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Nach dem RBB-Skandal wird die Arbeit der Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hart diskutiert. Können die Räte ihrer Aufgabe als Vertreter der Gesellschaft gerecht werden oder braucht es eine Gremienreform? Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Diskussion um Gremienreform Falsch aufgestellt oder kommunikativ überfordert?

18. November 2022, 15:09 Uhr

Eigentlich ist die Idee großartig: Die öffentlich-rechtlichen Medien sind für die Gesellschaft da, um ihren Beitrag zur Information und Meinungsbildung zu leisten. Im Gegenzug werden sie von eben dieser Gesellschaft über deren Vertreterinnen und Vertreter kontrolliert. Auf dem Papier funktioniert das auch. In der Realität gibt es aber Probleme. Und wie so oft hapert es vor allem bei der Kommunikation.

Seit den Vorfällen beim RBB wird eine Reform der Aufsichtsgremien bei den öffentlich-rechtlichen Medien gefordert. Denn die Aufarbeitung des Skandals um die ehemalige RBB-Intendantin und ARD-Vorsitzende Patricia Schlesinger hat gleich zwei Schwachpunkte deutlich gemacht. Zum einen war sie als oberste Chefin der Anstalt einer Kontrolle durch die Gremien weitestgehend entzogen. Zum anderen nahmen es aber auch die Gremien mit ihrer Kontrolle nicht wirklich ernst. Dass es so weit kommen konnte, liegt auch daran, dass die Gremien und ihre Arbeit im Sender-Alltag wie in der Öffentlichkeit kaum vorkommen. Und sich bislang auch nur wenige wirklich dafür interessiert haben.

Nach außen Einmütigkeit

Bei einer Podiumsdiskussion beim Dokumentarfilmfestival DokLeipzig brachte das die WDR-Rundfunkrätin Petra Schmitz auf den Punkt: Viele Gremien verstünden sich "eher als Komanager der Anstalten denn als Kontrolleure". Doch das sei "ein falsches Grundverständnis", so Schmitz: "Es gibt viele Sachen, die können Rundfunkräte eigentlich schon heute machen, sie tun es aber nicht. So sei es im WDR-Rundfunkrat "mühselig" gewesen, eine Stellungnahme durchzusetzen, die den eigenen Intendanten wegen seines Umgangs mit einer kontrovers diskutierten Satire kritisierte. "Da herrscht die Haltung vor, dass man im Haus nach außen Einmütigkeit präsentiert", sagte Schmitz. Aber auch nach innen hapere es mit der Kommunikation. So gebe es kaum Austausch zwischen den Gremienmitgliedern und den WDR-Mitarbeitenden. Für den Rundfunkrat spräche allein dessen Vorsitz, und dieser "Gremienvorsitz und die WDR-Geschäftsleitung vermitteln eher, dass die anderen Mitglieder des Rundfunkrats nicht eigeninitiativ im Haus tätig werden sollen."

Das bestätigte bei der Leipziger Diskussion Gogo Gensch, der bis 2019 beim SWR als Redakteur in leitender Position war. "Es sind in meiner Zeit nie Redakteure auf den Rundfunkrat oder umgekehrt Rundfunkratsmitglieder auf die Redaktionen zugegangen". Nur einmal sei er in seiner ganzen Laufbahn vom Rundfunkrat seiner Anstalt eingeladen worden, um ein neues Modell für die Abwicklung von Koproduktionen vorzustellen.

Pressetellen-Sprech: Wie die Gremien kommunizieren

Wenn die Gremien selbst kommunizieren, sind sie dabei außerdem überall auf die Pressestellen der Anstalten angewiesen. Eine eigene Öffentlichkeitsarbeit im engeren Sinne findet nicht statt. Und so ähneln viele Statements der Gremien offiziösen Anstaltsverlautbarungen. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier lästerte mit Blick auf den NDR-Verwaltungsrat, dessen Pressemeldungen kämen über den "Verteiler der Unternehmenskommunikation des Senders" und enthielten "fast immer ein wörtliches Zitat der gerade amtierenden Vorsitzenden, das so bürokratisch, nichtssagend und unverwüstlich positiv klingt, als wäre es aus einem alten 'Neuen Deutschland' gefallen."

Auch Leonard Novy, Direktor des gemeinnützigen Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM), sieht "strukturelle Probleme einer Gremienaufsicht, deren Verfasstheit und Arbeitsweisen in vielerlei Hinsicht aus der Zeit gefallen sind und die sich ausweislich ihrer öffentlichen Wortmeldungen (Protokolle und Pressemitteilungen) eher als Teil des Hauses denn als Anwälte der Allgemeinheit verstehen".

Unabhängigkeit von Intendanzen

"Die Gremien müssen von den Intendanten unabhängig gemacht werden - sonst ist Nähe zu groß", fordert daher die Medienpolitikerin und Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (B90/Grüne). Denn Rundfunk- und Verwaltungsräte sollen eigentlich wie Aufsichtsräte bei Aktiengesellschaften funktionieren - "da ist kritische Distanz wichtig", so Rößner. Wenn wie beim RBB aber die für die Unterstützung von Rundfunk- und Verwaltungsrat zuständige Gremiengeschäftsstelle gerade mal mit einer Person besetzt sei und noch dazu der Intendanz unterstehe, dürfe man sich nicht wundern. "Die ehrenamtlich arbeitenden Gremien-Mitglieder brauchen eine Unterstützung und Zuarbeit, die diesen Namen auch verdient.

