Wind-Energie Studie Wie kommen Zugvögel mit den Windparks im Meer klar?
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10. Mai 2023, 16:32 Uhr
Aus dem Wind über dem Meer lässt sich Energie gewinnen. Doch was bedeuten die Turbinen für Zugvögel, die übers Meer pendeln: Kollidieren sie mit den Türmen oder kommen sie vom Weg ab?
Wie wirken sich Windkraft-Parks im Meer auf Zugvögel aus? Das hat ein Forschungsteam der Christian-Albrecht-Universität Kiel untersucht. Dafür wurden 143 Brachvögel, 30 Ringelgänse und 87 Nonnengänse auf der Hamburger Hallig mit kleinen Sendern ausgestattet. Ihre Bewegungsdaten vom Wattenmeer nach Nordwest-Russland wurden sechs Jahre lang beobachtet und verfolgt.
Achtung, Windturbinen: Fliegen Brachvögel, höher, tiefer oder kollidieren?
Die Auswertung der Daten zeigte: Alle Tiere zogen über den Ostseeraum. Sie erreichten nach etwa zehn Tagen ihr Brutgebiet. Durchschnittlich legten sie etwa sechs Zwischenstopps ein und flogen insgesamt etwa 2.500 km. 70 Prozent der Brachvögel stiegen demnach vor den Turbinen auf oder änderten ihren Kurs und wichen so den Windkraft-Anlagen aus.
Der Inneren Uhr ist das Wetter egal
30 Prozent durchquerten die Windparks jedoch ohne solche Manöver. Hier besteht aus Sicht des Forschungsteams durchaus ein Risiko für Kollisionen mit Windrädern. Was ließ sich noch aus den GPS-Sende-Daten ablesen? Das Wetter ließdie Vögel kalt. Weder Gegenwind oder Regen sorgten in den untersuchten Jahren für verschobene Abflugdaten, das Datum war bis auf höchstens drei Tage Abweichung immer gleich. Erstaunlich, könnte man meinen, schließlich sorgt zum Beispiel Gegenwind dazu, dass mehr Energie verbraucht wird. Die Flugdaten zeigten dann aber die Erklärung dafür: Bei Gegenwind flogen die Brachvögel einfach höher, wo die Flugbedingungen günstiger waren. Außerdem zeigten die Flugdaten von Vögeln, die über mehrere Jahre per GPS geortet wurden: Die Vögel waren standorttreu und kehrten immer zur selben Zeit zum selben Brutgebiet zurück.
Bei den Meeresgänsen zeigte sich ein klares Zeitfenster, in dem die Vögel über die deutsche Ostsee, Südschweden und den Finnischen Meerbusen, Richtung Nordsibirien flogen. Sie waren tatsächlich auf Höhe der Windräder unterwegs. Daher plädiert Studienleiter Philipp Schwemmer dafür, das Wissen über die Flugrouten und Zeiten bei der Planung von Windparks im Meer und ihrer Nutzung zu berücksichtigen. Beispielsweise könnten die Anlagen für den kurzen Zeitraum des Vogelzuges abgeschaltet werden. Außerdem wird in einer weiteren Studie in Kooperation mit der Universität La Rochelle untersucht, welche Wattflächen die Vögel brauchen, welchen Raum sie dort brauchen und was sie dort fressen.
Was ist mit den "Tieffliegern"?
Aber was ist mit anderen Zugvögeln, die ebenfalls das Meer überqueren, wie zum Beispiel Amseln, Drosseln, Rohrsänger? Sie sind zu klein für eine Ausstattung mit GPS-Sendern; ihre Zugrouten und Zugzeiten sind dadurch schwerer nachzuvollziehen. Erschwerend kommt dazu, das viele Vogelarten nachts die Meere überfliegen.
Tatsächlich lassen sich mithilfe von Wetterradargeräten Schwarmbewegungen und auch einzelne Tiere beobachten. Man weiß dann zwar nicht exakt, um welche Arten es sich handelt, aber Routen und Zugzeiten können auf dem Wetterradar ausgelesen werden. So wurde beispielsweise eine stark genutzte Route von Finnland über die Åland-Inseln und Schweden in die westliche Ostsee entdeckt. Hier fliegen den Radarbildern zufolge Vögel in breiter Front über das Meer. Ob und wie viele Tiere dabei mit Windrädern kollidieren, ist unklar. (Die Möglichkeit, wie bei Hochspannungsleitungen, tote Exemplare zu melden, fällt auf dem Meer logischerweise sprichwörtlich ins Wasser.) Biologe Ommo Hüppop vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven geht von einer potentiellen Gefahrenlage aus: Bei schlechtem Wetter beispielsweise flögen Vögel tiefer und würden von Licht angezogen. Hüppop will mit seinem Team sogenannte Sensitivitätskarten erstellen, um die Meeresgebiete mit besonders starkem nächtlichen Vogelzug zu identifizieren und um Maßnahmen zu treffen, die dabei helfen, Vogel-Kollisionen mit Offshore-Windkraft-Anlagen zu verhindern.
Fischfressende Vögel meiden Windparks
Für andere Meeresvögel weiß man inzwischen, dass sie Gebiete mit Off-Shore-Windparks meiden: Stern- und Prachttaucher, beides fischfressende Arten, meiden Windparks im Meer und direkt angrenzende Gebiete.
Professor Stefan Garthe, der das Vorkommen dieser Fischfresser rund um Offshortre-Windparks untersucht, spricht von einem Rückgang um 94 Prozent im Umkreis von einem Kilometer und um 54 Prozent im Umkreis von zehn Kilometern. Gut, könnte man sagen, die Vögel sind schlau, fliegen sie halt anderswo fischen. Der Haken an der Sache ist aber der Domino-Effekt: Sie verbrauchen mehr Energie, um anderswo Fischgründe aufzutun und sich mit Nahrungskonkurrenten herumzuschlagen.
Befeuern Windparks das Vogelsterben?
Wie groß der Einfluss von Windparks auf das Ökosystem im Allgemeinen und auf die Vogelwelt im Detail ist, was zum Beispiel Vielfalt der Arten und Vorkommen angeht, lässt sich nach heutigem Stand noch nicht eindeutig sagen. Sicher ist aber: Schon jetzt stehen 43 Prozent der Vogelarten, die regelmäßig in Deutschland brüten, auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Fehlende Lebensräume und Brutplätze, Flächenversiegelung, intensive Landwirtschaft, Monokulturbewirtschaftung von Feldern und Wäldern, Klimawandel, Lichtverschmutzung und zerstörte Lebensräume lassen grüßen. Außerdem fehlen Insekten als Nahrung, denn ein Viertel der Insektenarten gelten inzwischen ebenfalls als gefährdet.
Links/Studien
Hier lesen Sie die Studie Large-scale effects of offshore wind farms on seabirds of high conservation concern über das Vorkommen von Seetauchern rund um Offshore-Windparks im Original. Die Studie zur "Erforschung der Zugwege Großer Brachvögel des Wattenmeeres" wird erst noch veröffentlicht.
(lfw)
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