Haftschicksale: Erich Loest Fortan nur noch Nummer 23/57
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24. Februar 2011, 08:51 Uhr
Loest' fortwährende Kritik an den Verhältnissen in der DDR wurde vom SED-Regime als konterrevolutionär gebrandmarkt. Es folgte ein Gerichtsverfahren und das Urteil: siebeneinhalb Jahre Zuchthaus.
Der Aufstand vom 17. Juni 1953 wurde das einschneidende Datum im Leben des Schriftstellers Erich Loest. Er erlebte den Tag in Berlin, war zu dieser Zeit Vorsitzender des Schriftstellerverbandes in Leipzig. Fortan setzte er sich auch öffentlich für die Entstalinisierung der DDR ein. Der Vorwurf scheint im nachhinein absurd. Loest fortwährende Kritik an den Verhältnissen in der DDR gerade nach dem Ungarnaufstand und den Ereignissen in Polen wurde vom SED-Regime als konterrevolutionär gebrandmarkt und führte ab November 1957 zu einer siebenmonatigen Untersuchungshaft, mit anschließendem Gerichtsverfahren. Das Urteil: siebeneinhalb Jahre Zuchthaus wegen konterrevolutionärer Gruppenbildung. Da er als politisch gefährlich galt, wurde er in den Stasi-Knast nach Bautzen II eingeliefert.
Fortan nur noch die Nummer 23/57
Schon bei seiner Einlieferung aus dem Stasi-Untersuchungsgefängnis "Roter Ochse" in Halle wurde ihm klar gemacht, dass er fortan nur noch eine Nummer und kein normaler Strafgefangener sei. Loest über den Wachhabenden in Bautzen II:
... dann hat er gesagt, ich hieße ab sofort 23/57, hätte mich damit zu melden, hätte niemand anderem meinen Namen zu nennen. Nicht über mich und mein Urteil zu reden. Und dann haben sie mich auf Zelle geführt.
"Eine unendlich nutzlose, verlorene Zeit"
Loest wurde – wie in Bautzen üblich – anfangs in Einzelhaft gehalten. Die ersten beiden Jahre gab es noch keine Arbeit, erst dann wurde im Keller eine Produktionslinie eingerichtet, in der er fortan wie die meisten Anderen arbeiten musste. Ein Schreibverbot im strengen Sinne hat man ihm nie auferlegt: "Ich hatte kein Schreibverbot. Ich hatte einfach kein Papier und keinen Bleistift." und weiter: "Es ist eine unendlich nutzlose verlorene, schädigende Zeit gewesen." erinnerte sich Loest 1994 in einem "Dresdner Gespräch". Er nannte diese Jahre auch "gemordete Zeit" weil es verlorene Lebenszeit war, die in ihren Auswirkungen weit über die Haftjahre hinausreichte. Außerdem erkrankte er in der Haft schwer.
Nach seiner Entlassung arbeitete er zumeist unter Pseudonym, schrieb Kriminalromane und Kurzgeschichten. Seine Haftzeit verarbeitete er in dem Buch "Durch die Erde ein Riß. Ein Lebenslauf", das im Jahre 1981 im Westen erschien. "Gerade nach dem Knast habe ich so lange gewartet, bis ich darüber geschrieben habe, bis Hass raus war. Ich hab den Leuten nicht verziehen, aber ich habe mich bemüht, sie zu verstehen. Ich glaube, dass es gut war so lange zu warten - Hass verzerrt." Im selben Jahr verließ Loest die DDR mit einem Visum, das ihm die zeitweilige Ausreise gestattete.