Das Interview zum Nachlesen Mathias Fangohr vom LSVD Sachsen-Anhalt
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05. Dezember 2022, 11:54 Uhr
Mathias Fangohr vertritt den LSVD Sachsen-Anhalt und damit die queere Community im Rundfunkrat des MDR. Im Interview mit MEDIEN360G spricht er über Kommunikation, Transparenz und Ehrenamt.
MEDIEN360G: Wir ist zu Gast im Innenhof der "RosaLinde" in Leipzig. Das ist ein Beratungs- und Begegnungszentrum für queere Gruppen. Und uns gegenüber sitzt Mathias Fangohr. Das hat nämlich seinen Grund, dass wir hier sind, denn er ist in den MDR-Rundfunkrat entsandt von den LSBTTI*-Gruppen. Herr Fangohr, herzlich willkommen - und was ist das, wen vertreten Sie denn genau?
Mathias Fangohr: Ich bin entsandt worden vom LSVD Sachsen-Anhalt, dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, Landesverband Sachsen-Anhalt, in den MDR-Rundfunkrat seit Anfang des Jahres und vertrete die Interessen von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans-, Inter- Personen und all derer, die nicht genannt sind. Zum Beispiel queere Menschen - es gibt da ganz unterschiedliche Auslegungen der Begrifflichkeiten. Und ich hoffe, dass ich hier niemanden vergessen habe.
MEDIEN360G: Sie sagten ja schon, Sie sind noch recht neu im Rundfunkrat. Es gibt ja die Debatte: Was ist der Rundfunkrat überhaupt? Ein Kontrollorgan - oder ein beratendes Gremium, das sozusagen Partner der MDR-Geschäftsleitung ist. Wie wäre Ihre persönliche Antwort?
Mathias Fangohr: Also einmal geht es ganz zentral beim MDR-Rundfunkrat um die Vielfaltssicherung. Und ich versteh schon den Auftrag einmal als beratendes Gremium sowie auch als Kontrollgremium, so wie es auch im Staatsvertrag drin steht. So würde ich meine Arbeit auch gern wahrnehmen wollen - und vertrete da insbesondere die ganz spezifischen Sichtweisen von LSBTTI*-Menschen in Sachsen, in Sachsen-Anhalt und in Thüringen. Eben im gesamten Sendegebiet. Ich bin da auch sehr eng vernetzt mit all den Menschen und sehr lange schon aktiv unterwegs, so dass ich das Gehör immer sehr nah an der Basis habe.
MEDIEN360G: Diskutiert wird im Moment ja sehr viel über Transparenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk allgemein, aber auch in den Gremien. Erhalten Sie intern im Gremium alle nötigen Informationen, um Ihrer Arbeit nachzukommen?
Mathias Fangohr: Ganz am Anfang war natürlich alles total neu für mich. Da mussten wir uns alle - ging ja vielen anderen auch so - erstmal schlau machen: Welche Rechte haben wir? Welche Pflichten haben wir? Und ich bin sehr froh, dass es das Gremienbüro gibt, was uns unglaublich viel zuarbeitet. Wenn wir Nachfragen haben, dann bekommen wir alle Zuarbeit, die wir gerne hätten. Ich hab bislang eher den Eindruck, dass man uns da sehr aufnimmt, also den Rundfunkrat und insbesondere die neuen Mitglieder, um uns mit allem vertraut machen zu können. Ich möchte, ehrlich gesagt, auch nicht aus dem Bauch entscheiden, sondern schon ganz genau wissen, worum es geht.
MEDIEN360G: Transparenz ist aber auch was, was nicht nur das Gremium betrifft, sondern auch den MDR insgesamt. Haben Sie da schon eine Erfahrung gemacht, wie der MDR-Rundfunkrat in den MDR hineinwirkt? Wissen die Mitarbeitenden im MDR, was der Rundfunkrat macht? Ganz konkret: Gibt es da Austausch mit den Mitarbeitenden?
Mathias Fangohr: Was die Mitarbeitenden angeht, habe ich die ganz große Hoffnung: Wenn sie das Gefühl haben, nicht beteiligt zu werden oder außen vor zu sein beim Rundfunkrat, dass sie das auch sagen und an uns herantragen. das ist ganz wichtig. Umgekehrt genauso: Ich hoffe jedenfalls, dass wir die Arbeit, die wir im Rundfunkrat leisten, herüberbringen und dass sie auch ins Haus hinein kommuniziert wird.
