Feature Alles für die Katz
Hauptinhalt
07. September 2019, 04:00 Uhr
Die Katze gehört zu den beliebtesten Haustieren, etwa acht Millionen Besitzer gibt es in Deutschland. Autorin Judith Burger ist eine von ihnen. Für dieses Feature ist sie den Spuren der Katze durch Geschichte und Literatur gefolgt und musste feststellen: nicht alle Menschen lieben Katzen.
Hunde haben Besitzer, Katzen haben Personal, heißt es. Viele prominente Künstler wie Hemingway oder Axel Eggebrecht waren den Katzen verfallen. In seiner berühmten Sammlung "Katzen" beschreibt Eggebrecht das eigenwillige Tier:
Sie ist, alles in allem, eine Persönlichkeit, das Unbeliebteste, was es gibt. Sie ist zäh, nie zu verblüffen, mit kompasssicherem Ortssinn begabt, zärtlich nur aus freiem Entschluss, gierig, unbestechlich, fruchtbar. […] Sie bleibt der Ausnahmefall in unserer durchorganisierten Welt.
Man sagt, Katzen suchen sich ihre Menschen selber aus. Judith Burgers erste Katze hieß Strulze und gehörte ihrer damaligen WG. Frau von Strulzendorf war eine außerordentlich elegante Modelkatze, weißes Fell mit grauen Applikationen. Strulze befindet sich mittlerweile längst im Katzenhimmel. Heute gehört Freddy zur Familie, er stammt aus einem Connewitzer Wurf, ist schwarz - mit weißem Latz und weißen Pfoten.
Aber nicht jeder Mensch ist auch ein Katzenfreund. Olaf A. kann Katzen nicht besonders leiden. Er hasse sie nicht, sagt er, aber die Tierliebe mancher Katzenbesitzer findet er ziemlich befremdlich.
Also, wenn es dann so weit geht, dass Tiere zu Familienmitgliedern erklärt werden, sagen wir mal, dann kommen wir doch langsam in einen lustigen Bereich …
Berühmte Schiffkatzen
Während Katzen heute von ihren Besitzern liebevoll umsorgt werden, mussten sie früher hart arbeiten, etwa als Mäusefänger in der britischen Armee, in Bibliotheken oder bei Postämtern. "Sie waren etatisiert, also Futter und Tierarztrechnungen waren vorgesehen, weil die Mäuse sonst an die Postsäcke rangegangen sind", erzählt Detlef Bluhm.
Der Berliner Schriftsteller, Verleger und Fotograf ist ein großer Katzenkenner. Eins seiner zahlreichen Bücher handelt von berühmten Schiffskatzen, die vermutlich schon auf phönizischen Schiffen zur Mäuse- und Rattenjagd eingesetzt wurden. Im 13. und 14. Jahrhundert war es sogar versicherungsrechtlich vorgeschrieben, dass eine Katze an Board sein musste, wenn ein Schiff in See stach.
Zu den bekannten Schiffskatzen gehört Oskar, die Bordkatze der Bismarck, die den Untergang von drei Schiffen überlebte und als "Unsinkable Sam" zur Legende wurde. Zu einer Berühmtheit wurde auch Simon, der 1949 während des chinesischen Bürgerkriegs auf dem britischen Kriegsschiff "Amethyst" seinen Dienst tat. Obwohl er bei einem Gefecht auf dem Jangtsekiang schwer verletzt wurde, gelang es ihm, eine besonders große Ratte, von den Soldaten "Mao Tse-Tung" genannt, zu erlegen. Die Nachricht ging um die Welt und Simon, der bald darauf in England starb, wurde posthum mit der Dickin Medal ausgezeichnet.
Tierliebe und menschliches Verhalten
Frau Fleischer liebt Tiere und ist von Katzen besonders fasziniert. Sie ist eine von Leipzigs zahlreichen "Futterstellentanten", die sich um die ca. 20.000 Straßenkatzen kümmern. Wenn es ihren Katzen nicht gut geht, dann scheut sie keine Mühen und Kosten. Ihr Verein fängt kranke Katzen ein, um sie zu tierärztlich zu versorgen und lässt Streuner kastrieren, damit sie sich nicht noch mehr vermehren. Dennoch werden die Futterstellen immer wieder zerstört, von Menschen, die etwas gegen diese Form von Tierliebe haben.
Olaf A. meint, die ganze Katzenthematik sei doch eigentlich ein Wohlstandsproblem. Die Futterberge der Katzenindustrie hält er für eine riesige Ressourcen-Verschwendung. Am meisten aber stört ihn, wie manche Menschen mit den Tieren umgehen. Katzen, die noch nie im Leben eine Wiese gesehen haben, das findet er bedauernswert.
Diese Fehlhaltung, wie sie im häuslichen Bereich oft gemacht wird, das ist ‘ne Sache, die einen regelrecht abstößt. Das Problem ist doch nicht das Tier an sich, sondern der Umgang des Menschen damit.
Das bestätigt auch Kerstin Braun. Die Tierheilpraktikerin mit Schwerpunkt Homöopathie hat bei ihren vielen Hausbesuchen die Erfahrung gemacht, dass Verhaltensprobleme von Katzen meist gar nicht das Problem der Tiere sind, sondern das menschliche Verhalten gegenüber der Katze. Menschen tun alles für ihre Katzen, aber oft wissen sie nicht viel über die wahren Bedürfnisse der Tiere. Die wollen jagen und oft – was viele nicht einsehen - einfach nur ihre Ruhe haben. Niemand weiß, wie Katzen ihre Besitzer wahrnehmen, Axel Eggebrecht hat es sich so vorgestellt:
Im Ganzen sind wir in seinen Augen jedenfalls nicht, wie in denen des Hundes, allmächtige Götter (die nur der Atheist beißt), sondern große, fremde, schlechtrassige Tiere, mit denen man nur bei sorgsamster Vorsicht paktieren kann.
Über die Autorin
Judith Burger, geboren 1972 in Halberstadt, war nach ihrem Studium der Kultur- und Theaterwissenschaften lange Zeit als Werbetexterin tätig, bevor sie begann, journalistisch zu arbeiten. Beim MDR entstanden die Radio-Features "Industrieruinen: Faszination und Wehmut" (2014)", "Adolf-Südknecht-Straße - Leipzigs Geschichte im Wandel einer Straße" (2015), "Schicksal Ü40?" (2016), "Das Flüchtlingsheim bei mir um die Ecke" (2017) und "Boulevard der Barbiere" (2018), sowie die satirische Miniserie "Kunst in Kernichau" (2017).
Für das Feature "Industrieruinen: Faszination und Wehmut" erhielt Judith Burger 2015 den Journalistenpreis des Deutschen Preises für Denkmalschutz. 2018 erschien ihr erstes Kinderbuch "Gertrude Grenzenlos" im Gerstenberg Verlag. Es wurde mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis 2019 ausgezeichnet. Ihr aktuelles Kinderbuch "Roberta verliebt" hat die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zum besten Kinderbuch des Monats September 2019 gewählt.
Angaben zur Sendung
MDR KULTUR - Feature
"Alles für die Katz"
Feature von Judith Burger
Sprecher: Jenny Langner, Ilka Teichmüller, Nils Andre Brünnig
Regie: Stefan Kanis
Redaktion: Kathrin Aehnlich
Produktion: MDR 2019 - Ursendung
Sendung: 21.09.2019 | 09:05-09:35 Uhr
Die Sendung steht nach der Ausstrahlung hier ein Jahr lang zum Hören und Herunterladen bereit.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Feature: "Alles für die Katz" | 21. September 2019 | 09:05 Uhr