Zecken-Saison 2021/22 Borreliose-Infektionen: Die Zecken sind schon wieder aktiv
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29. Januar 2022, 12:00 Uhr
Das Jahr ist noch keinen Monat alt und die ersten Fälle von Borreliose sind schon beim RKI gemeldet: Thüringen acht, Sachsen 31, Sachsen-Anhalt 22. Das heißt also, draußen sind die Zecken schon aktiv, darunter auch solche, die Borreliose-Bakterien in sich tragen.
Zugefrorene Seen, dichtes Schneetreiben, tief verschneite Landschaften, oder milde Temperaturen, knapp unter zehn Grad? Der Winter 2021/22 ist ein unentschlossener Geselle. Herrschen tagelang milde Temperaturen und die Sonne strahlt, regen sich zwar nicht bei allen Menschen, aber in jedem Fall bei Zecken die ersten Frühlingsgefühle. Und zwar auch bei denen, die FSME-Viren oder Borreliose-Bakterien in sich tragen. Vielleicht erinnern Sie sich, Anfang 2021 wurde Dessau-Rosslau und das Weimarer Land erstmals als Sachsen-Anhalt als FSME-Gebiete ausgewiesen. FSME-Erkrankungen, gegen die es eine Impfung gibt, sind jedoch sehr selten. 2021 ging die Zahl der durch die Viren ausgelösten Gehirn-, Hirnhaut- oder Rückenmarkentzündungen in Mitteldeutschland sogar zurück, von 50 im Jahr davor auf 36 Fälle.
Anders ist das bei Borreliose. Hier gab es 2021 in Thüringen weniger Fälle, in Sachsen und Sachsen-Anhalt aber – im Gegensatz zum Trend im Rest der Bundesrepublik – Steigerungen: in Sachsen von 1840 auf 1891 und in Sachsen-Anhalt von 502 auf 668. Wenn man sich die Verteilung von Borreliose anhand der Fälle, die beim Robert Koch-Institut gemeldet werden, anschaut, erkennt man diese Entwicklung. Hier einige Beispiele mit besonders angestiegenen Fallzahlen:
Region | 2020 | 2021 |
---|---|---|
Landkreis Chemnitz | 75 | 160 |
Landkreis Harz | 11 | 54 |
Jerichower Land | 48 | 75 |
Mansfelder Land | 49 | 75 |
Wie erklärt man sich solche Schwankungen? "Das ist die große Frage", sagt Dr. Volker Fingerle, der seit Ende der 1980er-Jahre zu Borrelien forscht. Viele verschiedene Faktoren spielten dabei eine Rolle, Einflussfaktoren wie das Wetter, das Mikroklima am Boden, die Luftfeuchtigkeit, die Temperatur, ist die Fläche vor Wind geschützt, zählt der Spezialist auf. Und fährt fort: "Dann gibt es auch noch die biologischen Faktoren, also, wann ist die Zecke gerne draußen, ist ein Gebiet zeckengeeignet, wie sieht es mit Wirtstieren aus, gibt es viele Rehe, viele Mäuse oder besonders wenig?" Es gibt also viele Faktoren, welche die Zeckendichte in einem Gebiet beeinflussen und dementsprechend auch die Infektionsrate von Zecken mit Borrelien. Und ob Menschen mit den Bakterien in Kontakt kommen, liegt auch daran, wie intensiv und oft die Menschen in der Natur unterwegs sind.
Gibt es starke oder schwache Borreliose-Jahre?
Gibt es starke Zeckenjahre oder schwache? Das könnte man tatsächlich meinen, wenn man die Zahlen des Robert Koch-Institutes anschaut, ein Jahr kaum welche, im nächsten dann doppelt so viele. Wie kommt das? Der Hauptgrund dürfte schlicht in den Kontaktmöglichkeiten liegen: Ist der Mensch gerne draußen, wenn auch die Zecke gerne auf Opfersuche ist, gibt es viele Kontaktmöglichkeiten, mithin viele Zeckenstiche und Erkrankungen. Ist der Mensch selten draußen – z.B. weil das Wetter schlecht ist – gibt es einfach wenig Kontaktmöglichkeiten, selbst wenn es viele Zecken gibt.
Borreliose: Was ist das?
Borreliose, auch Lyme-Borreliose, ist eine Krankheit, die durch Zecken übertragen wird. Die Infektion erfolgt über die Borrelien vom Typ Borrelia burgdorferi, die Borrelien gelangen über den Saug-Rüssel. Saugt die Zecke länger als zwölf Stunden, steigt das Übertragungsrisiko.
