Sprachforschung Kinder können bei Bedarf eine neue Sprache entwickeln
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19. Februar 2020, 17:22 Uhr
Hola! Salut! أهلا! Cześć! Ahoj! ... Weltweit gibt es etwa 7.000 verschiedene Möglichkeiten, Hallo zu sagen. So viele Sprachen haben sich rund um den Globus entwickelt. Allein in Europa existieren 24 Amtssprachen und mehr als 100 Minderheitensprachen. Doch wo liegt ihr Ursprung? Wie könnte sich die menschliche Sprache entwickelt haben?
Wissenschaftler des Leipziger Forschungszentrums für frühkindliche Entwicklung (lfe) wollen dieser großen Frage auf den Grund gehen. Denn über die Ursprünge der Sprache, die wir jeden Tag verwenden, ist überraschend wenig bekannt. Aber kein Wunder: Die Zeitmaschine ist noch nicht erfunden und Schrift wurde bekanntlich erst nach der Sprache erfunden. Die Leipziger Forscher haben sich deshalb eine Methode einfallen lassen, wie sie trotzdem herausfinden könnten, wie Sprache entsteht.
Beobachtung von Kindern
Für ihre Studie haben Sie Experimente mit Kindern entwickelt, bei denen sie Kommunikationsprozesse beobachten können. Besonders gut eignen sich für dieses Vorhaben Gebärdensprachen. Sie zu erforschen, so die Leipziger Wissenschaftler, könnte vielversprechende Antworten liefern. Die Idee: Die Forscher brachten in Versuchen Kinder in eine Situation, in der sie ihre bekannte Muttersprache nicht mehr verwenden konnten, trotzdem sollten sie aber eine Botschaft vermitteln. Manch einer kennt solche Situationen vielleicht selbst von Spieleabenden und erinnert sich gern oder ungern an die Herausforderung pantomimischer Darbietungen.
Die Herausforderung
Die Kinder bekamen noch eine zusätzliche Hürde in den Experimenten. Sie befanden sich in unterschiedlichen Räumen und waren dabei nur über eine Webcam ohne Ton miteinander verbunden. Ihnen wurden unterschiedliche Bilder und Motive vorgelegt und diesen Inhalt sollten sie an ihr Gegenüber kommunizieren, zum Beispiel das Motiv: "Mit einem Hammer schlagen". Jetzt war Einfallsreichtum gefragt. Die Kinder versuchten diese Bilder in einer Gebärdensprache darzustellen.
Die Lösung, die die Kinder dafür verwendet haben, war in den meisten Fällen, dass sie das Bild nachgeahmt haben. Also ich sehe einen Hammer, der auf etwas hämmert, dann mache ich diese Geste. Eine ikonische Geste nennt man das, also eine Geste, die das darstellt, was man sieht.
Das funktionierte meist noch ganz gut. Diese Aufgabe war verhältnismäßig einfach für die jungen Probanden. Doch die Wissenschaftler wollten noch mehr aus ihnen herauskitzeln. Die zweite Aufgabe der Kinder war deutlich schwieriger. Die Kinder sollten Inhalte, wie zum Beispiel "ein unbeschriebenes Blatt Papier" erklären. Die Herausforderung: Es gab keine Handlung und keinen Anhaltspunkt, der sich nachahmen ließ, nur den reinen Gegenstand. Nicht so einfach.
Eine neue Sprache entsteht
Und jetzt passierte etwas Spannendes: Nach einer kurzen Phase der Ratlosigkeit und einigen erfolglosen Versuchen, das Blatt Papier pantomimisch darzustellen, fingen die Kinder an, sich über gemeinsame Zeichen zu verständigen und sich an den Inhalt heranzutasten. Wie könnte man den Begriff "leer" beschreiben? Zum Beispiel mit einem weißen Punkt auf dem eigenen Pulli! Irgendwann verstand das Gegenüber, was gemeint war. Und dann kam der große Erfolg für die Wissenschaftler: Die Kinder, die sich einmal auf ein bestimmtes Zeichen für "leer" verständigt hatten, nutzten dies auch in späteren Versuchen. Da reichte es dann sogar, einfach nur auf den Pulli zu deuten, selbst, wenn sich dort gar keine weiße Stelle mehr befand. Beide wussten: "Ach ja! Klar: Leer!"
Komplexe Inhalte vermitteln
Die Forscher gingen dann in einem dritten Versuch noch einen Schritt weiter. Bei der letzten Aufgabe im Rahmen ihrer Studie ging es schließlich darum, komplexere Situationen darzustellen, zum Beispiel den Unterschied zwischen einer großen und einer kleinen Ente oder Szenen wie "ein Affe jagt einen Elefanten". Wie die Kinder diese Aufgabe gelöst haben, sorgte für eine kleine Überraschung.
Je komplexer die darzustellenden Szenen also waren, desto erfindungsreicher wurden die Kinder im Kreieren und Kombinieren von Gesten. Doch was sagen diese Ergebnisse nun in Hinblick auf den Ursprung von Sprache aus?
Wir würden vorschlagen, dass ein sehr plausibler Ursprung für Sprache erstmal die Etablierung von Zeichen ist, im Reich der Gestik. Dass man quasi als erstes ein Zeichen etabliert, das direkt darstellt, was es ausdrückt, eine Handlung auf die ich mich beziehe. Erst werden Zeichen etabliert und im zweiten Schritt können Zeichen kombiniert werden und dann habe ich ein komplexes Regelwerk, was ich auf viele viele Fälle anwenden kann.
Dies sind die ersten Erkenntnisse der Leipziger Wissenschaftler. Sie stehen damit noch ganz am Anfang ihrer Suche nach Antworten auf die große Frage, wie sich die menschliche Sprache entwickelt hat.
jm/fp
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