Luftaufnahme des Bratsk-Stausees und der Staumauer des Bratsk-Wasserkraftwerks am Fluss Angara im Herbst.
Der Bratsk-Stausse: der drittgrößte der Erde, dreimal so groß wie das Saarland. Bildrechte: IMAGO/ITAR-TASS

Gewässer-Forschung Warum Stauseen langfristig weniger Wasser speichern

12. Januar 2023, 15:16 Uhr

2050 speichern Stauseen weltweit ein Viertel weniger Wasser als eigentlich möglich wäre. Darauf weist eine Studie der UN hin. Was steckt hinter diesem Phänomen, das Stauseen weltweit betrifft? Und welche Folgen hat das?

Theoretisch könnten Stauseen weltweit 6.300 Milliarden Kubikmeter Wasser speichern. Praktisch werden sie das aber im Jahr 2050 nicht mehr tun, denn dann fassen sie möglicherweise nur noch 4.670 Milliarden Kubikmeter Wasser. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Vereinten Nationen, die im Fachmagazin "Sustainability" veröffentlicht wurde. Jährlich fehlten dadurch 1,65 Billionen Kubikmeter Wasser. Um sich das konkret vorzustellen: Das entspricht ungefähr dem jährlichen Wasserverbrauch von Indien, China, Indonesien, Frankreich und Kanada zusammen.

Der Fluss spült Sedimente in die Staugewässer

Aber was ist da los in den Stauseen? Es sind die Sedimente am Grund der Flüsse, die mit der Strömung in die Staubecken gespült werden und sich dort ansammeln. Das sorgt dafür, dass auf lange Sicht weniger Platz für Wasser ist, das gespeichert werden kann. In die Studie flossen den Autoren zufolge Verlandungsdaten aus 47.400 großen Staubecken in 150 Ländern ein; daraus berechneten sie die Entwicklung der Speicherkapazität für die Jahre 2022, 2030 und 2050.

Prognosen für Europäische Stauseen

Und wie sieht das konkret aus, zum Beispiel für Stauseen in Europa? Auch das zeigt die Forschungsarbeit: In Deutschland haben Stauseen demnach schon rund 24 Prozent ihres ursprünglichen Fassungsvermögens verloren, bis 2050 könne der Verlust auf fast 35 Prozent steigen. In Irland "fressen" Sedimente der Analyse zufolge schon jetzt 30 Prozent der Speicherkapazität, bis Jahr 2050 könnten es fast 40 Prozent sein. Anders in Dänemark: Dort wird der Speicherverlust aktuell mit etwa zehn Prozent beziffert, bis 2050 etwa mit 20 Prozent. Am ärgsten betroffen sind den Forschern zufolge aber Großbritannien, Panama, Irland, Japan und die Seychellen: Die mögliche Speicherkapazität reduziert sich dort den Berechnungen zufolge um 35 bis 50 Prozent. In Ländern wie Bhutan, Kambodscha, Mongolei, Äthiopien, Guinea und Niger mit jüngeren Staubecken wird sich der Verlandungseffekt vorerst noch nicht bemerkbar machen.

Wie kann man die Speicherkapazität der Seen erhalten?

Nur, was tun? Das Forscherteam um Duminda Perera vom Institut für Wasser, Umwelt und Gesundheit der United Nations University im kanadischen Hamilton wartet mit mehreren Gedanken auf: Bypässe, also separate Kanäle, könnten die Staudämme "umschiffen", und zum Beispiel bei Hochwasserereignissen dafür sorgen, dass Ablagerungen weiterfließen und nicht in Stauseen gespült werden. Früheren Studien zufolge könnten so 90 Prozent der Sedimenteinträge reduziert werden. Auch Erhöhungen des Damms könnten die Speicherverluste ausgleichen, allerdings würde das auch bedeuten, die Wasserfläche zu vergrößern, dafür aber andere Lebensräume zu verkleinern. Als wenig vielversprechend nannten die Forscher auf die Möglichkeit, Stauseen auszubaggern oder Sedimente auszuspülen, was zum einen teuer wäre und zum anderen den Regionen flussabwärts neue Probleme ins Haus spülen würde.

Überfüllter Stausee in Hongze in der chinesischen Provinz Jiangsu nach heftigen Regenfällen
Der Hongze-Stausee in China bei einem Hochwasser 2007. Bei solchen Ereignissen werden viele Sedimente ins Staugewässer gespült. Bildrechte: IMAGO / Xinhua

Welche Folgen hat die Verlandung?

"Der Rückgang der verfügbaren Speicherkapazität bis 2050 in allen Ländern und Regionen wird viele Aspekte der Volkswirtschaften in Frage stellen, darunter die Bewässerung, die Stromerzeugung und die Wasserversorgung", sagte Perera. "Die neuen Dämme, die derzeit gebaut werden oder geplant sind, werden die durch Sedimentation verursachten Speicherverluste nicht ausgleichen." Ein schleichendes globales Wasserproblem mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen drohe.

In Asien zum Beispiel, wo 60 Prozent der Weltbevölkerung leben, ist die Wasserspeicherung von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der Wasser- und Ernährungssicherheit, wie es in der UN-Analyse heißt. Die Lage werde schwieriger, wenn dort rund 23 Prozent der Wasserspeicher in großen Staudämmen aufgrund von Sedimentation verloren gingen.

lfw/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 13. September 2022 | 17:00 Uhr