Schriftstellerin Ronya Othmann
Mehrfach ausgezeichnet: Schriftstellerin Ronya Othmann. Bildrechte: picture alliance/dpa | Stefan Sauer

Literaturpreis Leipzigerin Ronya Othmann erhält Erich-Loest-Literaturpreis

11. September 2024, 10:01 Uhr

Die Schriftstellerin Ronya Othmann aus Leipzig wird mit dem Erich-Loest-Preis prämiert. Das gab die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig am Mittwoch bekannt. Othmann verarbeitet in ihren Büchern unter anderem ihre persönliche Geschichte als Tochter eines kurdisch-jesidischen Vaters. Die Autorin und Journalistin gilt als debattenfreudig und greift in Zeitungsbeiträgen häufig gesellschaftliche Reizthemen auf. Sie ist zudem mit ihrem aktuellen Roman für den Deutschen Buchpreis nominiert.

Die Schriftstellerin und Journalistin Ronya Othmann wird mit dem Erich-Loest-Preis ausgezeichnet. Das verkündete die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig, die den Preis seit 2016 verleiht, am Mittwoch. „Mit Ronya Othmann hat unsere Preis-Jury eine junge literarische Stimme ausgewählt, die aus der eigenen Biografie heraus weltpolitische Ereignisse in eine literarische Form gießt und damit gegen das Vergessen eines Völkermords anschreibt“, erklärt der geschäftsführende Vorstand der Medienstiftung, Stephan Seeger. Othmann ist mit 31 Jahren die mit Abstand jüngste Trägerin des Literaturpreises – in einer Reihe mit Literaten wie Hans Joachim Schädlich oder Ines Geipel. Sie gilt als Nachwuchstalent im deutschen Literaturbetrieb.

Bücher über Integration, Identität und Genozid

Die Autorin verarbeitet in ihren Romanen und lyrischen Werken vor allem Themen aus ihrer eigenen Biografie: Als Tochter eines kurdisch-jesidischen Vaters schreibt sie über Themen wie Identität, Migration und Integration. Aber auch der Genozid an den Jesiden spiegelt sich sowohl in ihrem Erstlingswerk "Die Sommer" als auch im Roman "Vierundsiebzig" wieder. Letzteres Werk ist nach dem insgesamt 74. Völkermord an der jesidischen Gemeinschaft benannt, den der Islamische Staat 2014 verübte. Für den Roman wurde Othmann für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert.

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Schriftstellerin Ronya Othmann 7 min
Politisch, kontrovers und diskursfreudig – Ronya Othmann. Mehr zu ihren Arbeiten im Audio: Bildrechte: picture alliance/dpa | Stefan Sauer
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Die Schriftstellerin Ronya Othmann wird mit dem Erich-Loest-Literaturpreis ausgezeichnet. Das Nachwuchstalent gilt als debattenfreudig und politisch. Thomas Bille hat mit ihr gesprochen:

MDR KULTUR - Das Radio Do 12.09.2024 07:40Uhr 07:07 min

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"Es ist ein dokumentarischer Roman, nichts an dem Roman ist fiktiv", betont Ronya Othmann bei MDR KULTUR. Das Buch sei deshalb und aufgrund der Gewaltdarstellungen sehr intensiv diskutiert worden. Die Schriftstellerin beschreibt den Roman als Ergebniss der Suche nach einer angemessenen Form, die "äußerste Brutalität" der Ereignisse in Worte zu fassen. "Es war ja vor allem auch sexualisierte Gewalt, also Vergewaltigungen von Frauen – die zu verschweigen, wäre einer Verfälschungen gleichkommen."

Jury: Literarisches Denkmal für Opfer des Genozids

Den Roman "Vierunsiebzig" hebt auch die Jury des Erich-Loest-Preises besonders hervor. Damit habe die Autorin der "der ethnisch-religiösen Minderheit der Jesiden im kurdischen Irak ein großes literarisches Denkmal gesetzt", so die Jury unter Leitung von FAZ-Literaturchef Andreas Platthaus. Othmann verhandele in ihren Texten "die Frage des Erbes zwischen Generationen", verwahre sich dabei aber gegen den "Automatismus identitätspolitischer Zuschreibungen". Als politische Autorin stelle sie sich im Schreiben über Gewalt und Terrorismus "unerschrocken und beharrlich gegen Verschweigen, Beschwichtigen und Schuldumkehr".

Dabei ist die junge Schriftstellerin ursprünglich nicht zur Recherche in das kurdische Autonomiegebiet im Nordirak gereist, sondern um Verwandte zu besuchen. Die Spuren des verheerenden Genozids seien jedoch unübersehbar gewesen, so Othmann: "Irgendwie hat sich mir das dann so aufgedrängt, dass ich halt angefangen habe zu schreiben."

Buchcover von Ronya Othmanns Roman "Vierundsiebzig" mit einem Gebirge im Hintergrund. 6 min
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Kontroverse Stimme

Die Autorin verfasst allerdings nicht nur Bücher, sondern schaltet sich auch häufig in öffentliche Debatten ein. In Kolumnen in der Tageszeitung taz oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beteiligte sie sich in den vergangenen Jahren an kontroversen Diskursen zu politischen Streitthemen wie Identitätspolitik, Islamismus oder Antisemitismus.

Dabei bezieht sie auch klar politische Positionen und das hatte bisweilen auch Konsequenzen: So wurde Othmann aufgrund ihrer kritischen Haltung zu islamistischen Gruppierungen wie der palästinensischen Terrororganisation Hamas vom Literaturfestival von Karachi, Pakistan ausgeschlossen. Intellektuelle in der islamischen Republik warfen ihr damals "zionistische und islamophobe Positionen" vor.

Othmann bedauerte seinerzeit den Eklat bei MDR KULTUR und widersprach der Darstellung der pakistanischen Kritiker: "Es stehen in einem offenen Brief auch Sachen, die ich definitiv nicht so gesagt habe und nicht so sagen würde." Einige der Vorwürfe bezeichnete sie als Unsinn.

Die Schriftstellerin Ronya Othmann aus Leipzig 1 min
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Fr 10.11.2017 11:34Uhr 00:43 min

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Literaturpreis zu Ehren des Leipziger Schriftstellers

Der Preis erinnert an den 2013 verstorbenen Schriftsteller Erich Loest, der mit Büchern wie "Es geht seinen Gang" oder "Nikolaikirche" bekannt wurde. Loest machte nach dem Zweiten Weltkrieg als SED-Mitglied zunächst Karriere im DDR-Literaturbetrieb, brach aber nach der Niederschlagung des Volksaufstandes 1953 mit der Partei. Aufgrund seiner kritischen Haltung war er jahrelang durch das Ministerium für Staatssicherheit inhaftiert. Der Erich-Loest-Preis wird alle zwei Jahre vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert.

Transparenzhinweis Der Jury des Erich-Loest-Preises gehört auch MDR-KULTUR-Literaturredakteurin Katrin Schumacher an. Sie wirkt nicht an der aktuellen Berichterstattung über die Auszeichnung mit.

Quelle: Medienstiftung der Sparkasse Leipzig, Redaktionelle Bearbeitung: tis

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt | 11. September 2024 | 10:30 Uhr

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