Stilisiertes Foto: Porträt des MDR-Rundfunkratsvorsitzenden Dietrich Bauer 12 min
Dietrich Bauer ist Vorsitzender des MDR-Rundfunkrats. Im Interview mit MEDIEN360G spricht er über Verantwortung, Transparenz und die Arbeit im Gremium. Bildrechte: MDR | MEDIEN360G
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Im Interview mit MEDIEN360G spricht der Vorsitzende des Rundfunkrats des MDR, Dietrich Bauer, über die lösungsorientierte Zusammenarbeit mit der Intendanz, Zielgruppen des MDR sowie Transparenz und Vielfalt im Gremium.

Fr 18.11.2022 08:30Uhr 12:02 min

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Verantwortung, Transparenz, Gesellschaft Dietrich Bauer über die Arbeit des MDR-Rundfunkrats

18. November 2022, 11:41 Uhr

Dietrich Bauer ist Vorsitzender des MDR-Rundfunkrats. Im Interview mit MEDIEN360G erklärt er, wie das Gremium arbeitet, ob die Zusammenarbeit mit der Intendanz immer reibungslos verläuft und warum er sich den Austausch mit MDR-Mitarbeitenden wünscht.

MEDIEN360G: Wir sind zu Gast im MDR und bei uns ist Dietrich Bauer. Er ist Vorsitzender des MDR-Rundfunkrats. Wir bei MEDIEN360G beschäftigen uns ja mit der Rolle der Gremien, die die Gesellschaft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vertreten. Und wir fragen uns: Was kommt da draußen bei der Gesellschaft wieder an? Wie funktioniert diese "Connection", diese Beziehung, zwischen Gremien und Gesellschaft? Herr Bauer, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen für dieses Gespräch.

Dietrich Bauer: Sehr gerne.

MEDIEN360G: Es gibt ja eine große Debatte über die Rolle der Gremien. Und immer wieder wird die Frage gestellt: Verstehen sich die Gremien eher als Kontrollorgane oder als beratendes Gremium des jeweiligen Senders. Ganz konkret gefragt, wie würden Sie denn die Rolle des MDR-Rundfunkrats einschätzen? Ist das eher ein Kontrollorgan oder ein beratendes Gremium für die MDR-Geschäftsleitung?

Dietrich Bauer: Ich würde sagen, dass der Rundfunkrat beides ist. Und die Weisheit besteht darin, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu machen. Der Rundfunkrat hat auch die Aufgabe, die Intendantin oder den Intendanten gegebenenfalls in programmlichen Fragen zu beraten, das ist ausdrücklich so festgehalten. Und natürlich ist der Rundfunkrat auch ein Gremium, das die Arbeit der Intendanz kontrolliert, also kritisch begleitet - aber das aus einem Selbstverständnis, wo der Rundfunkrat sagt, wir sind natürlich dazu da, dass sich der MDR im gesellschaftlichen Kontext konstruktiv entwickelt. Und insofern würde ich tatsächlich sagen: Der Rundfunkrat ist beides, also beratend und kritische Begleitung. Wie gesagt, es kommt drauf an, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte einzulegen.

MEDIEN360G: Gab es denn schon mal richtig Streit mit der Intendantin?

Dietrich Bauer: Es gibt durchaus kontroverse Themen, das muss man wirklich sagen. Die werden natürlich, wie das unter erwachsenen Persönlichkeiten üblich ist, freundlich, aber doch klar miteinander ausgetragen. Es gibt durchaus auch Punkte, da bedarf es nicht mal einer Sitzung, um da zu Lösungen zu kommen.

MEDIEN360G: Welche Punkte sind das - was ist Ihnen erinnerlich? Wo gab’s den meisten Zoff?

Dietrich Bauer: Das sind natürlich auch vertrauliche Dinge. Aber die Frage zum Beispiel: Wie erreichen wir andere Zielgruppen als die, die für den MDR jetzt typisch sind? Da streiten wir jetzt nicht, weil die Intendanz oder die Direktoren der Meinung wären, das wäre keine wichtige Frage. Aber das "Wie" und die Intensität, das ist eine Frage, da ringen wir immer wieder drum. Dann geht es natürlich auch um die Frage, welche Rolle spielen ansässige Unternehmen im Bereich des MDR, wenn es um Produktionen geht? Das sind Fragen, die uns in schöner Kontinuität begleiten und - das muss man fairerweise sagen - wo es auch keine einfachen Lösungen gibt.

