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Jede öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt in Deutschland hat ihre eigenen Gremien. Die Zusammensetzung der Rundfunk- und Verwaltungsräte ist dabei unterschiedlich. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Rechte und Möglichkeiten der Gremien Willkommen in der Räte-Republik

09. Dezember 2022, 15:17 Uhr

Auf den ersten Blick sind die Aufgaben der Aufsichtsgremien bei den öffentlich-rechtlichen Medien sehr ähnlich. Sie sollen die Gesellschaft abbilden, die Interessen der Beitragszahlenden vertreten und über die Inhalte wachen. Die Verwaltungsräte kümmern sich vorrangig ums liebe Geld und kontrollieren Sender-Finanzen wie -Geschäftsführung. Doch wer genauer hinschaut, sieht große Unterschiede bei den zwölf öffentlich-rechtlichen Anstalten (9 x ARD plus ZDF, Deutschlandradio und Deutsche Welle).

Das fängt schon bei der Zahl der Gremienmitglieder an. Bei Radio Bremen, der kleinsten ARD-Anstalt, sind es aktuell 32, bei der zweitkleinsten, dem Saarländischen Rundfunk, 38. Die meisten hat der wesentlich größere Südwestrundfunk (SWR) mit 74. Bei der größten ARD-Anstalt, dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) wurde der Rundfunkrat dagegen mit dem neuen WDR-Gesetz 2021 auf 55 Mitglieder verkleinert - vorher waren es 60. Der MDR-Rundfunkrat hat aktuell 50 Mitglieder - genau so viele wie der Bayerische Rundfunk (BR). Doch der MDR macht für drei Bundesländer Programm, der BR nur für Bayern. 58 NDR-Rundfunkrätinnen und Räte wachen über die Vier-Länder-Anstalt im Norden. Im Hessischen Rundfunk sind es 32 und beim Rundfunk Berlin-Brandenburg 30 Vertreterinnen und Vertreter der Gesellschaft. Der ZDF-Fernsehrat zählt aktuell 60 (bis 2015: 77) und der Hörfunkrat bei Deutschlandradio 45 Köpfe. Die wenigsten Mitglieder hat der Rundfunkrat der Deutschen Welle. Beim deutschen Auslandssender, der anders als die anderen öffentlich-rechtlichen Medien nicht aus dem Rundfunkbeitrag, sondern Steuermitteln des Auswärtigen Amts finanziert wird, vertreten 17 Mitglieder die Interessen der Allgemeinheit und wachen über die Einhaltung der Programmgrundsätze.

Gremien: Zusammensetzung höchst unterschiedlich

Auch die Zusammensetzung der Gremien ist höchst unterschiedlich. Beim BR sind beispielsweise Bühnenschaffende gleich doppelt vertreten - es gibt je einen Sitz für die Intendanzen der Bayerischen Staatstheater und einen für die Bayerischen Schauspielbühnen. Beim MDR gibt es nur einen Sitz für den Kulturverband Sachsen. Stets vertreten sind die beiden großen christlichen Kirchen, die jüdischen Kultusgemeinschaften, die Politik und die Gewerkschaften. Doch auch hier gibt es Unterschiede: Bei einigen Gremien wie dem WDR-Rundfunkrat haben die DJV und  DJU in verdi, die Gewerkschaften der Journalistinnen und Journalisten, je einen eigenen Sitz. Bei anderen - beispielsweise dem RBB - müssen sie sich einen teilen. Vertreter der Muslime sind noch nicht überall die Regel, auch die LGBTQIA+ Bewegung ist noch relativ frisch dabei und hat noch Luft nach oben. Sinti und Roma sind bislang nur beim SWR vertreten.

Umwelt, Bitkom und Vertriebene

Ein Blick auf die heute fast überall vertretenen Umweltverbände zeigt aber: Auch bei ihnen hat es Jahrzehnte gedauert, bis sie vom "Exoten-Status" zum Normalfall wurden. Der WDR hat mit dem Bitkom-Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. sogar eine Interessenvertretung der Digitalwirtschaft mit Sitz im Rundfunkrat, die für Diskussionen sorgte. Schließlich seien hier Interessenkonflikte programmiert, hieß es. Doch so etwas hat bei vielen Rundfunkräten Tradition - zumindest bei denen wie dem des BR oder dem WDR, wo auch die Zeitungsverlage ein Mitglied entsenden. Beim SWR hat der Landesschülerbeirat Baden-Württemberg genau so einen Sitz wie die Vertriebenen, die auch noch beim HR vertreten sind. Bei vielen anderen Gremien wurden die früher standardmäßigen Plätze für Vertriebenenverbände allerdings mittlerweile gestrichen.