Und dann spielt natürlich auch die Natur eine wichtige Rolle für das Borrelien-Vorkommen. "Es kann starke und schwache Herde geben, also Bereiche mit vielen infizierten Zecken und welche mit wenig Zecken bzw. wenig infizierten Zecken", sagt Spezialist Volker Fingerle. Von einem Waldgebiet zum nächsten könne die Zeckendichte an sich extrem schwanken, genau wie die Zahl der Zecken, die Borrelien in sich tragen oder eben nicht. "Wenn ich Zecken aus einem Waldstück untersuche, liegt deren Borreliose-Infektionsrate vielleicht bei zehn Prozent. Hundert Meter weiter kann das ganz anders aussehen. Da gibt es dann vielleicht 60 Prozent Borrelienbefall. Das zu untersuchen ist anspruchsvoll, weil es räumlich und zeitlich schwierig zu bestimmen und einzugrenzen ist. Aber auch, wann eine Zecke zum Beispiel auf einem Grashalm sitzt und auf einen Wirt wartet, spielt eine Rolle, ob ein Mensch von einer Zecke gestochen wird." Fingerle rollt einen weiteren Fragenteppich aus: "Dazu müsste man neben abiotischen Faktoren wissen, welche Pflanzen gibt es lokal, wie viele Nager leben in einem Gebiet, wie hoch ist die Fuchsdichte oder welche Rolle spielen Füchse bei der Borrelienübertragung."
Wie erkennt man Borreliose?
Die häufigste Erkrankungsform ist die sogenannte Wanderröte, die Tage oder Wochen nach dem Zeckenstich auftritt. Anfangs ist die ringförmige Hautrötung in der Mitte blasser als am Rand, dann wandert der rote Ring nach außen. Dazu können weitere Krankheitssymptome wie Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen, Müdigkeit auftreten. Ist das Nervensystem betroffen, kann es zu einer akuten Neuroborelliose kommen: brennende Nervenschmerzen, vor allem nachts und leichte Lähmungen der Hirnnerven. Je nach betroffenen Hirnnerven können Symptome wie Taubheitsgefühle, Seh- oder Hörstörungen auftreten. (Quelle: RKI)
Das wissen wir als Spaziergänger alles nicht, wenn wir uns eine Woche nach einer Wanderung eine Zecke aus einer Kniekehle kratzen und sie in einem Labor untersuchen lassen. Sollte man die dann untersuchen lassen? "Wie immer ist es auch hier so: Je genauer man hinschaut, desto komplizierter wird es", sagt Spezialist Fingerle. "Wenn ich einen positiven Befund für die Zecke erhalte, die mich gestochen hat, dann ist trotzdem noch nicht klar, ob die Zecke die Borrelien überhaupt übertragen hat oder um welches Borreliose-Bakterium es sich handelt."
Denn Borrelie ist nicht gleich Borrelie, wie Dr. Fingerle verdeutlicht: "In Deutschland gibt es fünf Arten von Borrelien, die Menschen krank machen können: Borrelia burgdorferi sensu stricto, Borrelia bavariensis, Borrelia garinii, Borrelia afzelii und Borrelia spielmanii. Die einen leben in Mäusen, die anderen in Vögeln, manche in beiden; die einen verursachen bevorzugt Erkrankungen an der Haut, andere an Gelenken oder am Nervensystem."
Nicht alle Borrelien machen Menschen krank
Aber es gibt auch Borrelien, die dem Menschen gar nichts nichts anhaben, eigentlich muss man sehr genau hingucken, wenn die Zeckenanalyse einen Borrelienfund bestätigt. "Als Spezialist fallen einem dann ganz viele Fragen ein", sagt Volker Fingerle. Nach der Zeckenanalyse im Labor auf Borrelien ist nämlich vor der eigentlichen Suche. Jetzt müsste man gucken, welche Borrelie hatte denn die gute Zecke? In welchem Stadium hat sie gestochen, wann wurde sie entfernt, vielleicht sogar vor oder kurz nach dem Anstich? Konnten da schon Bakterien übertragen werden? Oder war die Zecke schon pappsatt vollgesaugt nach ein paar Tagen? Und dann gibt es auch noch die Fälle, die wir gar nicht bemerken, sagt Dr. Volker Fingerle: "Viele Zeckenstiche erkennen wir gar nicht als solche, weil wir zum Beispiel die Zecke in einem frühen Stichstadium weggekratzt haben ohne sie als Zecke zu erkennen."
Damit es gar nicht dazu kommt und man diese riesigen Fragekataloge umgehen kann, meidet man draußen bereits ausgewiesene Zeckengebiete. Und wer anderswo durch die Natur streift, bietet Zecken möglichst keine Andockmöglichkeiten und kontrolliert anschließend Kleidung und Haut.
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