MEDIEN360G: Ein wichtiges Thema ist auch Transparenz. Wie würden Sie die Transparenz im Gremium bewerten? Bekommen Sie alle Informationen, um Ihre Aufgabe zu erfüllen?

Dietrich Bauer: Also ich denke, die Transparenz ist hoch. Das hat sich jetzt natürlich für die Legislatur dieses konkreten Gremiums auch noch mal erhöht, weil durch die Krise des RBB eine hohe Aufmerksamkeit für diese Frage besteht. Und wenn das Gremium den Eindruck hat, dass es noch nicht genügend Material hat, um eine gute Entscheidung zu treffen, dann wird das auch gesagt. Und dann sind die Intendanz und die Verantwortlichen auch immer bereit, da nachzulegen.

MEDIEN360G: Und wie sieht es mit der Transparenz des Rundfunkrats für die Anstalt aus, also in den MDR hinein? Meinen Sie, Sie sind da bekannt genug und die Arbeit des Gremiums wird wahrgenommen?

Dietrich Bauer: Ich glaube, das ist noch verbesserungswürdig. Das ist tatsächlich so. Ich glaube, dass die Bedeutung des Rundfunkrats durch den neuen Medienstaatsvertrag weiter gestärkt wird. Innerhalb des MDR ist die Scharnierfunktion des Rundfunkrats sicherlich noch besser darstellbar. Soweit das an mir liegt, werde ich mich gerne darum bemühen. Aber alle im Rundfunkrat sind ehrenamtlich tätig, und das ist ein hoher Anspruch, wo ich auch sehr dankbar bin, dass sich die Mitglieder des Rundfunkrats auf diese anspruchsvolle ehrenamtliche Arbeit einlassen. Es soll ja das gesellschaftliche Spektrum möglichst repräsentativ dargestellt werden. Aber es ist etwas, das neben dem normalen Job geleistet werden muss.

MEDIEN360G: Gibt es denn konkrete Kontakte des Gremiums oder einzelner Vertreterinnen oder Vertreter des Rundfunkrats in beispielsweise die Redaktionen oder andere Abteilungen des MDR? Wird das gepflegt?

Dietrich Bauer: Das wird, glaube ich, gepflegt. Ich selbst werde bald Kontakt zu den Vertretungen der Mitarbeitenden aufnehmen. Das wäre der erste Kontakt in meiner Amtszeit, die jetzt knapp ein Jahr läuft. Aber da liegt mir viel dran.

MEDIEN360G: Wie funktioniert denn die Rückkopplung in die Gesellschaft? Wie Sie ja gesagt haben, soll der Rundfunkrat die Gesellschaft ja in gewisser Weise abbilden.

Dietrich Bauer: Da gibt es vielfältige Wege. Jedes Rundfunkratsmitglied wird angesprochen oder spricht Menschen an. Es gibt geregelte Wege wie Veröffentlichungen, auch die Internet-Präsenz des Rundfunkrats hat sich in letzter Zeit verbessert. Sie ist transparenter, ausführlicher geworden. Ich selbst werde häufig angefragt und soll Stellung nehmen. Natürlich hat so ein Gremium auch eine eigene Taktung.

MEDIEN360G: Wie sieht es denn konkret bei der Sie entsendenden Institution aus? Sie sind ja vom Diakonischen Weg der evangelischen Kirche in den MDR-Rundfunkrat entsandt: Gibt es da regelmäßige Treffen, berichten Sie da über ihre Arbeit oder wie hat man sich das vorzustellen?

Dietrich Bauer: Also in meinem Kontext erzähle ich auch schon davon. Das ist auch eine wichtige Motivation gewesen, mich hier zu engagieren. Ich halte den MDR und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für eine wichtige Institution in unserer Gesellschaft. Und da sehe ich wiederum meine Aufgabe, den sozialen Bereich zu repräsentieren. Ich werde in meinem Kontext - Diakonie oder überhaupt Wohlfahrtspflege - angesprochen, wenn es bestimmte Beiträge gibt oder wenn der Eindruck ist, da müsste ein Thema mal präsenter sein. Da muss ich dann für mich auch immer meine Rolle klären. Auf der einen Seite ist es wichtig, dass ich angesprochen werde. Auf der anderen Seite bin ich auch Vorsitzender des Rundfunkrats, und das ist dann wiederum eine andere Rolle.