Beim MDR kümmern sich vier festangestellte Mitarbeitende in der Gremiengeschäftsstelle um die Belange von Rundfunk- und Verwaltungsrat. Die Pressearbeit läuft wie bei den anderen Anstalten über die MDR-Hauptabteilung Kommunikation.

Gerade hier könnten die Gremien aber vieles auch selbst in die Hand nehmen - bis hin zur Vergrößerung der für sie zuständigen Gremienbüros", sagt der Medienwissenschaftler Dominik Speck vom Institut für Journalistik der TU Dortmund, der die Arbeit der Gremien im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) untersucht hat. "Sie entscheiden ja über die Budgets. Da könnte mehr von den Gremien kommen." Auch Speck fordert, dass die Gremien insgesamt, "aber auch die einzelnen Mitglieder stärker an die Öffentlichkeit treten müssen".

Eigener Kanal in die Öffentlichkeit

Unbedingt notwendig sei "ein eigener Kanal in die Öffentlichkeit. Bislang läuft das über die Pressestellen der Sender und die nutzen das häufig für ihre PR", sagt auch Speck im Gespräch mit MDR MEDIEN360G. Dass bei allen Anstalten mit Ausnahme der Deutschen Welle die Rundfunkratssitzungen mittlerweile öffentlich sind und vor Publikum stattfinden, sei ein großer Fortschritt, auch wenn das öffentliche Interesse meist eher gering ausfalle. Das Desinteresse ist außerdem zumindest teilweise hausgemacht: Was hat ein Publikum von einer Debatte im Rundfunkrat über Beschlussvorlagen, die nicht öffentlich zugänglich sind?

Speck hofft daher auf einen "Kulturwandel in den Gremien", die meist noch zu hierarchisch aufgebaut seien. "Wenn da nur der oder die Vorsitzende für das Gremium spricht, ist das nicht mehr zeitgemäß. Hier geht es weniger um Gesetzesänderungen als um Bewusstseinswandel. Die Gremien müssen das mit Leben füllen und den gesetzlichen Spielraum ausschöpfen".

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Blog "Neues aus dem Fernsehrat"

Beim ZDF hat vor ein paar Jahren der Fernsehrat Leonhard Dobusch in genau diese Richtung Neuland betreten. Er hat einfach mal über die Arbeit des Gremiums gebloggt. An "Neues aus dem Fernsehrat" schieden sich zunächst die Geister. Dobusch, der bis Juli 2022 den Bereich "Internet" im Fernsehrat vertrat, verlas auch regelmäßig im Fernsehratsplenum Beschlussvorlagen, damit diese so ins Protokoll aufgenommen wurden und mit diesem veröffentlicht werden mussten. Sein konsequentes Eintreten für Transparenz hat ihm am Ende nicht geschadet. Dobusch, im Hauptberuf Professor am Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck, sitzt seit diesem Sommer im ZDF-Verwaltungsrat. Der tagt zwar nicht öffentlich. Den Blog gibt es aber weiter. Denn als Verwaltungsrat darf Dobusch auch weiterhin an den Sitzungen des Fernsehrats teilnehmen. Nun schreibt er "Neues aus dem Fernsehrat" gemeinsam mit Laura-Kristine Krause, die für den Bereich "Internet" ins oberste ZDF-Gremium nachgerückt ist.

Zu wenig Austausch zwischen Gremien

Doch nicht nur die Kommunikation nach innen in die Medienhäuser und zu ihren Redaktionen und Mitarbeitenden oder nach außen in die Öffentlichkeit kommen bei den meisten öffentlich-rechtlichen Gremien nach Meinung vieler Experten zu knapp. Es hapert auch am gegenseitigen Kontakt und Austausch der Gremien selbst. Selten werde über den Anstaltstellerrand geschaut, bemängelt Speck, "wünschenswert wäre eine viel stärkere Kooperation der Gremien untereinander. Es braucht zumindest eine Art Austauschplattform, nicht nur ARD-weit, sondern eine, die das gesamte öffentlich-rechtliche System abdeckt". Leonard Novy vom IfM schlägt als ersten Schritt "in Richtung einer Emanzipation der Räte" eine "mindestens in Teilen öffentliche Konferenz von Gremienmitgliedern aus allen Sendern und entsendenden Organisationen" vor, "bei der über Erfahrungen und Erwartungen, Best Practices und Reformmodelle diskutiert wird".

Nur so ließe sich die Anbindung an die Gesellschaft wieder herstellen, sagt Novy: "Wenn man der ganzen Krise etwas Positives abgewinnen möchte, dann die Tatsache, dass nun genau über diese Themen öffentlich diskutiert wird, während bis vor Kurzem 99 Prozent der Bevölkerung nichts davon gewusst haben dürften, dass ihre Belange überhaupt durch die Gremien bei ARD, ZDF und Deutschlandradio vertreten werden."

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