Psychologie mit Handydaten Was ihr Smartphone über ihren Charakter verrät
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17. April 2024, 15:22 Uhr
Für zahlreiche Menschen ist das Smartphone zu einem ständigen Begleiter geworden. Ohne das Telefon in der Tasche, fühlt man sich direkt etwas nackt. Denn es kann ja auch so viel: Apps verraten den Weg, lenken ab oder wir kommunizieren mit unseren Liebsten. Doch das Smartphone erzeugt auch ständig Daten. Und die lassen teils besorgniserregende Rückschlüsse auf unsere Persönlichkeit zu, wie Forschende in einer aktuellen Analyse zeigen konnten.
Smartphones können so einiges - wie viel genau die hoch entwickelten Computer mit den zahlreichen Sensoren können, ist aber den wenigsten Menschen wirklich bewusst. Mit ihnen ist es zum Beispiel ein Leichtes, umfangreiche Aufzeichnungen unseres Verhaltens zu erfassen. Und das kann die Privatsphäre ernsthaft gefährden. Das jedenfalls ist eine Schlussfolgerung von Forschenden der Ludwig-Maximilians-Universität München und renommierten US-Universität Stanford. Das Team um den deutschen Erstautoren Dr. Clemens Stachl hat daher untersucht, inwieweit Smartphone-Daten Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsmerkmale von Menschen zulassen. Die Analyse ist im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences publiziert worden.
Analyse auf Vorhersagbarkeit der "Big Five"
Smartphones sammeln umfassend Daten über ihre Nutzerinnen und Nutzer und deren Verhalten - so zum Beispiel den Standort, die Kommunikation oder den Medienkonsum. Das Forschungsteam ist deshalb der Frage nachgegangen, inwiefern sich aus diesen Daten Rückschlüsse auf die sogenannten "Big Five"-Persönlichkeitsmerkmale ziehen lassen. Mit diesem Modell beschreiben Psychologen die verschiedenen Charaktere von Menschen. Frühere Studien haben gezeigt, dass die "Big Five" ein breites Spektrum von Lebensergebnissen in den Bereichen Gesundheit, politische Partizipation, persönliche und romantische Beziehungen, Kaufverhalten sowie akademische und berufliche Leistung vorhersagen können.
Big Five Persönlichkeitsfaktoren
Die Big Five Persönlichkeitsfaktoren sind ein Modell aus der Psychologie, um die menschliche Persönlichkeit umfassend beschreiben zu können. Sie sind das Ergebnis jahrzehntelanger Persönlichkeitsforschung und gelten als empirisch mit am besten nachgewiesene Merkmale:
- Extraversion bzw. Introversion
- Neurotizismus (Neigung zu emotionaler Labilität oder Ängsten)
- Verträglichkeit (Neigung zu Altruismus und Kooperation)
- Gewissenhaftigkeit
- Offenheit für Erfahrungen
Diese Big Five-Persönlichkeitsdimensionen wollten die Forschenden anhand von sechs verschiedenen Kategorien des Smartphone-Verhaltens bewerten, die über Sensor- und Protokolldaten erfasst worden sind. Die Nutzenden mussten dem Forschungsteam also nicht direkt Auskunft geben, das hat sozusagen allein ihr Smartphone übernommen. Diese Kategorien waren die Kommunikation und das soziale Verhalten, der Musikkonsum, die App-Nutzung, die Mobilität, die allgemeine Telefonaktivität und die Tag- und Nacht-Zeitaktivitäten, schreiben die Forschenden.
Mit maschinellem Lernen zur Prognose
Mithilfe eines Ansatzes aus dem maschinellen Lernen haben die Forschenden die Smartphone-Daten von 624 Freiwilligen an 30 aufeinander folgenden Daten gesammelt und analysiert, schreiben sie.
Das Ergebnis: Bestimmte Verhaltensmuster in den sechs untersuchten Kategorien haben tatsächlich Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsmerkmale zugelassen, so das Forschungsteam. Die Daten ermöglichten eine relativ gute Vorhersage der "Big Five"-Persönlichkeitsmerkmale der Freiwilligen. Diese Vorhersagen seien ähnlich genau wie die, die Social Media-Plattformen aus den digitalen Fußabdrücken ihrer Nutzerinnen und Nutzer - also beispielsweise den Likes auf Facebook - ableiten können. Nur, dass bei den Smartphone-Daten eben nicht extra ein Button angeklickt werden müsse, sondern sie passiv in erheblichen Mengen von den Geräten erfasst würden - zum Beispiel durch App-Nutzungsprotokolle, Medien- und Website-Verbrauch, Standort, Kommunikation oder Bildschirmaktivität.
Vor allem die Analyse der Kommunikation und des sozialen Verhaltens sowie die App-Nutzung lassen Vorhersagen über die Persönlichkeitsmerkmale besonders gut zu. Dabei hätten sich am besten Aussagen über Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Extraversion treffen lassen. Bei der emotionalen Stabilität dagegen sei das nur eingeschränkt möglich gewesen und für die Verträglichkeit überhaupt nicht. Und das alles, obwohl die Datenmenge, die sie genutzt hätten, recht konservativ gewesen sei, schreiben die Forschenden. Würde man noch mehr Sensoren und Protokolldaten verwenden, wäre eine präzisere Aussage über die Persönlichkeit mit ziemlicher Sicherheit möglich.
Die Forschenden warnen explizit vor dem Missbrauch dieser Daten für kommerzielle Zwecke oder beispielsweise die Manipulation von Menschen. Es gebe bereits viele kommerzielle Akteure, die schon Daten, wie sie in der Studie verwendet wurden, mithilfe öffentlich zugänglicher Anwendungen sammelten. In vielen Ländern regelten die Datenschutzgesetze solche Praktiken im privaten Sektor nicht ausreichend, heißt es weiter. App-Anbieter sollten ihre Nutzerinnen und Nutzern deshalb besser darüber informieren, welche Daten genau für welchen Zweck gesammelt werden und was anschließend mit ihnen passiert, so dass alle bewusst zustimmen oder ablehnen könnten. Es müsse offensichtlicher sein, ob man mit der App-Nutzung automatisch auch der Prognose der eigenen privaten Merkmale wie der Persönlichkeit zustimmt. Doch die Forschenden lehnen es auch nicht pauschal ab, dass Smartphones Verhaltensdaten sammeln und speichern. Für die Forschung etwa seien diese Datensätze nämlich sehr wertvoll.
Hier können Sie die Studie nachlesen.
(kie)
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