt die Gynäkologin und Aktivistin. Sie ist Mitglied in der Organisation Doctors for Choice, einem Netzwerk von Ärztinnen, Ärzten und Medizinstudierenden, die sich für Selbstbestimmung und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einsetzen.
Maeffert sagt: "Es gibt so viele Empfehlungen und Leitlinien, die eine Liberalisierung fordern. Das erste Kapitel der WHO zu diesem Thema beschreibt, wie wichtig es ist, dass Schwangerschaftsabbrüche legal und entkriminalisiert sind. Deutschland wurde von der UN mehrfach gerügt, weil das bei uns immer noch nicht der Fall ist."
Auch die ELSA-Studie der Bundesregierung, die sich den Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer widmet, belege, dass die Versorgung in manchen Regionen schlecht und die Stigmatisierung hoch sei. 85 von 400 Landkreise lagen zum Beispiel außerhalb einer angemessenen Erreichbarkeit für einen Abbruch, die mehr als 40 Minuten Autofahrt entspricht. Die Gynäkologin fragt: "Wie kann es sein, dass eine Regierung diesen Paragrafen noch halten kann?" Sie und ihre Kolleginnen von Doctors for Choice seien enttäuscht und traurig über den herrschenden Ist-Zustand.
Ausblick: Neue Bundesregierung muss Entwurf neu einbringen
Das Vorhaben hätte nur dann noch eine Chance gehabt, vor der Wahl im Bundestag überhaupt zur Abstimmung gestellt zu werden, wenn der Rechtsausschuss eine Sondersitzung des Bundestags veranlasst hätte. Doch ohne diese Sondersitzung ist eine Abstimmung vor der Wahl nicht mehr möglich. Planmäßig kommt der Bundestag nur noch am Dienstag zusammen. Angesichts des Themas war jedoch ohnehin fraglich, ob er eine Mehrheit bekäme. Offiziell unterschrieben hatten den Gruppenantrag 328 Bundestagsabgeordnete. Demnach würden noch 39 Stimmen für eine Mehrheit im Parlament fehlen.
Alle Gesetzentwürfe, die bis zum Ende der Legislaturperiode nicht verabschiedet wurden, gelten als erledigt. Für den Gesetzentwurf zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen heißt das, dass der Entwurf erneut eingebracht werden muss. Die neue Bundesregierung und das neu gewählte Parlament müsste sich hierfür einsetzen.
Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland
Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist im Jahr 2023 mit rund 106.000 gemeldeten Fällen um 2,2 Prozent erneut gegenüber dem Vorjahr gestiegen, nachdem im Jahr 2022 mit rund 104.000 Fällen ein Plus von 9,9 Prozent gegenüber dem niedrigen Niveau des Jahres 2021 (rund 95.000 Fälle) zu verzeichnen war.
Quelle: Statistisches Bundesamt
dpa/MDR (nw,amu)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 10. Februar 2025 | 22:00 Uhr