Zuständig für die Entscheidung, wie groß die Gremien sind und welche Organisationen ein sogenanntes Entsenderecht haben, sind die jeweiligen Landesregierungen bzw. Landtage.

Knackpunkt ARD-Verwaltungsrat

Das gilt auch für die Zusammensetzung und Rolle der Verwaltungsräte. Hier schreiben manche Gesetze wie das für den WDR oder das für Radio Bremen vor, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats bestimmte Kenntnisse und Qualifikationen mitbringen müssen. Beim WDR heißt es: "Die sachverständigen Mitglieder müssen insgesamt Erfahrungen auf dem Gebiet der Medienwirtschaft, der Wirtschaftswissenschaften, der Wirtschaftsprüfung, der Personalwirtschaft, der Informations- oder Rundfunktechnologie sowie des Rechts aufweisen, nachgewiesen jeweils durch eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung in dem jeweiligen Bereich. Unter den Mitgliedern muss eines über das Wirtschaftsprüferexamen und ein weiteres über die Befähigung zum Richteramt verfügen." Bei den meisten anderen Anstalten gibt es keine solchen Vorschriften.

Auch bei den Spielregeln zur Transparenz und Berichtspflicht gibt es große Unterschiede zwischen den Anstaltsgremien. Nach den Vorfällen beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), wo vor allem die Kontrolle der Intendantin durch den Verwaltungsrat versagt hat, hat die Medienpolitik Handlungsbedarf ausgemacht. Die Rundfunkkommission der Länder habe im Rahmen der Diskussion um die Vorgänge beim RBB "einen Sachstandsbericht zu den Punkten Compliance und Transparenz angefordert", erklärte Sachsens Medienstaatsminister Oliver Schenk (CDU) bei einer medienpolitischen Debatte des Dokumentarfilm-Verbands AG Dok bei der diesjährigen Dok Leipzig. Daraus könnten dann auch "Benchmarks für einheitliche Regeln" im gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgeleitet werden.

Stilisierte Grafik: 10 Menschen an einem Konferenztisch. Im Hintergrund sind Logos von ARD, ZDF und Deutschlandfunk zu sehen.
Die öffentlich-rechtlichen Medien sollen Information, Austausch und Meinungsbildung sicherstellen. Ihre Gremien sind dabei die Verbindung zwischen Sendeanstalten und Gesellschaft. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G

Föderalismus und Transparenz

Doch ist ein solcher föderaler Flickenteppich in einer globalen, digitalisierten Welt noch zeitgemäß? Der Medienwissenschaftler Dominik Speck von der TU Dortmund, der im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes die Studie "Öffentliche Anteilnahme ermöglichen - Transparenz, Aufsicht und öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland" verfasst hat, ist skeptisch. Zwar schaffe der Föderalismus "einerseits Stabilität und Sicherheit für die öffentlich-rechtlichen Medien. In Deutschland kann keine Zentralregierung einfach durchgreifen wie in Großbritannien oder Frankreich". Anderseits zeigten sich hier aber auch deutlich Schwächen. "Es ist doch völlig unverständlich, wenn der Verwaltungsrat beim ZDF sehr viel mehr offenlegen muss als der des MDR, obwohl beide Gremien doch die gleiche Aufgabe bei ihrer jeweiligen Anstalt haben", so Speck zu MDR MEDIEN360G. Laut ZDF-Staatsvertrag muss der ZDF-Verwaltungsrat seine Tagesordnungen eine Woche vor den Sitzungen veröffentlichen, außerdem müssen nach der Sitzung die Anwesenheitslisten und eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse veröffentlicht werden. Beim MDR gibt es keine entsprechenden Vorschriften. "Transparenz ist zwar kein Allheilmittel", so Speck, "aber immens wichtig."

Politische Vorgaben oder Selbstregulierung

Speck treibt noch eine andere Sorge um: "Der Föderalismus führt auch dazu, dass Reformen in der Medienpolitik in sehr kleinen Schritten passieren. Ich habe die Befürchtung, dass da jetzt wieder viel im Klein-Klein untergeht. Denn die Anstalten, Gremien und die Politik spielen hier ein 'Schwarzer Peter'-Spiel und machen sich gegenseitig dafür verantwortlich, dass nicht mehr passiert." Bei der Diskussion in Leipzig hatte das auch Medienminister Schenk indirekt eingeräumt. Er warnte davor, "hier der Politik zu viel aufzugeben. Wir sind bei dem Thema auch nicht die Allerschnellsten". Das öffentlich-rechtliche System könne "sich schon ein Stück weit selbst regulieren". Bester Beweis dafür sei, dass sich einige Anstalten "ja schon auf den Weg machen. Und ein gutes Beispiel sollte immer Ansporn für andere sein, es gleichzutun".

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