Zum Thema Transparenz auch noch nach außen der Blick: Ehrlich gesagt, ich persönlich hätte kein Problem damit, wenn sogar Ausschusssitzungen öffentlich gemacht würden. Die Rundfunkratssitzung - da gibt es einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil - die ist ja schon öffentlich, da kann sich jeder anmelden und dann einfach kommen. Theoretisch könnte das auch bei den Ausschüssen so sein. Bespiel: Der Landtag Sachsen-Anhalt - ich komme ja aus Sachsen-Anhalt -, hat auch im Zuge der Parlamentsreform beschlossen, dass die Ausschüsse dort öffentlich sind. Da könnte man überlegen, es beim MDR ähnlich zu machen. Da wäre das einfach nur gut, denke ich, wenn wir das auch nach außen tragen würden. Wenn die Menschen merken: Wir beraten da nicht nur hinter verschlossenen Türen in dunklen Kämmerlein, nein, wir machen das auch tatsächlich transparent. Und nehmen die Menschen mit.
MEDIEN360G: Wie sieht es denn insgesamt aus: Ist die Arbeit des Rundfunkrats in der allgemeinen Öffentlichkeit bekannt? Spielt er überhaupt eine Rolle? Klar, der Rundfunkrat meldet sich mit Pressemitteilungen zu Wort. Aber gäbe es nicht auch ein bisschen mehr, was er tun könnte?
Mathias Fangohr: Gute Frage. Es gibt immer Möglichkeiten, die Arbeit und Kommunikation zu verbessern. Wenn ich in meinem Umkreis schaue, bei Freunden, Verwandten, Bekannten oder auch bei uns in der LGBTIQ-Welt, dann hab ich nicht den Eindruck, dass allgemein bekannt ist, was der MDR-Rundfunkrat eigentlich macht und vielen ist vielleicht gar nicht klar, dass es den überhaupt gibt. Und da bedarf es schon mehr Information! Ich möchte gern meinen Teil dazu beitragen, indem ich zu all unseren Leute offen sagen: Wo bin ich? Zum Beispiel habe ich jetzt beim LSVD in Sachsen-Anhalt eingeführt, dass es bei allen Vorstandssitzungen einen obligatorischen Tagesordnungspunkt gibt: "Bericht MDR-Rundfunkrat".
MEDIEN360G: Und wie ist das Interesse? Wie kommt der Bericht aus dem Rundfunkrat an?
Mathias Fangohr: Das Interesse beim Verband ist in jedem Fall groß. Wir haben jahrelang dafür gekämpft, dass es überhaupt eine Vertretung im MDR-Rundfunkrat gibt - seit dem ZDF-Urteil 2014. Den LSVD und queere Vertretungen gibt es ja auch in anderen Rundfunkräten, auch im ZDF-Fernsehrat - entsandt von Thüringen - und im Hörfunkrat des Deutschlandradios. Das Interesse im Verband allgemein ist sehr groß. Aber einen Bericht auf der Tagesordnung zu haben, was es vorher eben nicht gab, das ist schon mal eine gute Sache. So wecken wir auch Interesse und so entstehen auch Nachfragen: Die Leute beschäftigen sich damit.
MEDIEN360G: Die Gremien bekommen mit dem neuen Medienstaatsvertrag ja neue Aufgaben zugewiesen: den Erlass von Richtlinien, sie sollen Qualitätssicherung unterstützen. Und es gibt eine große Debatte, ob sie dazu überhaupt in der Lage sind. Sie haben schon auf den Zeitaufwand und das Ehrenamt hingewiesen. Wie ist ihre Einschätzung: Schaffen Sie das? Ist das zu wuppen - und welche Unterstützung brauchen Sie vielleicht noch dazu?
Mathias Fangohr: Es ist ehrenamtliche Arbeit. Wenn diese Arbeit gewissenhaft geleistet werden soll, braucht es eine entsprechende Zuarbeit. Das können letztendlich nur die Gremienbüros leisten. Hier muss man drüber nachdenken, ob nicht noch mehr Personal zur Verfügung gestellt werden muss, wie das künftig ausgestaltet werden kann. Der MDR ist da schon ganz gut ausgestattet. Aber wir haben beim RBB mitbekommen, dass das da nicht der Fall war. Wir haben gehört - nur eine Person. Das geht so natürlich nicht. Denn ohne diese Zuarbeit, ohne die Unterstützung der Gremienbüros kann so ein ehrenamtlicher Rundfunkrat überhaupt gar nicht arbeiten. Ich kann es mir nicht vorstellen, wie!
MEDIEN360G: Eine weitere Forderung ist ja - ich weiß nicht, wie Sie dazu stehen -, dass die Gremien nochmal unabhängiger werden müssten von den Anstaltsleitungen, den Intendanten. Die Gremien sind ja meistens den Intendanzen zugeordnet. Pressemitteilungen werden beispielsweise ganz normal über die Sender-Pressestelle verschickt. Da gibt es also keine Unabhängigkeit des Gremiums in dem Sinne. Sehen Sie da noch Verbesserungsbedarf?
Mathias Fangohr: Da würde ich fast ein bisschen widersprechen. Ein Kontrollgremium wie der Rundfunkrat sollte künftig eher etwas selbstbewusster auftreten. Wir sind ein unabhängiges Gremium.
MEDIEN360G: ... sagt Mathias Fangohr. Wir danken ganz herzlich für das Gespräch!