Windkraftanlagen Infraschall – der unhörbare Lärm, der krank macht?
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17. Januar 2020, 10:47 Uhr
Diese Geräusche liegen unter der menschlichen Hörschwelle. Dennoch hat Infraschall eine Wirkung auf den Menschen. Welche ist umstritten, doch durch den Ausbau der Windenergie gerät das in den Fokus der Wissenschaft.
Update 17. März 2023
Nach der Erstveröffentlichung dieses Artikels erschienen mehrere Arbeiten mit neuen Informationen. So überprüfte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ihre bisherigen Arbeiten zum Einfluss von Windenergieanlagen (WEA) auf Infraschall-Messanlagen. "Bei der Berechnung des Schalldrucks war der BGR ein Fehler unterlaufen", so die Bundesanstalt in einer Mitteilung von 2021. Es ging um einen Unterschied von 36 Dezibel, die zu hoch berechnet waren. Da der Schalldruck aber exponentiell ansteigt, macht das einen großen Unterschied. Darüber hinaus erklärten die BGR-Experten erneut, dass es bei diesen Untersuchungen auch gar nicht um Auswirkungen von Infraschall-Emissionen auf Menschen ging.
Diese Auswirkungen hat das Bayreuther Zentrum für Ökologie- und Umweltforschung 2022 in einer Veröffentlichung untersucht. Laut der aktuellen Studienlage, so die Forschenden, gebe es keine wissenschaftliche Evidenz für gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Windenergieanlagen.
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Schlafstörungen, Schwindel oder Kopfschmerzen und dabei ständig das Gefühl: irgendetwas brummt. Davon berichten Betroffene, die länger Infraschall ausgesetzt sind. Dabei sind das Geräusche, die der Mensch eigentlich gar nicht hören kann. Doch diese Lärmbelastungen bereiten immer mehr Leuten Probleme.
Wissenschaftler schätzen, dass zehn bis 30 Prozent der Bevölkerung betroffen sein könnten. Das wären in Deutschland mehrere Millionen. So berichten etwa immer mehr Menschen, die in der Nähe von Windrädern wohnen, von gesundheitlichen Problemen. Doch oft werden sie als verrückt abgetan – getreu dem Motto: Es ist nicht hörbar, also kann es auch keine Wirkung haben.
Töne werden irgendwann so tief, dass sie für das Ohr nicht mehr hörbar sind. Ab dann wird von Infraschall gesprochen. In der Regel ist dies ab einer Frequenz von unter 20 Hertz (Hz) der Fall. Solche Geräusche haben ganz natürliche Ursachen, wie etwa Meeresrauschen, Erdbeben oder Lawinen. Doch es gibt auch technische, menschengemachte Quellen: Autos, Flugzeuge oder Windkraftanlagen. Besonders mit letzterem haben sich Ärzte und Wissenschaftler in den vergangenen Jahren intensiver auseinander gesetzt. Denn durch die Energiewende und den Ausbau der Windkraft nimmt die Belastung aus diesen Quellen zu.
Infraschall kann Übelkeit auslösen
Einer der vehementesten Verfechter des Ausbaus der Windenergie ist das Umweltbundesamt (UBA). Die Behörde konnte in einer "Machbarkeitsstudie zu den Wirkungen von Infraschall" im Jahr 2014 keine Untersuchung finden, in der gesundheitliche Belastungen "durch Infraschall deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle" festgestellt wurden. In einem Positionspapier heißt es, dass aus Laboruntersuchungen bekannt sei, dass Infraschall mit hoher Lautstärke etwa Benommenheit, Ohrendruck und Übelkeit auslösen könne. Doch solche hohen Schalldruckpegel würden in der Regel nicht durch Windkraftanlagen erzeugt.
Allerdings schließt das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit Infraschall durch Windkraftanlagen auch nicht aus. Eine eigene Studie des Amtes zu "Lärmwirkungen von Infraschallimmissionen" soll zeitnah veröffentlicht werden. Dabei ist festgestellt worden, dass "es körperliche und mentale Auswirkungen hat", sagte eine Sprecherin gegenüber MDR Wissen. Weitere Informationen wollte sie vor Veröffentlichung noch nicht geben.
Zwar finden sich auch Belege, dass nicht allein der Infraschall bei Windenergieanlagen für Probleme sorgt. So hat etwa das Team um den klinischen Psychologen Keith J. Petrie von der Universität Auckland in Neuseeland die Frage untersucht, ob die Psyche angesichts eines Windrades in der Nähe des Wohnortes das Krankheitsempfinden triggert. Laut Petries Studie würden dadurch ungute Erwartungen stimuliert und so Symptome verursacht.
Kraft des Herzmuskels kann vermindert werden
Allerdings erklärt die Psyche die Beschwerden nicht allein. Denn es ist unstrittig, dass es physische Auswirkungen durch Infraschall auf den menschlichen Organismus gibt. In der Regel ist dies verbunden mit Schalldruckpegeln über 100 Dezibel – also wenn es besonders laut wird. Dies ist dann etwa als Druck oder Kribbeln auf der Brust spürbar. Zum anderen gibt es immer mehr Beobachtungen an unterschiedlichen Organen.
So gibt es etwa negative Effekte auf das Herz. Forscher der Universität Mainz haben in einer Studie festgestellt, dass sich durch Infraschall die Kraft eines Herzmuskelsstücks um bis zu 20 Prozent vermindert. "Infraschall kann also Auswirkungen auf den Herzmuskel haben", heißt es in der Schlussfolgerung der Studie von Christian-Friedrich Vahl.
Reaktionen im Ohr durch Infraschall
Doch ist Infraschall auch hörbar? Zum einen hört nicht jeder Mensch gleich. Manche können tieffrequenten Schall (bis 100 Hertz) – der Infraschall ist ein Teilbereich davon – besser wahrnehmen als andere. Zum anderen spielt eine große Rolle, was bedeutet das Wort "Hören". Die Frage: Hat Schall unterhalb der Hörschwelle Auswirkungen auf das Innenohr, hat Alec Salt von der Washington University School of Medicine in St. Louis, vergleichsweise gut untersucht. Die Studien des Hals-Nasen-Ohren-Spezialistes zeigen, dass die äußeren Haarzellen des Innenohres durch Infraschall stimuliert werden – nicht die inneren Haarzellen, die dem Hören dienen.
Der Schall unterhalb von 20 Hertz wird also nicht gehört, aber er sorgt für eine elektrische Reaktion im Ohr, die an das Gehirn weitergeleitet wird. Jedoch ist nicht klar, welche physiologischen Auswirkungen diese andere Art der Wahrnehmung hat. Doch es scheint klar, dass Infraschall Wirkungen auf den Menschen hat.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Dok | 19. Januar 2020 | 22:20 Uhr
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