Verboten oder nicht? Neophyten beschäftigen inzwischen auch Kleingärtner
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06. November 2022, 05:00 Uhr
Als Neophyten (neue Pflanzen) bezeichnet man Pflanzenarten, die nicht von Natur aus in Europa heimisch sind. Sie gelangten als Samen oder Pflanzen nach Mitteleuropa und konnten sich aufgrund geeigneter Umweltbedingungen in der freien Natur ansiedeln und ausbreiten. Damit müssen sich inzwischen auch die Kleingärtner in Mitteldeutschland beschäftigen.
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Hochsaison im Kleingartenverein Erfurter Höhe e.V., es blüht, es duftet, alle möglichen Schmetterlinge und Hummeln sind unterwegs. Die Fachberater treffen sich, um über Neophyten zu reden und wie sie den Kleingärtnern helfen können, sich zu informieren. Denn die Gärtenmärkte tun das nicht, sagt Vorstandsvorsitzender Andreas Heinze: "Die wollen ja verkaufen. Eigentlich müssten die verpflichtet werden, Neophyten zu kennzeichnen, damit niemand die aus Versehen kauft." Aber was ist eigentlich so schlimm an diesen Neophyten? Vor allem im Kleingarten?
Was heißt Neophyt überhaupt?
Neophyt bedeutet "neue Pflanze". Gemeint sind damit alle, die nach 1492 zu uns gekommen sind. Vor Columbus Reise nach Amerika konnten Pflanzen nur aus einem begrenzten geographischen Raum eingeführt werden. In der Zeit seit 1492 wurden nach für nach alle Winkel der Erde von Europäern bereist, insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert gezielt auch von sogenannten Pflanzenjägern und -sammlern, die das Ziel hatten, neue Zier- und Nutzpflanzen nach Europa zu bringen. Allerdings gelang nur wenigen davon die Vermehrung ohne menschliches Zutun.
Wie kommen Neophyten vom Garten in die Umwelt?
Der Mensch pflanzt und sät verschiedenste fremdländische Pflanzenarten in seinen Garten. Wenn die sich dort wohlfühlen, nutzen sie verschiedene Wege zur Verbreitung. Die Samen werden durch Vögel und Ameisen verteilt oder bleiben im Fell von kleinen Tieren hängen. Auch der Wind kann sie verbreiten. Dagegen kann der Gärtner kaum etwas tun.
Allerdings verbreiten sich Neophyten auch durch Grünschnitt und illegalen Kompost, erzählt Wilfried Voigt, der seit 40 Jahren Kleingärtner ist. Viele Pflanzen können weiterwachsen, nachdem sie ausgerissen und entsorgt worden sind. Bei einigen Arten reicht ein kleines Rhizomstückchen (d.h. ein Stück der unterirdischen Sprosse), um eine neue Population zu begründen. Grünschnitt enthält dagegen häufig Samen aus denen die nächste Generation heranwachsen kann.
Dazu kommt, dass manchmal Kleingärten über Jahre leer stehen. "Dort können sich dann auch die Neophyten ungehindert ausbreiten, die der Gärtner zuvor in Schach gehalten hat", ergänzt Andreas Heinze.
Warum sind Neophyten so gefährlich?
Neophyten werden als eine der größten Gefahren für die biologische Vielfalt angesehen. Allerdings bezieht sich das vor allem auf invasive Arten. Das sind die, die sich massenhaft vermehren können und dadurch Ökosysteme verändern. Egal, ob Waldgesellschaften, Flussufer oder Magerrasen. Neophyten wachsen mitunter in ihrer neuen Umgebung viel größer und stärker als in ihrer Heimat, weil sie hier bei uns keine Fressfeinde haben und es Krankheiten aus ihrer Heimat hier nicht gibt. Somit haben manche Neopyhten einen Konkurrenzvorteil gegenüber anderen Pflanzenarten.
Als ernsthaftes Problem werden in Deutschland bisher jedoch nur relativ wenige Arten bewertet, die gebietsweise auch bekämpft werden. Dazu gibt es in Deutschland und in der EU inzwischen Listen von Arten, die als gefährlich gelten und sofort entfernt werden sollten, sobald sie in der Natur auftreten. In Kleingärten verboten sind nur ganz wenige, manche Vereine haben allerdings Listen mit unerwünschten Pflanzen erstellt.
Gibt es Gefahren für den Menschen?
Tatsächlich sind einige Arten gefährlich für den Menschen. Am bekanntesten ist wohl der Riesen-Bärenklau, er führt bei Berührung zu einer sogenannten Lichtdermatitis. Diese schmerzhafte Hautirritation kommt in der Folge wieder, wenn die betroffene Stelle dem Licht ausgesetzt wird. Er hat sich inzwischen so ausgebreitet, dass manche Kommunen mit der Beseitigung überfordert sind.
Neben gesundheitlichen Schäden können Arten auch wirtschaftliche Schäden verursachen. Dies gilt vor allem für Arten, die entlang von Flussufern wachsen und dort dichte Bestände bilden. Normalerweise befestigen und schützen Pflanzen die Ufer, wenn allerdings Neophyten wie der Stauden-Knöterich oder die orientalische Zackenschote alle anderen Pflanzen verdrängen, funktioniert das nicht mehr und die Ufer brechen ab.
Worauf sollte man im Garten achten?
