Weltraumforschung Ein Katalog für den Weltschraumschrott

13. Oktober 2020, 22:45 Uhr

900.000 Schrottobjekte sind im erdnahen Orbit unterwegs. Damit die Teile nicht in einen der Satelliten donnern, die unseren Alltag so bequem machen, hat Deutschland jetzt einzigartigen Radar entwickelt.

Im Weltall wächst die Kollisionsgefahr: Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ziehen dort mehr als 900.000 teils sehr kleine Schrottobjekte, Tausende Satelliten sowie Raumfahrzeuge ihre Bahnen. Ein Radargerät, das vom Fraunhofer Institut entwickelt worden ist, soll Weltraumschrott auf Kollisionskurs rechtzeitig erkennen und Alarm schlagen. Es geht um Hightech-Abfall, der in erdnahen Orbithöhen unterwegs ist, also zwischen 200 und 2.000 Kilometern. Auch die ISS könnte dann vor nahendem Weltraummüll gewarnt werden, der in 400 Kilometern Höhe unterwegs ist. Tatsächlich fliegt sie bereits jetzt regelmäßig Ausweichmanöver, wie DLR-Sprecherin Elisabeth Mittelbach sagt.

Zwei Personen an Gestra Überwachungsmonitoren
Rund um die Uhr werden die Wege von Weltraummüll nun verfolgt. Bildrechte: Fraunhofer FHR / Uwe Bellhöfer

Dieses erste deutsche Warnsystem besteht aus je 256 einzeln gesteuerten Sende-und Empfangseinheiten. Es soll im Anfang 2021 auf Empfang gehen. Die Kosten für "GESTRA" - so heißt das Alarmsystem, kurz für "German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar" - lagen am Ende bei 44,5 Millionen Euro. Damit zieht Deutschland nach in Sachen Weltraumschrott-Monitoring. Andere Staaten in Europa, aber auch die USA und China beispielsweise haben bereits solche Monitoring-Systeme.

Warum erst jetzt - und machen das andere nicht auch schon?

Aber warum brauchen wir angesichts der Kosten eigentlich alle eigene Radare? Könnte man nicht einfach die Daten anderer nutzen? Dr. Manuel Metz vom DLR ist Astrophysiker, sein Kerngebiet ist Weltraumschrott. Im Gespräch mit MDR Wissen erklärt er, warum mehrere Systeme, auch an verschiedenen Standorten, sinnvoll sind.

Ein Mann vor einem Bürogebäude mit vielen Fenstern
Dr. Manuel Metz Bildrechte: DLR (CC-BY 3.0)

"Zum einen ist es eine Vertrauenssache, dass man die Daten über Schrottobjekte bekommt. Zum anderen macht man sich ja dann abhängig von denen, die die Daten liefern. Ein eigenes System hat auch den Vorteil, dass man so auch überwachen kann, ob Satellitenbetreiber Richtlinien einhalten." Viele Staaten haben Monitoringsysteme, stehen aber mit anderen im Austausch. "Wenn man Objekte beobachtet und die vom eigenen Radar verschwinden, können sie in anderen Systemen weiterverfolgt werden", sagt Metz. Im EUSST, kurz für European Space Surveillance Tracking Service, einer Art Netzwerk in Sachen Weltraumschrott, wird in Europa international zusammengearbeitet. Frankreich, Polen, Portugal, Spanien, Italien, Rumänien und Deutschland tauschen hier entsprechende Monitoring-Daten aus.

Warum Schrottmonitoring dringend nötig ist

Unser Alltag ist längst davon abhängig, dass rund um die Erde alles "glatt läuft" und die zahllosen Satelliten, die unsere elektronischen Helfer im Alltag – Handy, Internet, Navigation, - mit Daten versorgen, nicht zerstört werden von umherfliegendem Abfall. DLR-Sprecherin Mittelbach führt aus: "Das Problem sind die nicht mehr steuerbaren, ausrangierten Teile, bei denen man keinen Knopf mehr drücken kann. Wenn davon zwei zusammenstoßen, können noch mehr Trümmer entstehen." Diesen Schneeball-Effekt will man vermeiden.

Hätte man sich das nicht früher überlegen müssen?

Der Launch der Starlink-Internet-Satelliten. Betrieben werden die Starlink-Satelliten von dem privaten Raumfahrtunternehmen SpaceX. Dieses schickt sie mit seinen eigenen Trägerraketen, des Typs "Faalcon 9", ins Weltall
Der private Satellitenbetreiber Starlink aus den USA plant tausende Satelliten ins All zu schicken Bildrechte: SpaceX

Hätte man das nicht viel früher machen müssen? Wäre nicht vorab zu klären gewesen, was mit dem ganzen Zeug, das man in den Erdorbit schickt, passiert, wenn es nicht mehr funktioniert? Die Perspektive ist ernüchternd: Noch einmal alles auf Null stellen, den ganzen Schrott aus dem Orbit einsammeln und mit all unserem Wissen um die dadurch entstehenden Gefahren neu anfangen - das geht leider nicht. Zwar ist man sich weltweit inzwischen darüber einig, dass der Erdorbit eine gemeinsame Ressource der Menschheit ist, sagt Metz. Und es gibt Gremien, die an allgemeingültigen Regeln arbeiten für eine nachhaltige Nutzung des Weltalls. Zum Beispiel fordert die DLR, dass Satelliten nach 25 Jahren kontrolliert wieder in die Erdatmosphäre eintreten und verglühen sollen.

"Das können wir mit dem eigenen System jetzt verfolgen", sagt Metz, "dann könnte man wenigstens schauen, ob sich an die 25-Jahre-Regel gehalten wird". Die DLR fordert von Satellitenbetreibern, dass sie zum Beispiel Risikoanalysen erstellen, anhand derer beispielsweise empfohlen wird, schneller verglühende Materialien zu benutzen. Wenn sich 90 Prozent der Betreiber daran halten würden, wäre das optimal, sagt Metz. Er schätzt die Einhaltung aber nur auf 60 Prozent oder weniger. Trotzdem ist der Physiker optimistisch: "Wir sind auf dem Weg zu einer nachhaltigen Nutzung des Orbits." Und setzt nach einer kurzen Pause nach: "Aber leider zu langsam."

Gestra Empfänger Koblenz
Weltraumschrott verfolgen und katalogisieren: Das wird jetzt in Koblenz gemacht Bildrechte: Fraunhofer FHR / Uwe Bellhöfer

(lfw)

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