MEDIEN360G: Aber ich verstehe Sie richtig, dass es keinen institutionalisierten Austausch gibt? Dass Sie beispielsweise in der Tagesordnung ihrer Treffen bei der Diakonie einen Punkt "Bericht aus dem Rundfunkrat" haben?

Dietrich Bauer: Nein, das mache ich nicht. Es gibt aber Beratungsrunden, wo ich mit Blick auf die Themen die Verbindung herstelle und wo ich mir Rat hole, wie man im Rundfunkrat damit umgehen kann.

MEDIEN360G: Wie groß ist das Interesse des Diakonischen Werks an Ihrer Arbeit bzw. daran, dass es im Rundfunkrat des MDR vertreten ist?

Dietrich Bauer: Ich bin ja Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks. Das ist keine Tätigkeit, die man mal eben nebenbei macht. Die Bereitschaft meiner Aufsichtsgremien, mich diese Arbeit im Rundfunkrat machen zu lassen, ist hoch - da gibt es ein entsprechend hohes Interesse. Dafür bin ich auch sehr dankbar.

MEDIEN360G: Sachsens Medienstaatsminister Oliver Schenk hat vor ein paar Wochen hier bei der DokLeipzig an die entsendenden Organisationen appelliert, "qualifizierte Persönlichkeiten" in die Gremien zu entsenden. Das hört sich schon ein bisschen nach impliziter Kritik an. Ist da was dran?

Dietrich Bauer: Ich kann nur von den Personen reden, die mir begegnen. Die sind alle ausnahmslos kompetent. Aber sicherlich kommen da verschiedene Kompetenzen zusammen, und das ist ja auch gewollt: Es soll ja gesellschaftliche Vielfalt erreicht werden. Die wenigsten sind Spezialisten für rechtliche oder betriebswirtschaftliche Fragen oder beschäftigen sich schon immer in ihrem Leben mit Medienpolitik. Aber es sind Leute, die Interesse haben, die Leidenschaft mitbringen. Und es sind Leute, und das ist ein wichtiger Punkt, die auch bereit sind, zu lernen. Die Frage ist - und da sind wir auch gerade dabei: Wie organisiert man Weiterbildungen, um vertiefte Kenntnisse zu haben, die für die Rolle als Rundfunkrat notwendig sind, die man aber nicht automatisch mitbringt?

MEDIEN360G: In der aktuellen Debatte wird ja darüber diskutiert - Sie erwähnten es - der neue Medienstaatsvertrag sieht für die Gremien noch mal erweiterte Aufgaben vor: Richtlinienkompetenzen, in Sachen Qualitätssicherung sollen sie mit ran … Es wird hier und da das Fragezeichen gemacht, ob die Gremien dieser Aufgabe überhaupt gewachsen sind. Wie beurteilen Sie das und welche Unterstützung brauchen Sie vielleicht noch?

Dietrich Bauer: Die Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat ja mit sich gebracht, dass man sagt, das sogenannte Gremienbüro, das Rundfunk- und Verwaltungsrat zuarbeitet und Recherchen macht, müsse gestärkt werden. Im MDR sind wir gar nicht schlecht aufgestellt, das sind auch hervorragende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Aber das kann noch weiter gestärkt werden und wird auch gestärkt. Sodass wir als Rundfunkrat da die nötige Sachkompetenz und die nötigen Zuarbeiten haben. Prinzipiell würde ich nicht sagen, dass die Gremien das nicht leisten können. Das erlebe ich nicht. Ich denke, dass da durch Weiterbildung viel erreicht werden kann und ich glaube auch, dass die Menschen, die ich im Rundfunkrat kennengelernt habe, da mit einer hohen Verantwortungsbereitschaft dabei sind.

MEDIEN360G: ... sagt Dietrich Bauer, der Vorsitzende des MDR-Rundfunkrats. Wir danken für das Gespräch.

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