Gartenabfälle und Grünschnitt dürfen nicht außerhalb des Gartenzauns deponiert werden. Auch keine Pflanzen, die man ausgegraben hat, weil sie zu sehr wuchern oder weil man sie nicht mehr mag. Auch der Einsatz immergrüner Gehölze sollte gut überlegt sein. Insbesondere bei Garten-Grundstücken in Waldnähe sollte darauf nach Möglichkeit verzichtet werden.
Wenn eine exotische Art im eigenen Garten anfängt, sich stark zu vermehren, heißt es aufzupassen. Beim Topinambur helfen beispielsweise Wurzelsperren, weiß Sven Röbbenack: "Das kann auch einfach ein Maurerkübel ohne Boden sein". Wenn man sich im Gartenmarkt in eine besonders schöne Pflanze verliebt, empfiehlt es sich, einen Blick auf die Schwarzen Listen der EU und Deutschlands zu werfen und die dort gelisteten Arten lieber nicht im eigenen Garten zu halten.
Wichtiger Tipp für den Urlaub: Nehmen Sie niemals Pflanzen oder Samen mit, die Sie nicht kennen. Abgesehen davon, dass die Ausfuhr lebender Pflanzen in den meisten Ländern ohnehin verboten ist, lässt sich nicht vorhersehen, wie sich die Mitbringsel auf die heimische Flora auswirken.
Was ist diesbezüglich geregelt oder verboten?
Um dem Rückgang der Artenvielfalt entgegenzuwirken, führt die Europäische Union seit dem Jahr 2017 eine Liste solcher problematischer Arten: die Liste gebietsfremder invasiver Tier- und Pflanzenarten von unionsweiter Bedeutung oder kurz: Unionsliste. Für die gelisteten Arten gelten europaweit diverse Verbote.
Zum Beispiel sind die Einfuhr und der Handel untersagt, aber auch das Tauschen oder Verschenken. Die Unionsliste umfasst derzeit 66 Arten, für die das Risiko ökologischer Schäden in den Mitgliedstaaten als besonders hoch eingestuft wird. Darunter sind neben Tierarten sowie Wasser- und Sumpfpflanzen auch Arten, die in Haus- und Freizeitgärten und Grünanlagen angepflanzt werden.
Was unternehmen die Länder in Mitteldeutschland?
Thüringen
Für Kleingärten gibt es in Thüringen keine speziellen Regelungen, heißt es aus dem Landwirtschaftsministerium. Für invasive Tier- und Pflanzenarten gelten aber allgemein strenge Bestimmungen. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz.
Aus dem Umweltministerium heißt es, dass Neophyten grundsätzlich in Kleingarten ausgebracht werden dürfen, da diese in der Regel nicht als freie Natur gelten. Für alle Neophyten, die ein invasives Potential besitzen, wird aber davon abgeraten, diese anzupflanzen, da bei einem Ausbrechen in die freie Natur der Gartenbesitzende rechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Strengere Regelungen gelten nur für bestimmte Neophyten: Pflanzenarten der sogenannten Unionsliste sind in Privatgärten nicht erlaubt. Regionaler Ansprechpartner ist die zuständige Untere Naturschutzbehörde.
Bernd Reinboth, Landesfachberater im Landesverband Thüringen der Gartenfreunde e.V., sagt dazu: "Die im Landesverband organisierten 28 Mitgliedsverbände werden über die Fachberater in den Verbänden und den Vereinen regelmäßig informiert. Jeder Kleingartenverein hat eine eigene Gartenordnung, welche auch nicht erwünschte bzw. verbotene Anpflanzungen enthält." Laut Reinboth wird die Rahmenkleingartenordnung des Landesverbandes derzeit überarbeitet, wobei das Thema Neophyten auch stärker in den Mittelpunkt rücken wird.
Sachsen
Ein generelles Verbot, Neophyten im Garten anzupflanzen, gibt es laut Umweltministerium nicht. Es gibt jedoch Beschränkungen für diejenigen gebietsfremden Arten, die als invasiv gelten. Auf der Internetseite des Ministeriums gibt es Links zu den Listen und zu Artinformationen.
Zum Spezialthema invasiver Gartenpflanzen hat die Sächsische Landestiftung Natur und Umwelt ein Faltblatt herausgebracht, dass sich unter anderem an Kleingärtner richtet.
Jörg Krüger ist Ingenieur für Pflanzenzüchtung und Landesgartenfachberater des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner. Er sagt dazu: "Im Kleingartenwesen interessieren wir uns für die invasiven Neophyten in unserer Region. Daher haben die Landesverbände in ihren Rahmenkleingartenordnungen entsprechende verbindliche Regeln festgelegt. So auch in Sachsen. Die Rahmenkleingartenordnung wurde per Beschluss auf der Mitgliederversammlung des LSK von den Mitgliedsverbänden legitimiert. Die Mitgliedsverbände können in ihren Gartenordnungen weitere Einschränkungen definieren."
Sachsen-Anhalt
In der aktuell gültigen Rahmengartenordnung des Landesverbandes der Gartenfreunde Sachsen-Anhalt finden Neophyten keine Berücksichtigung. Wie Geschäftsstellenleiter Olaf Weber sagt, befindet sich diese jedoch derzeit in Überarbeitung. "Unabhängig davon gelten die gesetzlichen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes in Bezug auf Neophyten natürlich auch für Kleingartenanlagen", so Weber.
Das Umweltministerium Sachsen-Anhalts beruft sich auf die sogenannte Unionsliste und sieht die Umsetzung in der Eigenverantwortung der Landesverbände.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 27. November 2022 | 08:30 Uhr